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„Heilchen“, „jüdischer Langfinger“NRW-AfD erhöht im Skandal um rassistische Mails Druck auf Helferich

Lesezeit 4 Minuten
Matthias Helferich sitzt auf einem blauen Stuhl der AfD-Fraktion im Bundestag. Die Stühle um ihn herum sind leer.

Dem Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich (AfD) wird vorgeworfen, E-Mails über Gewaltfantasien und Rassenkunde verschickt zu haben.

Dem Dortmunder AfD-Abgeordneten Matthias Helferich wird vorgeworfen, E-Mails über Gewaltfantasien und Rassenkunde verschickt zu haben.

Die Vorwürfe, die vor wenigen Wochen in einem „Spiegel“-Artikel gegen den AfD-Politiker Matthias Helferich erhoben wurden, wiegen schwer: Der Dortmunder Bundestagsabgeordnete soll in Mails mit „Heilchen“ gegrüßt und über brennende Asylunterkünfte gereimt haben. Helferich erstattete Anzeige gegen Unbekannt, doch das reicht der NRW-Parteispitze nicht. Im Streit um seinen möglichen Parteiausschluss gerät der rechtsextreme Politiker stärker in die Defensive. 

Nur wenige Politiker sind in der Partei so umstritten wie Matthias Helferich. Mit seinen provokanten Auftritten und seiner Nähe zu rechtsextremen Organisationen ist er selbst einigen AfDlern zu extrem; in NRW gilt er als prominentester Gegner von Landeschef Martin Vincentz.

Helferich schrieb „jüdischer Langfinger“

Die Mails, die dem „Spiegel“ zugespielt wurden, zeichnen ein noch radikaleres Bild. Der heutige Abgeordnete soll sie in den Jahren 2014 bis 2016 innerhalb der Bonner Burschenschaft Frankonia verschickt haben. In einer Mail an ein Verbindungsmitglied heiße es demnach: „Du hast noch meine gesamte Rassenkunde-Literatur, du jüdischer Langfinger.“ Im November 2015 soll eine Mail mit einem Reim geendet haben. „Advent, Advent, ein Asylantenheim brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht der Helferich vor der Reichstagstür. Und wenn das Fünfte brennt, hast du die Revolution verpennt!“ In einer weiteren Mail soll im PS stehen: Er bevorzuge die Anrede „Holocaustleugner_In“.

Helferich streitet ab, Verfasser der Mails zu sein. Der Mailaccount eines ehemaligen „Bundesbruders“ sei damals gehackt worden, sagt der Dortmunder Politiker und Rechtsanwalt – er schließe deshalb nicht aus, dass die Mails manipuliert wurden. Sein „Bundesbruder“ habe damals Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Diese Strafanzeige, so Helferich auf Anfrage, habe er nun ebenfalls gestellt.

NRW-AfD forderte Helferich auf, den „Spiegel“ abzumahnen

Der AfD-Landesvorstand NRW scheint von dieser Erklärung nicht überzeugt. Ende Mai forderte er Helferich auf, gerichtlich gegen die „Spiegel“-Berichterstattung vorzugehen. „Wenn es sich, wie Sie sagen, um eine falsche Tatsachenbehauptung des Spiegels handelt, besteht höchstes Interesse und dringender Bedarf, dieser wirksam entgegenzutreten“, heißt es in dem Brief, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

„Die zwei Videostatements, die Sie in der Sache abgegeben haben, wonach Sie nicht Verfasser oder Versender von E-Mails mit vorstehend beschriebenem Inhalt seien und die ‚Hauptstadtjournalisten‘ Sie im Übrigen mal ‚am Arsch lecken‘ könnten, sind nach Auffassung des Landesvorstands nicht ausreichend geeignet, die gegen Sie erhobenen Vorwürfe glaubhaft und öffentlichkeitswirksam zu entkräften.“

Die Vorwürfe gegen Helferich seien so gravierend, dass sie der Partei einen „schweren Schaden zufügen“, wenn der „Spiegel“ sie nicht zurücknehme. Sollte Helferich den „Spiegel“ nicht abmahnen, gehe der Landesvorstand davon aus, dass die Journalisten ihre Recherche rechtssicher belegen können. Das Schreiben unterzeichnete Hans Neuhoff, Europaabgeordneter aus Bonn und Beisitzer im Landesvorstand. 

Helferich geht zum Gegenangriff über

Der Landesvorstand setzte Matthias Helferich zwei Fristen, um gegen den „Spiegel“ vorzugehen. Die letzte verstrich am Dienstag. Der „entstandene Parteischaden rund um die neuen Veröffentlichungen“ werde nun Teil des Parteiausschluss-Verfahrens gegen Helferich, sagte ein Sprecher der NRW-AfD am Mittwoch. Sie würden „eine seit Jahren existente Grundhaltung“ dokumentieren, „die mindestens dadurch Relevanz auch für neuere Änderungen besitzt“.

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Helferich, ein juristisches Verfahren gegen den „Spiegel“ zu führen, sei ihm zu teuer. „Ich sehe dem Parteiausschluss-Verfahren gelassen entgegen“, sagt er und geht zum Gegenangriff über: Er glaube nicht mehr an ein faires Verfahren. Dem für seinen Fall zuständigen Vorsitzenden Richter des Parteigerichts wirft er vor, in der Vergangenheit zugunsten von Personen aus dem Umfeld des Landesvorstands geurteilt zu haben. „Martin Vincentz duldet, wie bereits in der Vergangenheit, all diese Umtriebe, um sich an der Macht zu halten und mich als verhassten Konkurrenten kaltzustellen.“

Der Mail-Skandal eskaliert erneut den parteiinternen Streit zwischen den Lagern um NRW-Landeschef Martin Vincentz und dem um Matthias Helferich. Vincentz versucht seit langem, Helferich aus der Partei auszuschließen. Der Landesvorstand wirft ihm vor, Migranten mit „Viechern“ gleichgesetzt und Parteimitglieder bedroht zu haben. Als der Dortmunder als Direktkandidat für die Bundestagswahl antrat, verweigerte Vincentz ihm die Unterschrift.

Auch die Bundesspitze in Berlin wird den Fall vermutlich aufmerksam verfolgen: Schließlich nahm die Bundestagsfraktion Helferich im Februar widerstandslos in ihren Reihen auf - trotz Warnung von Vincentz. In der vergangenen Legislaturperiode saß Helferich fraktionslos im Bundestag. Kurz nach der Wahl 2021 wurden Facebook-Chats öffentlich, in denen er sich unter anderem als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte.