Kanzler Merz stärkt die Linie von Innenminister Dobrindt, trotz des Urteils zugunsten von drei Somaliern auch Asylsuchende zurückzuweisen.
„Sicherheit und Ordnung schützen“Merz hält trotz Urteils an Zurückweisungen fest – Grüne sprechen von „Klatsche“

Beamte der Bundespolizei am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder): Die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen ist umstritten.
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Anfang Mai sind die Grenzkontrollen in Deutschland verschärft worden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte verfügt, auch Asylsuchende zurückzuweisen. Ausnahmen sollte es nur für besonders Schutzbedürftige wie Kinder und Schwangere geben. Dies stieß auf Kritik, besonders in Nachbarländern wie Polen. Experten bezweifelten, dass diese Praxis mit EU-Recht vereinbar ist.
Am Montag (2. Juni) urteilte das Verwaltungsgericht Berlin dann in einem Eilbeschluss, dass diese Praxis rechtswidrig sei. Drei Personen aus Somalia hatten geklagt, unterstützt von der Organisation Pro Asyl. Die Bundespolizei hatte sie an der Grenze abgewiesen und nach Polen zurückgeschickt, ihre Asylgesuche wurden ignoriert.
Die Berliner Entscheidung hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil sich Kritiker der Zurückweisungen in ihrer Rechtsauffassung bestätigt sahen. So verlangt die Dublin-3-Verordnung der EU, dass zunächst der EU-Staat festgestellt wird, der für das Asylverfahren zuständig ist. Dies müsse in Deutschland geschehen, so das Gericht nun. Auch den Verweis auf die Notlagenklausel ließen die Richter nicht gelten. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Haßelmann: „schallende Ohrfeige für Friedrich Merz“
Die Grünen sehen in der Gerichtsentscheidung eine „Klatsche“ für die Bundesregierung, insbesondere Friedrich Merz und Alexander Dobrindt. Fraktions-Geschäftsführerin Irene Mihalic schrieb am Montag im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, die „populistische Anordnung“ der Zurückweisungen müsse umgehend gestoppt werden. Fraktionschefin Haßelmann wertete das Urteil ebenfalls als „schallende Ohrfeige für Friedrich Merz und seinen nationalen Alleingang“.
Die Spitzen des Unions-Koalitionspartners SPD hielten sich bislang mit öffentlichen Äußerungen zurück. Der künftige Generalsekretär Tim Klüssendorf drängte lediglich auf „Rechtssicherheit“ in dem Verfahren. Nur der ehemalige Parteivize Ralf Stegner kritisierte die Union offen und sprach nicht ohne Schadenfreude von „politischen Schrammen“ für Dobrindt durch das Urteil.
Dobrindt: Berliner Entscheidung ist „Einzelfallbeschluss“
Ungeachtet des Urteils hatte Innenminister Dobrindt direkt im Anschluss an dessen Veröffentlichung bekräftigt, an der Praxis der Zurückweisungen festzuhalten, um Kurs bei der von der Union versprochenen „Migrationswende“ zu halten. Das Urteil nannte Dobrindt einen „Einzelfallbeschluss“. Zudem wolle er ein „Hauptsache-Verfahren“ anstreben. Er glaube, dass man dort „deutlich Recht bekommen“ werde, so Dobrindt. „Wir werden daran arbeiten, dass wir eine ausreichende Begründung liefern“, ergänzte der CSU-Politiker am Dienstag.
Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts in der nächsthöheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, ist nach dem Gesetz allerdings nicht möglich. Für ein Hauptsache-Verfahren müssten einige Hürde aus dem Weg geräumt werden. Das Innenministerium müsste dafür einer Erledigungserklärung der Klägerin widersprechen. Eine der Personen aus Somalia, eine Frau, hatte nach Gerichtsangaben neben dem Eilantrag auch Klage eingereicht.
Merz will an Zurückweisungen festhalten
Kanzler Friedrich Merz stärkte Dobrindt am Dienstag den Rücken. Bis die Lage an den europäischen Außengrenzen besser sei, würden die deutschen Binnengrenzen stärker überwacht. Die Entscheidung des Berliner Gerichts enge die Spielräume zwar möglicherweise noch einmal etwas ein, sagte der CDU-Chef beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin. „Aber die Spielräume sind nach wie vor da. Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können.“
„Wir werden das selbstverständlich im Rahmen des bestehenden europäischen Rechts tun“, sagte Merz. „Aber wir werden es tun, auch um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Lande zu schützen und die Städte und Gemeinden vor Überlastung zu bewahren.“ Dieser Aufgabe wolle sich die Bundesregierung unverändert stellen.
Zudem verwies Merz auf weitere Maßnahmen wie die Aussetzung des Familiennachzugs von subsidiär Schutzberechtigten und die Beendigung von freiwilligen Aufnahmeprogrammen. Außerdem sollten weitere Migrationsabkommen mit Herkunftsländern abgeschlossen werden, um die Belastung für Städte und Gemeinden bei der Aufnahme von Migranten zu verringern. (mit dpa)