Eigentlich wollen CDU und Grüne in NRW „geräuschlos“ regieren. Beim Thema Stadionsicherheit prallen die Ansichten jetzt aber öffentlich hörbar auseinander.
Vor der InnenministerkonferenzCDU und Grüne in NRW streiten über Sicherheit bei Fußballspielen

Im Bremer Weserstadion hatten Kölner Fans am Wochenende Pyrotechnik gezündet.
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In der schwarz-grünen Landesregierung gibt es unterschiedliche Auffassungen zu Maßnahmen, die für mehr Sicherheit in Fußballstadien sorgen sollen. Bei der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern (IMK), die an diesem Mittwoch in Bremen stattfindet, wird darüber diskutiert, ob es künftig personalisierte Eintrittskarten, KI-gestützte Software zur Erkennung von Straftätern und zentral verfügte Stadionverbote geben soll. Laut Beschlussvorlage der CDU-geführten Länder, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, soll bis zur nächsten IMK im Frühjahr 2026 eine „Null-Toleranz-Strategie“ gegenüber Pyrotechnik erarbeitet werden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unterstützt ein härteres Vorgehen – die Grünen sind hingegen skeptisch.
Am Wochenende hatte es in den Fußballstadien Proteste der Fanszene gegen die geplanten neuen Vorgaben gegeben. Reul zeigte sich davon unbeeindruckt. „Wir haben Stadionallianzen geschmiedet und zahlreiche Maßnahmen vorbereitet – und trotzdem erleben wir weiterhin Szenen wie am vergangenen Wochenende“, sagte der Politiker aus Leichlingen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In Bielefeld seien beim Spiel gegen Münster Raketen vom Fanblock aufs Spielfeld geschossen worden. „Dass einige Chaoten glauben, solche gefährlichen Aktionen seien die richtige Antwort auf die Diskussion über mögliche Sicherheitsverschärfungen, spricht Bände“, erklärte Reul.
Der Fußball müsse „eigentlich ein Interesse“ daran haben, solche Taten zu verhindern, sagte der NRW-Innenminister. „Ich kann nicht verstehen, dass das in Teilen einfach hingenommen und dann auch noch als Fankultur verkauft wird. Deshalb muss jetzt endlich etwas passieren, denn die Vereine sind ihrer Verantwortung bislang nicht ausreichend nachgekommen“, betonte Reul.
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Grüne vermissen Fingerspitzengefühl
Proteste gegen die Vorschläge für die Innenministerkonferenz seien „völlig legitim“, „aber Pyrotechnik und offenes Feuer im Block sind die denkbar schlechtesten Argumente“, sagte Reul, der seit 2017 im Amt ist. „Feuer und Fußball gehören nicht zusammen“, stellte der Innenminister fest. Pyrotechnik sei gefährlich und könne jederzeit unkontrolliert eskalieren. Das habe man etwa auch im Stadion von Ajax Amsterdam wieder gesehen. Dort war am Wochenende ein Spiel abgebrochen worden, nachdem eine Pyroshow außer Kontrolle geraten war.
Julia Höller, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, hat einen anderen Blick auf das Problem. „Die aktuellen Diskussionen zur Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen in Stadien lassen jegliches Fingerspitzengefühl der handelnden Personen vermissen“, sagte die Politikerin aus Bonn auf Anfrage unserer Zeitung. Obwohl die Besucherzahlen in den Stadien gestiegen seien, sei die Zahl der Strafverfahren laut Polizeistatistik erheblich zurückgegangen, sagte Höller: „Konkret sind in der vergangenen Saison die Besucherzahlen um zirka 3,8 Prozent auf mehr als 25 Millionen Besucher gestiegen, die Zahl der eingeleiteten Verfahren hingegen ist um fast 24 Prozent im Vergleich zur Vorsaison gesunken.“
Die Sicherheit der Stadionbesucher stehe für die Grünen „an erster Stelle“, bekräftigte die Grüne. „Unsere rechtsstaatlichen Prinzipien und Grundrechte gelten zugleich selbstverständlich auch in und um die Stadien herum“, fügte Höller hinzu. „Totalüberwachung statt Fankultur wird es mit uns nicht geben. Das Stadion darf kein Versuchsballon für Überwachungstechnologien wie biometrische Gesichtserkennung sein. Die avisierten Maßnahmen sind tiefe Eingriffe in Freiheitsrechte und eine Gefahr für die Fankultur“, betonte Höller.
Stadionsicherheit: SPD unterstützt Grüne
Im Moment werde von Seiten der Innenminister „über die Fans statt mit ihnen“ gesprochen. „Ich fordere von der Innenministerkonferenz: keine Schnellschüsse und Dialog statt Misstrauen“, sagte Höller. „Wir brauchen Prävention statt Repression, indem wir Fanprojekte ausbauen. Gemeinsam mit den Fans müssen wir klare Kante gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zeigen.“
Unterstützung kommt in der Debatte von der SPD für die Grünen. „Selbst beim Thema Pyrotechnik, wo die Zahl der Verstöße gestiegen ist, gab es zugleich einen Rückgang verletzter Personen“, sagte Christina Kampmann. Vor diesem Hintergrund sei es „vollkommen unverständlich“, weshalb die Innenminister ausgerechnet jetzt über weitere Einschränkungen der Freiheitsrechte im Stadion nachdenken würden. „Wer angesichts sinkender Risiken zu pauschalen Verschärfungen greift, erweckt den Eindruck, Symbolpolitik betreiben zu wollen, statt evidenzbasiert zu handeln“, erklärte Kampmann.
Auch die Debatte um personalisierte Tickets sei nicht zielführend, hieß es bei der SPD. Bislang habe sich die Personalisierung nur zur Bekämpfung des Schwarzmarktes bei internationalen Großveranstaltungen bewährt. „Für den regulären Spielbetrieb, bei dem der Schwarzmarkt kaum eine Rolle spielt, liefert sie keinen erkennbaren Sicherheitsgewinn“, sagte Kampmann. Stattdessen würden hunderttausende friedliche Fans unter Generalverdacht gestellt – ohne klaren Nutzen für die Sicherheit. Diese entstehe „durch Verhältnismäßigkeit, nicht durch Kollektivstrafen“.
Bislang liegen drei unterschiedliche Beschlussvorlagen zur Behandlung bei der IMK vor. NRW hat keinen eigenen Vorschlag ausgearbeitet. Die härteste Vorgehensweise wird in einem Papier von Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gefordert. Ob es eine breite Mehrheit findet, gilt noch als ungewiss.
