Unter den Demonstranten bei den „No Kings“-Protesten war auch Kim, eine 62-jährige Krankenschwester. Im Interview spricht sie über ihre Motive.
„No Kings“Krankenschwester gegen Trump – „Es müssen dringend mehr Menschen aufwachen“

„Bei der nächsten Wahl könnte es zu spät sein“, sagt Krankenschwester Kim bei der Demonstration gegen Trump in Maryland.
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„Wo bleibt der Protest gegen Donald Trump?“ Diese Frage haben sich in den vergangenen Monaten viele Menschen in Europa, aber auch in den USA selbst gestellt. Viele Amerikaner schienen erschöpft von dem täglichen Trommelfeuer an Hiobsbotschaften, verängstigt wegen der Drohungen samt möglicher Konsequenzen am Arbeitsplatz und teils auch resigniert angesichts des vergeblichen Kampfes gegen eine Rückkehr des Möchtegern-Diktators ins Weiße Haus.
Doch seit dem Wochenende ist die Antwort klar: Das „andere“ Amerika lebt weiter, und es hat sich fulminant zu Wort gemeldet: Insgesamt fünf Millionen Menschen gingen in 2000 Städten gegen Donald Trump auf die Straßen. Unter dem Motto „No Kings!“ demonstrierten sie beeindruckend friedlich und meist mit selbstgemalten Plakaten gegen die Angriffe auf die Demokratie und die Militarisierung der Gesellschaft in den USA durch einen autokratischen Präsidenten. Dies war die mit Abstand größte Protestwelle gegen einen Präsidenten seit langem.

Demonstranten protestieren gegen die Trump-Regierung während der nationalen Kundgebung „No Kings“ in der Innenstadt von Los Angeles
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Was treibt die Menschen um? In den großen Städten mag der Zulauf zu den Kundgebungen weniger überraschen. Aber auch in vielen kleinen Orten wie dem Städtchen Hyattsville in Maryland gab es zahlreiche Proteste. Dort versammelten sich mehrere hundert Menschen im Riverdale Neighborhood Park. Große Reden gab es nicht. Dafür etwas Musik und ein freundliches Beisammensein mit Gleichgesinnten. Unter den Teilnehmern war auch Kim. Die 62-Jährige ist eine ganz normale Bürgerin, keine Aktivistin. Sie arbeitet in einem Krankenhaus als Kinderkrankenschwester. Ihren Nachnamen mochte sie aus Sorge vor Repressionen lieber nicht verraten. Anfangs hatte sie Bedenken, überhaupt mit einem Reporter zu reden. Doch dann entspann sich ein sehr emotionales Gespräch.
Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?
(Kim zögert lange) Hm ... hm ... Na gut!
Weshalb sind Sie hier?
Weil ich mir Sorgen um mein Land mache. Wir drohen in eine Autokratie abzurutschen – und das nicht einmal langsam, sondern mit hoher Geschwindigkeit. Ich selbst habe keine Kinder. Aber ich mache mir Sorgen um die jungen Menschen: Wo soll das enden?
Was beunruhigt Sie am meisten?
Was mich am meisten beunruhigt? Dass sich die Menschen an all das einfach gewöhnen. Dass einige freiwillig, viele andere unfreiwillig verschwinden und das Leben einfach so weitergeht. Einer meiner Freunde, ein amerikanischer Staatsbürger, der ursprünglich aus Panama kam, ist aus Sorge zurück in sein Geburtsland gegangen. Ich fürchte, dass nicht-weiße Menschen zur Zielscheibe werden.
Haben Sie selber Drohungen oder Einschüchterungen erlebt?
Nicht direkt. Aber als lesbische schwarze Frau fühle ich mich sehr betroffen davon, dass sie das Marineschiff Harvey Milk umbenennen.
Sie sprechen von Harvey Milk, einer Ikone der Schwulen-Bewegung. Er wurde während des Korea-Krieges wegen seiner sexuellen Orientierung aus dem Militär ausgeschlossen, später zum Stadtrat in San Francisco gewählt und 1978 erschossen. Verteidigungsminister Pete Hegseth hat nun die Umbenennung eines nach ihm benannten Schiffes angeordnet.
Ja. Warum macht er das? Es gibt so viel Feindseligkeit. Und Gewalt. Gerade sind zwei Demokraten in Minnesota erschossen worden. Das alles ist beängstigend.

Sheriffs von Los Angeles County setzten während eines Marsches gegen die Trump-Militärparade Tränengas und Blendgranaten ein.
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Trotzdem war der öffentliche Protest bislang verhalten. Haben Sie eine Erklärung?
Viele Leute schauen einfach nicht hin. Ich meine: Er schwärmt offen davon, dass er so wie der einstige Präsident William McKinley sein will, der den skrupellosen Industriebaronen gedient hat. Man muss ihm nur zuhören. Er lügt nicht einmal über seine Absichten. Er will, dass einige Leute sehr reich werden. Die anderen sind ihm egal. Er greift die Universitäten, die Gerichte, die Anwaltskanzleien an. Das ist alles sehr beunruhigend.
Glauben Sie, dass der Widerstand nun wächst?
Ja, ich denke schon. Aber ich weiß nicht, ob es genug ist. Die Gerichte widersprechen ihm. Aber er setzt sich einfach drüber hinweg. Es müssen dringend mehr Leute aufwachen. Deshalb bin ich hier. Die Demokraten reden darüber, dass wir ihm bei den Wahlen die Quittung präsentieren sollen. Ich denke, dann wird es zu spät sein. Er ist gerade mal fünf Monate im Amt. Und schauen Sie, wo wir sind! Das Ministerium für Heimatschutz schiebt Menschen einfach so ab ...
... in Gulag-Gefängnisse in El Salvador ...
(Kim stockt) Entschuldigung! Ich werde emotional. (Sie kämpft mit den Tränen.) Die wissen nicht einmal, was ein ordentliches Verfahren ist.
Was denken Sie über die Militärparade?
Ich finde das einfach nur widerlich. Mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg in Italien gekämpft. Er ist jetzt 104 Jahre alt und lebt mit mir in meinem Haus. Ich war nicht mit allen Kriegen einverstanden, die wir seither geführt haben. Aber ich liebe unser Militär. Aber Trump benutzt es wie ein Diktator, und er gibt dafür 45 Millionen Dollar Steuergelder aus, während die Republikaner gleichzeitig sagen, dass es leider nicht genug Geld für Medicaid (die Gesundheitsversorgung für Geringverdiener) gibt. Das ist lächerlich.
Sie wirken ziemlich aufgebracht.
Ja. Das alles fühlt sich an wie in Orwells Roman „1984“. Er schlägt Alarm, weil es in Los Angeles angeblich Aufrührer gibt. Dabei hat er einen Haufen von Leuten begnadigt, die Polizisten mit Fahnenstangen auf den Kopf geschlagen und einen von ihnen umgebracht haben. Er bestraft Mexiko mit Zöllen, weil von dort Fentanyl über die Grenze kommt. Aber er begnadigt diesen Kerl von der Schwarzmarkt-Plattform Silk Road, der online mit Drogen gehandelt hat.
Sie verfolgen die Nachrichten aber ganz genau.
Leider nicht immer. Ich habe mir im letzten Jahr im Fernsehen die demokratischen Conventions angeschaut und danach die Entwicklung ein bisschen verfolgt. Aber ich muss zugeben: Ich habe auch viel anderes Zeug im TV gesehen. Ich habe dem nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Vor allem habe ich nicht gedacht, dass es so schnell so schlimm werden könnte. Da habe ich mich sehr getäuscht.