Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Anschlag von SolingenStürzt Fluchtministerin Paul über interne Chats ihrer Mitarbeiter?

3 min
Josefine Paul (Grüne) ist Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration in NRW.

Josefine Paul (Grüne) ist Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration in NRW. 

Der Terroranschlag von Solingen ist juristisch aufgeklärt. Die Aufarbeitung der politischen Hintergründe ist komplexer.

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag ruft das Landesverfassungsgericht an, um die Herausgabe von Chats von Mitarbeitern der Landesregierung zu erwirken, die im Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Solingen stehen.

„CDU und Grüne haben im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss unseren Antrag, die Chats transparent zu machen, abgelehnt“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Lisa Kapteinat am Dienstag vor Journalisten in Düsseldorf. „Es steht der Verdacht im Raum, dass wichtige Informationen verschleiert werden sollen. Fluchtministerin Josefine Paul hat kein Interesse daran, dass die Kommunikation ihres Hauses am Wochenende des Anschlags ans Licht kommt.“

Konkret geht es um die Chats von vier leitenden Mitarbeitern des Fluchtministeriums. Dabei handelt es sich um die Abteilungsleiterin Flucht, um den Gruppenleiter Rückkehrmanagement, den Leiter des Referats Sicherheitskonferenz, Extremismus und Prävention sowie um die Leiterin des Ministerbüros.

Alle sollen sich bereits am Samstag, dem Tag nach dem Anschlag, über den Fall ausgetauscht haben. Fluchtministerin Paul (Grüne), die sich an dem Wochenende dienstlich in Frankreich aufhielt, will erst am Sonntagvormittag von ihrer Zuständigkeit erfahren haben. „Sollte sich bei der Auswertung der Chats herausstellen, dass sie erneut die Unwahrheit gesagt hat, muss Frau Paul die Konsequenzen ziehen und zurücktreten“, sagte Kapteinat.

Kommunikation gelöscht

Die Kommunikation der Ministerin und ihres Staatssekretärs, die aufschlussreich hätte sein können, war zwischenzeitlich gelöscht worden. Die Ministerin hatte im vergangenen Jahr wiederholt öffentlich erklärt, die Identität des Attentäters sei dem Ministerium erst am Sonntag bekannt geworden. Später musste sie klarstellen, dass der Name im Fluchtministerium bereits am Samstag bekannt war. Einer der leitenden Mitarbeiter lässt sich von einem Rechtsanwalt beraten.

Kapteinat wies darauf hin, dass SPD und FDP die Herausgabe der Chats im nichtöffentlichen Teil des Untersuchungsausschusses wiederholt eingefordert hätten. Das sei aber mit der Begründung abgelehnt worden, der Antrag würde „ins Blaue zielen“. Das könne man so nicht stehen lassen, sagte die SPD-Abgeordnete. „Das Verfassungsgericht soll jetzt prüfen, ob die Ablehnung unseres Beweisantrags rechtmäßig war oder nicht“, so Kapteinat.

Bei Abschiebeversuch nicht auffindbar

In seinem Urteil, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf in der vergangenen Woche gesprochen hatte, sahen es die Richter als erwiesen an, dass der Attentäter Issa al H. auf dem Solinger Stadtfest mit einem Messer heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen drei Menschen getötet und neun weitere schwer verletzt hatte. Der 27-Jährige wurde zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Issa al H. hätte im Juni 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, doch zur Rückführung kam es nicht. Nachdem der Syrer bei einem Abschiebeversuch in seiner Unterkunft nicht auffindbar war, wurde von den Ausländerbehörden kein weiterer Versuch unternommen, um ihn außer Landes zu bringen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Sonntagmorgen – zwei Tage nach dem Anschlag – vergeblich versucht, Fluchtministerin Paul telefonisch zu erreichen.