Als Bundestagspräsidentin sollte Julia Klöckner überparteilich agieren. Die CDU-Politikerin verhalte sich aber nicht so, meinen viele.
Bundestagspräsidentin„Merz macht Hayali fertig“ – Kritik an Julia Klöckner nach Insta-Post

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) steht wegen eines Instagram-Posts in der Kritik.
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Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zieht derzeit Kritik wegen ihrer Social-Media-Aktivitäten auf sich. Klöckner teilte in ihrer Instagram-Story am Sonntag das Posting eines Accounts namens „merzrevolution“, in dem das Auftreten von Bundeskanzler Friedrich Merz im „heute journal“ des ZDF gefeiert wird.
„Die Mehrheit sieht es anders! Merz macht Dunja Hayali (ZDF) fertig“ lautet die Überschrift. Klöckner teilte den Beitrag des Users, der die Politik von Merz mit seinen Postings unkritisch unterstützt, in ihrer Story. Mittlerweile ist der Beitrag auf ihrem Account daher nicht mehr sichtbar.
Darauf aufmerksam machte allerdings die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann. Sie schrieb dazu: „Ich bin mir nicht sicher, ob Julia Klöckner mit dem Teilen solcher Inhalte den gelungenen Rollenwechsel hin zur überparteilichen, an konstruktiver Debatte interessierten Bundestagspräsidentin belegen will. Oder kann.“ Nachdem in den sozialen Medien eine Diskussion über das von Klöckner geteilte Posting entbrannte, bekräftigte Diekmann mit einem weiteren Beitrag, dass dieses echt sei.
Verschiedene Politiker und Journalisten reagierten inzwischen auf die Aktion von Klöckner. Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat schreibt bei X: „Derartige Angriffe durch eine Bundestagspräsidentin auf die Presse hat man noch nicht erlebt. Die Frau ist absolut ungeeignet für ihr Amt.“ Auch der „Zeit“-Journalist Christian Bangel schreibt bei X, Klöckner habe ihr Amt „nicht kapiert“.
Die Kritik entzündet sich daran, dass Klöckner als Bundestagspräsidentin überparteilich agieren und sicher nicht Posts von zweifelhaften Accounts teilen sollte. Vor allem macht sich Klöckner dadurch die Wortwahl zu eigen, ihr Parteichef habe eine unabhängige Journalistin „fertig gemacht“. Damit habe sie offenbar grundsätzlich die Rolle der Presse in Deutschland nicht verstanden, so die Kritik.
Hayali und Merz streiten über Migrationspolitik
Abgesehen davon gibt es naturgemäß unterschiedliche Bewertungen des Gesprächs zwischen Merz und Hayali und ob der Kanzler die Journalistin argumentativ geschlagen habe. Das Interview wurde bereits am Mittwochabend im „heute journal“ geführt. Das Gespräch startete mit technischen Problemen, da Merz die Journalistin zunächst nicht hören konnte. Nachdem die Probleme ausgeräumt wurden, stellte Hayali Merz Fragen zu dessen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin. Es ging um die Lieferung des deutschen Waffensystems Taurus, die Merz bislang aber offen lässt.
Hayali fragte nach Konsequenzen für Russland und Wladimir Putin, falls die am Montag (2. Juni) in Istanbul stattfindenden Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine erneut ergebnislos bleiben sollten. Merz sagte, er schließe zusammen mit den europäischen Partnern „kein Instrument“ der Sanktionen aus, um Russland weiter unter Druck zu setzen und der Ukraine zu helfen.
Merz spricht über geplanten Besuch bei Donald Trump
Bei den weiteren außenpolitischen Themen Donald Trump und Nahost war die Stimmung zwischen Merz und Hayali noch relativ entspannt. Merz besucht Trump am Donnerstag (5. Juni), wie inzwischen klar ist. Wie sich der Bundeskanzler dem erratisch handelnden US-Präsidenten gegenüber denn positionieren werde, wollte die Journalistin wissen. Merz wolle die Gemeinsamkeiten beider Länder herausstellen, erklärte er. Zu seiner Kritik an Israel meinte Merz, dies sei kein „Sinneswandel“, wie von Hayali unterstellt. Angesichts des menschlichen Leids im Gazastreifen dürfe auch ein deutscher Bundeskanzler nicht schweigen.
Hitzig wurde es dann, als die Sprache auf Migrationspolitik kam. Die schwarz-rote Regierung will den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten stoppen. Die Grüne Opposition spricht von „Symbolpolitik“, und auch der ZDF-Beitrag dazu hatte einen kritischen Ton. Merz müsse sich in die „Niederungen der Innenpolitik“ begeben, hieß es dort.
Hayali wollte konkret wissen, warum Deutschland sicherer werde, wenn allein geflüchteten Männern verwehrt werde, ihre Frau und Kinder nachzuholen. Merz sprach von einem „Zerrbild“, das gezeichnet werde. Insbesondere aus Syrien Geflüchtete könnten jetzt zurückkehren. Hayali erwiderte, sie habe einfach „nachgefragt“ und kein Zerrbild gezeichnet. Sie verwies dann auf die Kritik der Kirchen. Diese hätten gesagt, das Schutzversprechen gelte für alle. „Aber nicht mehr für die Union?“, wollte sie wissen.
Hayali: „Wir machen hier ja keine weichgespülten Interviews“
Merz wurde etwas ungehalten und sagte, Hayali würde sich immer auf die Kritiker der Regierungsarbeit beziehen, während die Mehrheit der Bevölkerung auch einen Politikwechsel bei der Migration wolle. „Wir machen hier ja keine weichgespülten Interviews“, entgegnete Hayali. Zur journalistischen Arbeit gehöre es eben, die Gegenposition des Gesprächspartners einzunehmen. „Alles gut“, antwortete Merz mit einem Lächeln.

ZDF-Journalistin Dunja Hayali
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Hayali ließ nicht locker und fragte, welchen Sinn es ergebe, Menschen wie zuletzt aus der Ausbildung oder der Schule abzuschieben. Merz wirkte nun nicht mehr amüsiert und sagte, dies seien Einzelschicksale. Es gebe aber sehr viele Menschen, die hier kein dauerhaftes Bleiberecht hätten, und die Regierung korrigiere jetzt die Fehler der letzten zehn Jahre. „Und da können Sie gerne immer noch weitere Beispiele nennen. Sie nennen Beispiele, die von der Minderheit der Bevölkerung so gesehen werden. Die Mehrheit sieht es ganz anders“, wurde der Bundeskanzler im letzten Teil des Gesprächs dann doch noch etwas heftiger.
Ganz am Ende, als es um den Koalitionsausschuss ging, gab Hayali Merz noch eine kleine Spitze mit: „Beim nächsten Mal einfach ein paar Spitzenpositionen noch mit Frauen besetzen“, sagte sie lächeln zu der durch Saskia Eskens Abgang noch schlechter werdenden Frauenquote in der Unions- und SPD-Führung.
Julia Klöckner macht sich mit Kritik an Kirchen unbeliebt
Der geteilte Instagram-Post ist nicht der erste Anlass für Kritik an der Bundestagspräsidentin. Zuletzt erregte ihre Drohung in Richtung Grünen-Politikerin Jette Nietzard für Widerspruch, auch bei der ehemaligen Grünen-Ministerin Renate Künast.
Die Bundestagspräsidentin hatte der Sprecherin der Grünen Jugend mit einem Hausverbot gedroht. Nietzard, selber nicht Abgeordnete, hatte parteiübergreifend Empörung ausgelöst, weil sie mit einem Sweatshirt mit dem Aufdruck „ACAB“ (steht für „All Cops Are Bastards“ = „Alle Bullen sind Schweine“) zu einer Debatte erschienen war. Auch bei den Grünen war dies auf Kritik gestoßen, ein Hausverbot im Bundestag lehnen sie aber ab.
Bereits kurz zuvor hatte Klöckner den Linken-Abgeordneten Marcel Bauer des Plenums verwiesen – wegen einer unpassenden Kopfbedeckung. Solche Entscheidungen der Bundespräsidentin werden von den betroffenen Parteien als kleinlich und vor allem nicht neutral gewertet.
Auch ihre grundsätzliche Kritik an den Kirchen, die sie im April öffentlich äußerte, stieß auf wenig Gegenliebe. Klöckner hatte gesagt, die Kirchen sollten sich auf ihren „Markenkern“ konzentrieren und sich aus tagespolitischen Themen eher heraushalten. Sie seien schließlich keine NGO. Für solche Aussagen erntete sie scharfe Kritik.
So sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Bundestagspräsidentin habe offenbar nichts von Demokratie begriffen. „Als Staatsbürger kann einem angst werden um die Verfassung, wenn die Repräsentantin eines Verfassungsorgans so liederlich mit ihr umgeht“, lautete Schüllers hartes Urteil im April. Selbst CDU-Politiker wie Armin Laschet oder Annette Schavan kritisierten Klöckner.