Eine neue, für das Auge unsichtbare Droge überflutet die Haftanstalten von NRW. Ein Gerät soll jetzt dabei helfen, den Handel zu stoppen.
Handel floriertWie die JVA Rheinbach einer neuen Knast-Droge den Kampf ansagt

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) und der JVA-Bedienstete Peter Schönenberg vor dem neuen Drogenscanner der JVA Rheinbach.
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Peter Schönenberg ist Justizvollzugsbediensteter in der JVA Rheinbach. Er gehört zum Bereich Sicherheit und Ordnung, zu seinen Aufgaben gehört es, Zellen zu kontrollieren und unerlaubte Gegenstände zu konfiszieren. Jetzt steht er mit blauen Schutzhandschuhen in einem kleinen Labor und bedient ein Gerät mit der Aufschrift IONSCAN 600. Aus dem blauen Kasten ertönt ein Warnsignal. „Positiv“, sagt Schönenberg und legt die Probe zur Seite. Neben ihm steht ein Mann im dunkelblauen Anzug, der den Vorgang interessiert verfolgt hat.
NRW-Justizminister über neue Knast-Droge NPS und den Ionenscan
NRW-Justizminister Benjamin Limbach ist in die JVA gekommen, um sich darüber zu informieren, wie sich die Haftanstalt gegen das Einschmuggeln einer neuen Droge schützt. Die wird als NPS (steht für: Neue Psychoaktive Stoffe) bezeichnet und ist dabei, sich in allen Gefängnissen von NRW verbreiten. „Das Zeug wird auf ein Blatt Papier aufgetragen und ist geruchs- und farblos, also quasi unsichtbar“, erklärt der JVA-Bedienstete Schöneberg. „Die Substanz kommt in der Regel mit der Post und blieb lange unentdeckt“, sagt der Sicherheitsexperte. Damit ist jetzt Schluss. IONSCAN 600 verhagelt den Dealern das Geschäft – in Rheinbach zumindest.
Denn dort steht bislang der einzige Scanner, der NPS erkennen kann. Wenn die Pilotphase erfolgreich abgeschlossen ist, sollen die Geräte auch für andere Haftanstalten angeschafft werden. Der Bedarf ist enorm. Bis zum Ende des dritten Quartals 2025 wurden in den NRW-Gefängnissen 1307 Betäubungsmitteln sichergestellt. 338 Funde entfielen auf NPS. Aber die Dunkelziffer dürfte enorm sein, weil die Substanz bislang nur schwer durch die herkömmlichen Kontrollen zu entdecken ist.

Unsichtbare neue psychoaktive Stoffe (NPS) wurden auf diesem karierten Blatt durch den neuen Drogenscanner der JVA-Rheinbach entdeckt.
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Die Probe, die Peter Schönenberg soeben analysiert hat, wurde am 5. Dezember in einem Paket, das auch ein Handy enthielt, über die Gefängnismauer geworfen. Die NPS sind auf ein leeres Blatt geträufelt worden. Darauf befinden sich 2600 Rechenkästchen – jedes einzelne ist eine Konsumeinheit, die – in eine Zigarette eingerollt - gefährliche Rauschzustände auslösen kann. „Es ist immer wieder vorgekommen, dass Häftlinge auf dem Pausenhof kollabiert sind und ins Krankenhaus gebracht werden mussten“, sagt Schönenberg.
Enorme Nachfrage nach Rauschmitteln in Haftanstalten
In den Haftanstalten ist die Nachfrage nach Rauschmitteln enorm. Eine Substanz, die unbemerkt verbreitet werden konnte, war für die Dealer ein Geschenk des Himmels. Denn eine einzige Seite bringt ihnen bis zu 2600 Euro. Dreist verschickten sie die getränkten Blätter auf dem Postweg, tarnten die Drogensendungen als Zusendungen aus der Familie, ließen die mit NPS behafteten Seiten von Kindern bunt bemalen.
Ein Einfallstor, das jetzt geschlossen ist. „Wir öffnen alle Briefe und erstellen Kopien“, sagt JVA-Chefin Renate Gaddum. Seiten, die so aussehen, dass sie angefeuchtet wurden, gelten als hochverdächtig und werden zur Analyse mit dem Ionenscanner geschickt.
Der IONSCAN 600 steht mit einer Datenbank des Landeskriminalsamts in Rheinland-Pfalz in Verbindung. Dort sind die chemischen Strukturen einer Vielzahl von NPS gespeichert. Die Proben werden durch eine Wischprobe von der Oberfläche des Testobjekts entnommen. „Achtung, Vergiftungsgefahr“, steht auf einem Warnschild am Zugang des Labors. Auch für Bedienstete kann der unbewusste Kontakt mit NPS zu einem Risiko werden.
Warum der neue Ionenscanner am Standort JVA Rheinbach getestet wird
In der JVA Rheinbach sind derzeit mehr als 600 erwachsene Häftlinge untergebracht. Das Gefängnis ist auf Straftäter mit Migrationshintergrund spezialisiert, die lange Haftstrafen verbüßen müssen. Spezielle Behandlungsabteilungen gibt es unter anderem für gewalttätige und drogenabhängige Inhaftierte. „Viele kennen sich mit der Beschaffung von Drogen gut aus“, sagt ein Bediensteter. Deshalb machte die Pilotierung des Ionenscanners am Standort Rheinbach aus Justizsicht Sinn. Der Betrieb kostet rund 50000 Euro pro Jahr.
Justizminister Limbach zeigte sich von der Leistungsfähigkeit des Drogendetektors begeistert. „Der Schutz von Leben und Gesundheit im Vollzug hat für uns höchste Priorität“, so der Grünen-Politiker. Sicherheit entstehe aber nicht nur durch Kontrollen, sondern auch durch Prävention und Behandlung. „Daher legen wir im Justizvollzug auch besonderen Wert auf unsere Maßnahmen der Suchthilfe und Therapievorbereitung“, sagte Limbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Wer eine Chance auf einen drogenfreien Neustart bekomme, sei später weniger rückfallgefährdet.

