Wie geht es nach der Wahlschlappe der Grünen bei den Kommunalwahlen in der schwarz-grünen NRW-Koalition weiter? Grünen-Landeschef Tim Achtermeyer rät davon ab, zur Profilschärfung den Streit zu suchen.
Grünen-Chef warnt„Bin mir nicht sicher, ob Brandmauer zur AfD bei allen in der CDU hält “

Tim Achtermeyer, Landesvorsitzender der Grünen in NRW, sitzt vor einem Plakat für die Kommunalwahl.
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Herr Achtermeyer, Bundesparteichef Felix Banaszak räumte am Wahlabend eine Niederlage der Grünen ein, Sie erklärten einen Tag später, die Partei könne stolz auf das Ergebnis sein. Wie kam es zu der Umdeutung?
Er sprach wie ich davon, dass wir Prozentpunkte verloren haben. Und es ist ja beides richtig: Im Vergleich zu 2020 haben wir Prozente verloren. Das war aber auch eine völlig andere Zeit, es gab große Demonstrationen für Klimaschutz, wir hatten starken Rückenwind. Heute kommt der Wind eher von vorn. Gleichzeitig haben wir das zweitbeste Ergebnis unserer Geschichte erkämpft und konnten im Vergleich zur Bundestagswahl zulegen. Darauf bin ich schon stolz.
Die CDU wertet ihr stabiles Ergebnis auch als Zustimmung für die Arbeit der schwarz-grünen Landesregierung. Wurden die Grünen bei der Kommunalwahl auch für das zu „geräuschlose Regieren“ in Düsseldorf abgestraft?
Ich fühle mich nicht abgestraft. Schwarz-Grün regiert in NRW sehr konstruktiv, das ist schon mal ein Wert an sich, denken Sie nur an Schwarz-Rot im Bund. Und wir bringen dabei richtig was auf die Schiene: 1000 neue Windräder in fünf Jahren, Rekordausgaben für Schulen und Kitas, neue Schutzgebiete für Tiere und Wälder.
Wenn die Grünen 2027 mit der CDU weiter regieren wollen, müssen sie noch zulegen. Mit welchen Themen wollen Sie punkten?
Wäre diese Wahl eine Landtagswahl gewesen, hätte Schwarz-Grün weiterhin eine Mehrheit. Und dennoch: Da geht mehr. Auch das Land braucht wieder Zukunftshunger. Ich bin nicht bereit, das Lied mitzusingen, dass das Land niedergeht und alles ganz schlimm wird. Wir arbeiten an einer Zukunft, die gut wird. Mit sauberer Luft, grüner Energie und sicheren Arbeitsplätzen.
Müssen sich die Grünen schärfer gegen die CDU abgrenzen?
Wenn Sie damit meinen, dass wir mehr streiten sollen, weil das vermeintlich besser für die Umfragen wäre: nein. Wir sind ja nicht die FDP. Grüne und CDU haben manchmal unterschiedliche Perspektiven und arbeiten dennoch konstruktiv an der Modernisierung des Landes. So stelle ich mir auch eine Koalition unter erwachsenen Menschen vor.
Luis Bobga, der Chef der Grünen Jugend werden will, plädiert dafür, die Partei „auf links zu drehen“. Ist das der richtige Weg?
Mit der Grünen Jugend wird es nie langweilig. Das wäre ja auch schade. Viele junge Menschen sagen, sie fühlen sich von der Bundesregierung nicht gehört, sei es bei der Rente oder Wehrpflicht. Das müssen wir drehen!
Brauchen die Grünen ein neues Fukushima, um zu alten Wahlergebnissen zurückzukommen?
Gott bewahre. Die Grünen waren aber vor allem dann stark, wenn es in der Gesellschaft Lust auf Gestaltung gab. Wir reden heute zu oft über Gefahren und Risiken – das macht Menschen ängstlich und lähmt. Stattdessen brauchen wir Zuversicht und Mut zu neuen Ideen und Zielen.
Was machen die bevorstehenden Castor-Transporte mit der Stimmung an der Basis?
Vermutlich freut sich nur Markus Söder über die Castor-Transporte, denn nach den Plänen der Bundesregierung soll auch Atommüll aus Bayern nach NRW geschafft werden. Das passt gut in die Ego-Show des bayrischen Ministerpräsidenten. Die Menschen sind verunsichert. Es fehlt ein Zwischenlager- und Endlagerkonzept. Die Bundesregierung verschiebt das Problem von einem Ort zum anderen. So geht man nicht mit Atommüll um, das ist doch kein Altglas.
In zahlreichen Stadträten von NRW bildet die AfD künftig einen starken Block. Die CDU könnte mit den Rechtspopulisten vielerorts eine Mehrheit gegen Bündnisse von SPD, Grünen und Linkspartei bilden. Glauben Sie, dass die Brandmauer gegen die AfD bei den Kommunalpolitikern der CDU langfristig auf einem stabilen Fundament steht?
An Hendrik Wüsts Haltung zur Brandmauer habe ich keinen Zweifel, bei anderen in der CDU bin ich mir leider nicht immer so sicher. Wenn ich mir den Rat erlauben darf: Wir müssen der AfD offensiver und nicht so defensiv begegnen. Wenn es so wirkt, dass demokratische Parteien nur den Ist-Zustand verteidigen, scheint es, als wäre die AfD die einzige Partei, die etwas im Land verändern will. Aber der Ist-Status ist nicht genug. Demokraten müssen viel stärker klarmachen, wohin sie wollen.