„Riesiger Skandal“Scharfe Kritik am MDR nach Sommerinterview mit Björn Höcke

Lesezeit 4 Minuten
Die vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) herausgegebene Aufnahme zeigt Moderator Lars Sänger (l.) im Gespräch mit Björn Höcke

Die vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) herausgegebene Aufnahme zeigt Moderator Lars Sänger (l.) im Gespräch mit Björn Höcke

Der MDR führt ein „Sommerinterview“ mit dem Rechtsextremen. Eine halbe Stunde lang antwortet Höcke in jovialem Ton. Für viele ist das ein No-Go.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat am Mittwoch ein halbstündiges Interview mit Björn Höcke gesendet. Das Gespräch mit dem AfD-Politiker und Thüringer Fraktionschef seiner Partei ist Teil der Reihe „Sommerinterviews“ des Senders. Um 11 Uhr lief der Livestream, die Sendung ist auf Youtube und den Social-Media-Kanälen des MDR abrufbar. Das Gespräch ist das dritte aus einer Reihe von sechs Sommerinterviews mit Spitzenvertretern aller Landtagsparteien. Geführt wurden sie wie im vergangenen Jahr vom Reporter und Co-Moderator der Sendung „Fakt“, Lars Sänger.

Schon vor Ausstrahlung des Interviews gab es große Kritik am Vorgehen des MDR. Die AfD sei eben keine Partei wie jede andere, ist der Tenor, daher verbiete es sich, Höcke eine derartige Plattform zu geben.

Björn Höcke darf als Faschist und Nazi bezeichnet werden

Höcke gehört zur extremen Strömung seiner Partei und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Ein Gericht urteilte 2019, dass er als Faschist bezeichnet werden darf.

Erst im Juli 2023 stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt fest, dass die Äußerung „Björn Höcke ist ein Nazi“ keine Beleidigung sei, sondern dass es sich um „ein an Tatsachen anknüpfendes Werturteil“ handele. Höcke habe sich in „eindeutig nationalistisch-völkischer Weise mit rassistischen Anklängen und unter Hervorhebung eines natürlichen Führungsanspruchs der Deutschen geäußert“, heißt es zur Begründung.

Vor diesem Hintergrund spricht die Plattform „Volksverpetzer“ von einem „riesigen Skandal“.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) schreibt über seinen Morgen-Newsletter „Willkommen beim Sender Höcke“ und fragt sich, warum ein gebührenfinanzierter Sender einem Extremisten eine derartige Bühne bietet. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, was Höcke sagt, würden die „Profis vom MDR“ in jedem Fall dafür sorgen, dass er optimal ausgeleuchtet und gut zu verstehen sei, so die Kritik. Dies verbiete sich für einen „Verfassungsfeind schweren Kalibers“.

Die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss schreibt: „Unfassbar, dieses Sommerinterview mit Höcke. Wundert euch nicht über die voranschreitende Normalisierung extrem rechter Positionen.“ Die Amadeu Antonio Stiftung meint: „Man bietet Rechtsextremen kein Podium. Wie oft soll man es noch sagen?“

Höcke-Interview: MDR spricht von „journalistischem Auftrag“

Der MDR rechtfertigte sich bereits vorab, warum Höcke interviewt wird, obwohl der AfD-Landesverband vom Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. „Es ist unsere Aufgabe, die Positionen in der Thüringer Politik für die Menschen im Freistaat transparent zu machen und einzuordnen. [...] Ein Ausschluss der prägenden Figur der Thüringer AfD, die im Thüringer Landtag die drittgrößte Fraktion stellt, verträgt sich nicht mit unserem journalistischen Auftrag“, heißt es zur Erklärung.

An dieser Auffassung gibt es viel Kritik, denn Parteien und Personen, die die „verfassungsmäßige Ordnung ablehnen, müssen ausgeschlossen werden“, meint dieser Rechtsanwalt und Grünen-Politiker.

Das sagt Björn Höcke im MDR-Interview

Höcke gibt sich im Interview lässig. Auf die Einleitung von Sänger, die Partei sei autoritär, national und radikal, entgegnet er, darüber „könne man ja vielleicht mal reden“. Auf die Frage, was Höcke machen würde, wenn die AfD in Thüringen stärkste Partei werde, sagt Höcke zunächst, es gehe, „lieber Herr Sänger“, nicht um seine Person.

Im Falle eines Wahlsiegs wolle er in die Regierungszentrale in Erfurt. „Wenn meine Partei mich auf dem Landesparteitag Ende des Jahres zum Spitzenkandidaten kürt und wenn wir dieses Ergebnis halten können und auch ausbauen können, das uns Umfragen prognostizieren, dann möchte ich selbstverständlich in die Staatskanzlei einziehen“, so Höcke.

Höcke bedient sich im Interview immer wieder eines Vokabulars, das an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert: Die Bildungspolitik in Deutschland sei nicht mehr Ländersache, sondern sie werde „gleichgeschaltet“. Sänger widerspricht. Höcke spricht von den „Altparteien“, die eine „Familienzerstörungspolitik“ gemacht hätten. Das Bildungssystem müsse befreit werden von „Ideologien“ wie der „Inklusion“ oder dem „Gender-Mainstream-Ansatz“. Höcke spricht von „Multikultisierung“, die „uns unsere Identität klaut“.

Interviewer Sänger, der vor allem nach Bildungsthemen fragt, muss sich wiederholt gönnerhaft mit „lieber Herr Sänger“ ansprechen lassen. Oft wird er unterbrochen, stimmt dem AfD-Politiker aber auch in Detailfragen häufig zu. Statt Höcke mit kritischen Nachfragen zu stellen, geht es um Höckes Heimatverbundenheit und seinen Wahlkreis Eichsfeld. Sänger muss sich sogar von Höcke belehren lassen, was der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei.

KStA abonnieren