Demonstrationen ab dem 8. JanuarInnenministerium: Extremisten in NRW wollen Bauernproteste missbrauchen

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Der Schädel eines toten Rindes samt eines Plakats mit der Aufschrift "Gibt es keine Bauern mehr, bleiben eure Teller leer" sind bei einer Kundgebung des Bauernverbandes gegen die Sparpläne der Bundesregierung an einem Traktor angebracht. Mit mehr als 500 Traktoren demonstrierten Landwirte aus Nordschwaben und Ost-Württemberg. +++ dpa-Bildfunk +++

Protest von Landwirten (Symbolbild)

Landwirte aus der Region distanzieren sich von der Blockade in Schlüttsiel, wo Bauern Wirtschaftsminister Habeck am Verlassen einer Fähre hinderten.

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen verurteilen die Blockade Robert Habecks durch Bauern an einem Fähranleger in Schleswig-Holstein am Donnerstagabend. „Die gestrige Aktion ist absolut inakzeptabel und einer Demokratie unwürdig“, sagt Norwich Rüße, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag.

Mehr als hundert wütende Bauern hatten Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Verlassen der Fähre im nordfriesischen Schlüttsiel gehindert. Der Bundeswirtschaftsminister war auf der Hallig Hooge im Urlaub gewesen, das Schiff musste wieder umdrehen. 

„Das Vorgehen der Landwirte im Hafen war eine Grenzüberschreitung und eine indiskutable Missachtung der Privatsphäre von Robert Habeck. Ich erwarte, dass sich diejenigen, die zu Protesten aufrufen, ganz eindeutig von solch einer Radikalisierung abgrenzen“, so Rüße. Der Grünen-Politiker ruft die Landwirte angesichts der für die kommende Woche angekündigten Proteste zu einem fairen Umgang auf. Die Rücknahme der „überproportionalen Belastung der Landwirte“ durch die Bundesregierung sei eine gute Nachricht. „Die jetzt gefundene Lösung ist ein guter Kompromiss.“

Landwirte aus der Region distanzieren sich

Auch Bauern aus der Region kritisieren die Aktion in Schlüttsiel. „Es mag für manche auf den ersten Blick zum Schmunzeln aussehen, aber es war keineswegs zum Schmunzeln“, sagt Franz Bellinghausen, Landwirt aus Engelskirchen und Vorsitzender der Kreisbauernschaft Oberberg. „Robert Habeck war in seinem privaten Urlaub, man hätte ihn in Ruhe lassen müssen. Ich distanziere mich von dieser Form des Protests.“

Ähnlich äußert sich Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbands (RLV). „Für solche Attacken ist der Rheinische Landwirtschaftsverband nicht zu haben“, sagt Conzen gegenüber dieser Zeitung. „Wir sind für Gespräche und Dialog. Unsere Demonstrationen sollen auf unsere Umstände in der Bevölkerung hinweisen. Von solchen Dingen wie den Geschehnissen am Donnerstag in Schlüttsiel distanziert sich der RLV.“

Auch der Deutsche Bauernverband hat die Aktion als „No-Go“ verurteilt. Dagegen hat der Verein „Land schafft Verbindung“ ein Video der Blockade auf Facebook hochgeladen und die Aktion der Landwirte verteidigt. 

„Keine Erkenntnisse, dass Bauern positiv auf rechtsextreme Unterstützung reagieren“

Das NRW-Innenministerium warnt vor Versuchen von extremen Kräften, die Bauernproteste für ihre Zwecke zu missbrauchen. „Die rechtsextremistische Szene und insbesondere die Delegitimierer-Szene reagiert auf die angekündigten Proteste in den sozialen Netzwerken mit Sympathiebekundungen und ruft zur Teilnahme auf“, schreibt das NRW-Innenministerium auf Anfrage. „Mit regierungskritischen bis hin zu regierungsfeindlichen Inhalten versuchen verschiedene Gruppierungen so, auf die Bauernproteste ‚aufzusatteln‘, diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und sich anschlussfähig an die bürgerliche Mitte zu präsentieren.“

Bereits in der Vergangenheit hätten Gruppen aus der Delegitimierer-Szene versucht, bei anderen Protesten – beispielsweise den prorussischen Demonstrationen in Köln – Anschluss zu finden. „Meistens ist eine regierungskritische Haltung der gemeinsame Nenner. Unterschied ist jedoch, dass die Bauernproteste sich durch legitime Kritik an politischen Entscheidungen auszeichnen. Die Delegitimierer-Szene stellt hingegen das politische System als solches infrage.“ Aufrufe zur Teilnahme an Protesten ab Montag seien unter anderem von den rechtsextremistischen Parteien „Die Heimat“ und „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ gekommen. 

Anzeichen für eine Radikalisierung der Bauernproteste sieht das Innenministerium nicht. „Es liegen keine Erkenntnisse in NRW vor, dass die Bauern positiv auf die rechtsextremistische Unterstützung reagieren.“

„Wir lassen uns nicht von irgendjemandem vor den Karren spannen“

Der Deutsche Bauernverband hatte sich bereits vor einigen Tagen von „Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern und ihren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen“ distanziert.

Diesem Statement schließe sich der Verein „Landwirtschaft sichert Versorgung NRW“ an. „Es wird versucht, von Extremisten auf verschiedene Veranstaltungen, die wir organisieren, aufzuspringen“, sagt Albert-Michael Schmitz. „Das lassen wir aber nicht zu.“ Als Anmelder von Kundgebungen in Bonn nächste Woche könne er Personen von einer Veranstaltung ausschließen, die er nicht dabei haben will. 

Schmitz will gemeinsam mit weiteren Landwirten ab Montag in einer angemeldeten Kundgebung zeitweise Autobahnauffahrten blockieren, anschließend werden die Landwirte zum WDR in Bonn fahren. Dort übergeben sie in Abstimmung mit dem Funkhaus eine Resolution. Dieses Papier wollen die Bauern anschließend Vertretern der SPD und Grünen vor den jeweiligen Parteizentralen übergeben. „Wir möchten mit den Vertretern in den Diskurs gehen“, so der Bonner Obstbauer. Er hofft darauf, dass sich die Basis der Parteien in Bonn hinter die Forderung der Landwirte stellt.

„Wir fahren allein für die landwirtschaftlichen Interessen“, sagt Schmitz. „Und was die anderen betrifft: Wir leben in einer Demokratie. Jeder, der mit etwas unzufrieden ist, darf das auch kundtun – so, wie wir das auch machen. Aber wenn sie das wollen, dann sollen sie das selber machen und nicht auf einen fahrenden Zug aufspringen. Wir lassen uns nicht von irgendjemandem vor den Karren spannen.“

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