Viel Regen im JuliNiederschlag tut der Region gut – und stellt Landwirte vor Probleme

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Im Juli hat es in Köln außergewöhnlich viel geregnet (Archivbild).

Im Juli hat es in Köln außergewöhnlich viel geregnet.

Wald, Boden, Flüsse: Was der regenreiche Juli für Köln und das Umland bedeutet. 

Noch vor knapp einem Monat war die Feuergefahr in der Natur groß, Wald und Flächenbrände drohten, es war der niederschlagärmste Juni seit 2010. Darauf folgte ein Monat mit viel Regen. „Die Wetterlage ist absolut ungewöhnlich für Ende Juli, Anfang August“, sagt ein Landwirt aus der Region. Wir haben mit ihm über die diesjährige Ernte gesprochen und beantworten die wichtigsten Fragen zu den Auswirkungen des Regens auf Wald, Boden und Flüsse in Nordrhein-Westfalen.

Hat der viele Niederschlag dem Wald gutgetan – auch auf lange Sicht?

Der Wald in NRW konnte im Juli aufatmen. Der Regen hat vor allem akut die Waldbrandgefahr reduziert. Nicole Fiegler, Pressesprecherin des Landesbetriebs Wald und Holz, sagt darüber hinaus: „Jungen Bäumen tut dieses Wetter sehr gut.“ Es herrschen zurzeit optimale Startbedingungen für die Pflanzen. „Sie haben ihre Wurzeln in den oberen Bodenschichten und jetzt genug Wasser.“

Auch ältere Bäume profitieren vom Niederschlag. Aber: „In den zurzeit voll belaubten Wäldern kommen vielleicht 50 Prozent des Regens überhaupt am Boden an“, sagt Fiegler. Die andere Hälfte bleibt in den Kronen hängen. Ein bisschen können die Bäume davon über die Blätter aufnehmen, der Rest verdunstet.

Das feuchtwarme Sommerwetter stärkt den Wald noch in anderer Weise. „Wir beobachten den positiven Effekt, dass die noch bestehenden Fichten sich besser gegen den Borkenkäfer wehren können“, sagt Fiegler. Denn nur mit Wasser versorgte Fichten können Harz produzieren, ihr natürliches Abwehrmittel gegen den Befall der Käfer. Damit sich der Wald aber nachhaltiger erholt, braucht er vor allem im Herbst und Winter viel Niederschlag. 

Wie wirkt sich der Regen auf die Böden aus?

Eine weitere gute Nachricht hat Jan-Malte Wichern von der Landwirtschaftskammer NRW auf Anfrage dieser Zeitung: „Die Oberböden in der Region Köln sind aktuell gut mit Wasser versorgt.“ Die aktuellen Niederschläge gleichen sogar zum Teil die vergangenen trockenen Jahre aus.

Es bestehen jedoch Unterschiede, zum Beispiel sind Köln-Wahn und Dormagen sogenannte leichte Standorte. Dort können die Böden Wasser nicht gut speichern. Im Erftkreis hingegen nehmen auch die tieferen Bodenschichten mehr Wasser auf.

Wie profitiert das Grundwasser aktuell?

Neues Grundwasser bildet sich allerdings bisher nicht, teilt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) auf Anfrage mit. Das Wasser verdunstet in den Sommermonaten in der Regel direkt und die Mengen, die in den Boden einsickern, beanspruchen Pflanzen nahezu komplett.

Das Grundwasser konnte sich also noch nicht regenerieren. 47 Prozent des Trinkwassers für NRW speisen sich aus Grundwasser; die Versorgung für das Bundesland ist trotzdem gesichert.

Was bedeuten die hohen Niederschlagsmengen für die Landwirtschaft?

Gut für die Landwirtschaft sind die hohen Niederschlagsmengen im Juli nur eingeschränkt. „Der Regen kommt vier Wochen zu spät“, sagt Bernd Sesterhenn aus Leichlingen. „Jetzt ist der Boden so nass, dass man kaum roden kann“, so der Landwirt. „Diese Woche werde ich nicht auf den Acker fahren können, um Kartoffel auszumachen.“

Der März mit durchschnittlich 90 Litern pro Quadratmeter Regen in Deutschland war außergewöhnlich nass. Das erschwerte und verspätete die Aussaat und Pflanzung. Dann kam die Trockenheit im Mai und Juni. „Da war der Boden wie Beton“, sagt der Landwirt und Ortsvorsteher des Deutschen Bauernverbandes. „Die Kartoffeln standen nur dumm rum.“ Ohne Wasser wachsen die Knollen nicht.

Die Landwirtschaftskammer geht davon aus, dass sich die Kartoffel sowie die Zuckerrübenbestände nach der Trockenperiode von Mai und Juni durch den Juli-Regen erholen konnten, verweist aber auf eine Gefahr vor Pilzkrankheiten durch die Nässe.

Seinen Weizen, Hafer und seine Gerste hat Sesterhenn 2023 bewusst zwei Wochen früher als in Durchschnittsjahren geerntet. Denn: „Für die Getreideernte muss es schon zwei Tage super Sonnenschein geben, damit das trocken ist“, erklärt er, „sonst geht das nicht durch den Mähdrescher.“ 

Bernd Sesterhenn in seinem Kartoffelfeld, Landwirt Leichlingen, Ortsvorsitzender des Deutschen Bauernverbands.

Bernd Sesterhenn in seinem Kartoffelfeld, Landwirt Leichlingen, Ortsvorsitzender des Deutschen Bauernverbands (Archivbild).

Im Kölner Umland ist die Gerste bereits geerntet. Die Bilanz der Landwirtschaftskammer fällt überdurchschnittlich aus. 60 bis 70 Prozent des Weizens sind ebenfalls geerntet. Der Ertrag sei hingegen unter dem Durchschnitt – wegen der Trockenperiode.

Deswegen verzeichnet die Kammer für die Getreidebestände in NRW auch eine vorzeitige Abreife in diesem Jahr. „Der Sommer 2023 ist von Extremen geprägt“, sagt ein Sprecher der Kammer. Jetzt könnte es bis Mitte August keine ausreichende Regenpause für die Ernte mehr geben.

Kann der Regen der Ernte noch schaden?

Ja, der Regen kann dem Getreide schaden. Der Weizen, der jetzt noch steht, droht ins Wachstum überzugehen. Dann beginnt das Korn in der Ähre auszuwachsen. Die Folge ist ein geringerer Proteingehalt, sodass das Getreide nur noch als Futtermittel statt zum Backen verwendet werden kann.

Gut ist der Regen hingegen für das Grünland und den Mais. Bekommt der Maiskolben nicht genug Wasser, werden die Körner in der Spitze nicht voll ausgebildet. Die Prognose für die diesjährige Maisernte ist bis jetzt positiv – vorausgesetzt, Hagel zerschlägt die Pflanzen nicht. 

Wie ist der Stand in den Talsperren?

Die Talsperren des Ruhrverbandes sind aktuell zu 87 Prozent gefüllt und 6 Prozent voller als das langjährige Mittel. Obwohl bundesweit der Juni unterdurchschnittlich trocken war, maß der Verband für sein Einzugsgebiet mehr Regen als im Juni 2022. Überein stimmen die Daten des Ruhrgebiets mit dem Rest des Landes für den Juli 2023: Es war nasser als gewöhnlich.

Der Wupperverband meldet eine Fülle seiner Talsperren zwischen 73 und 85 Prozent. Die Wupper- und Bever-Talsperre puffern bei Regen Wassermengen zwischen und dienen in trockenen Zeiten der Niedrigwasseraufhöhung für die runter liegenden Flüsse, wie zum Beispiel im trockenen Juni. Die Große Dhünn-Talsperre ist ein Trinkwasserspeicher. Der Zulauf von Regen bildet „eine gute Basis für die Wasserversorgung“, so Ilona Weyer, Sprecherin des Verbands. 18 Prozent des Trinkwassers in NRW stammen aus Talsperren.

Wie beeinträchtigt das aktuelle Wetter die Flüsse und Pegelstände?

Der Wupperverband geht davon aus, dass in den nächsten Tagen durch die Sättigung des Bodens mehr Wasser in die Flüsse abfließen wird. „Es ist mit einem moderaten Anstieg der Pegel zu rechnen“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Nach jetziger Einschätzung würden keine Warngrenzen erreicht. Anfang der Woche betrug der Pegel in Wuppertal niedrige 30 Zentimeter, der der Erft in Bliesheim 47 Zentimeter.

Der Rheinpegel in Köln lag am Dienstag knapp über 2,30 Meter.

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde prognostiziert eine Erhöhung auf drei Meter bis zum Ende der Woche. Erst ab einem Pegel von 6,20 Meter wird die Hochwassermarke I erreicht, ab der erste Einschränkungen für die Schifffahrt gelten. Mit einer Überschreitung ist laut der Prognose im August nicht zurechnen.

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