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Interview

Rechtsanwalt
Die geplanten zusätzlichen Grenzkontrollen stehen auf tönernen Füßen

Lesezeit 4 Minuten
Beamte der Bundespolizei stehen bei der Eireisekontrolle am deutsch-polnischen Autobahngrenzübergang A15 bei Forst und beobachten die Fahrzeuge. (Symbolbild).

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will nach einem Medienbericht 3000 zusätzliche Beamte an den Landesgrenzen stationieren.

Der Rechtsanwalt Christoph Tometten vertritt einen Österreicher und einen Polen, die sich gegen die seit Jahren anhaltenden Grenzkontrollen wehren.

Herr Tometten, Sie vertreten zwei Mandaten, die gegen die Grenzkontrollen klagen. Wie ist der Stand der Dinge?

Ich vertrete zwei Kläger: Stefan Salomon aus Österreich und Jakub Woliński aus Polen. Das erste Verfahren ist bereits abgeschlossen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass eine Kontrolle, in die Herr Salomon im Sommer 2022 geraten ist, rechtswidrig war. Das zweite Verfahren ist vor dem Verwaltungsgericht Dresden noch anhängig. Im Wesentlichen geht es dabei um die Frage, ob diese Kontrollen mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang stehen. Denn die Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist durch Anordnung des Bundesministeriums des Innern erfolgt. Das darf aber nur im Einklang mit EU-Recht geschehen. Das ist im Schengener Grenzkodex geregelt. Der besagt, dass solche Kontrollen nur im Ausnahmefall und bis zuletzt auf sechs Monate befristet stattfinden dürfen.

Und unter welchen Bedingungen?

Grenzkontrollen dürfen nur wiedereingeführt werden, wenn es eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gibt, der nicht auf anderem Wege begegnet werden kann. Dies muss vorab der EU-Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten mitgeteilt werden. Überdies dürfen die Kontrollen nicht beliebig oft verlängert werden. Tatsächlich finden sie an der deutsch-österreichischen Grenze aber seit bald zehn Jahren statt, also deutlich länger als sechs Monate - mit der immer gleichen Begründung: dem Migrationsgeschehen. Da hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gesagt: So geht das nicht, das ist keine neue Gefahr.

Trotzdem gehen die Kontrollen weiter.

Ja, so wie seit dem Oktober 2023 auch an der deutsch-polnischen Grenze. Diese Kontrollen werden ebenfalls immer wieder mit Migration gerechtfertigt. Zwar ist der Schengener Grenzkodex mittlerweile geändert worden. Er besagt jetzt, dass Kontrollen trotz gleichbleibender Gefahrenlage nicht mehr nur bis zu 6 Monate, sondern bis zu 2 Jahre angeordnet werden können. Trotzdem müssen sie auch hier die Ultima Ratio zur Abwehr von Gefahren sein. Doch tatsächlich ist die Zahl der Flüchtlinge deutlich zurückgegangen. Und da liegt es auf der Hand, dass es auch andere Möglichkeiten geben müsste. Daher bin ich guter Dinge, dass die zweite Klage ebenfalls Erfolg hat.

Warum werden die Kontrollen nicht jetzt schon beendet, wenn sie zumindest an der Grenze zur Österreich rechtswidrig sind?

Im deutschen Prozessrecht gilt leider der Grundsatz, dass man sich nur gegen Maßnahmen wenden kann, die einen persönlich betreffen. Und auch dann geht es nur um eine bestimmte Kontrolle in einer bestimmten Situation. Darauf können sich das Ministerium und die Bundespolizei zurückziehen. Das verringert auch die Chancen, dass andere klagen. Sie haben keine generelle Wirkung.

Nun will der mutmaßlich neue Innenminister Alexander Dobrindt die Kontrollen noch verstärken.

Diese zusätzlichen Kontrollen wären ein Rechtsbruch mit Ansage. Denn die bisherigen Kontrollen sind ja bereits rechtswidrig. Außerdem sollen an der Grenze Leute rausgefiltert werden, die in Deutschland Schutz suchen. Bisher wird die Einreise erstmal gestattet. Die Antragsteller bekommen ein Papier ausgehändigt, auf dem steht, wo sie sich innerhalb einer kurzen Frist melden können, um einen Asylantrag einzureichen. Der wird dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft. Das kommt nicht selten zu dem Ergebnis, dass Deutschland zuständig ist, weil es in Deutschland bereits Familienangehörige gibt - obwohl die Antragsteller aus Polen oder Österreich eingereist sind. Denn das europäische Recht sagt: Das erste Kriterium für die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates ist eben nicht der Staat der Ersteinreise, sondern die Anwesenheit von Familienangehörigen. Wenn das Bundesamt entscheidet, dass Deutschland nicht zuständig ist, dann gibt es Rechtsschutzmöglichkeiten. Im Fall der Ablehnung werden Menschen in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt. Das ist aber ganz selten ein Nachbarstaat, sondern der Staat der Ersteinreise, also zum Beispiel Bulgarien oder Griechenland.

Womit ist jetzt zu rechnen?

Jetzt will die neue Bundesregierung Schutzsuchende an der Grenze einfach so zurückweisen - und zwar durch die Bundespolizei. Das ist nicht zulässig, zumal die Bundespolizei gar nicht zuständig ist, sondern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es liegt daher ein dreifacher Rechtsbruch vor. Erstens dürften die Kontrollen gar nicht stattfinden. Zweitens darf die Bundespolizei nicht einfach Asylanträge ablehnen, weil das Bundesamt für die Prüfung von Asylanträgen zuständig ist. Und drittens können Antragsteller nicht einfach so wieder über die Grenze zurückgeschickt werden. Es muss geprüft werden, in welchen Staat zurückgeschickt werden darf und ob dies überhaupt zulässig ist.

Dennoch wird es wohl geschehen.

Ja, wahrscheinlich, weil es gegen diese neuen Maßnahmen weder Klagen noch Urteile gibt - und selbst das eingangserwähnte Urteil nicht allgemein verbindlich ist. Die Bundesregierung dürfte darauf spekulieren, dass die Betroffenen den Weg zum Gericht nicht finden, weil sie gar nicht erst nach Deutschland reingelassen werden. Das gäbe dem Rechtsschutz den Rest.