Die Kölner Ärztin Dr. Marion Reimer von den German Doctors schildert im Interview, wie der Wegfall der US-Entwicklungshilfe USAID ein HIV-Projekt in Nairobi gefährdet.
Wegfall der HIV-Hilfe von USAID„Die Menschen haben große Angst“

Menschen protestieren im Februar 2025 gegen die Schließung der USAID Behörde vor deren Hauptsitz in Washington D.C., USA.
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Frau Reimer, die German Doctors betreiben eine HIV-Ambulanz in Mathare Valley, einem der größten Slums von Nairobi. Wie helfen Sie Erkrankten vor Ort?
In unserem HIV-Zentrum werden insgesamt etwas über 3000 HIV-Patientinnen und Patienten betreut. Wir testen die Menschen auf die Erkrankung, beraten sie und geben HIV-Medikamente aus, mit denen Betroffene ein weitgehend normales Leben führen können. In der HIV- Ambulanz arbeiten 29 sehr gut ausgebildete kenianische Mitarbeitende. Das umfangreiche Programm der HIV-Ambulanz steht nun aber mit dem Entzug des Geldes durch die US-Regierung in Frage.
Inwiefern?
Mit dem Geld von USAID bzw. PEPFAR (United States President's Emergency Plan For AIDS Relief) wurden 70 bis 80 Prozent der Kosten des staatlichen HIV-Programms in Kenia gedeckt. Darunter fallen vor allem die HIV-Tests, Medikamente, die Gehälter und die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeitenden. Durch den Wegfall von USAID-Mitteln steht schon jetzt fest, dass das Team in unserer HIV-Ambulanz verkleinert werden muss. Wir wollen das Programm weiterführen, aber nur, wenn die Medikamente und die Tests von der kenianischen Regierung zur Verfügung gestellt werden. Ob das funktioniert, ist noch unklar. Die kenianische Regierung möchte für das HIV-Programm bis 2030 von ausländischer Hilfe unabhängig werden, aber es gab bisher wenig konkrete Anstrengungen, dieses Ziel zu erreichen. Und es bedeutet einen großen finanziellen Kraftakt, von jetzt auf gleich die US-Gelder zu ersetzen.
Besonders gefährdet ist die junge Bevölkerung

Marion Reimer von den German Doctors
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Was heißt das für die betroffenen Erkrankten?
Wenn HIV-Infizierte die antiretroviralen Medikamente nicht mehr einnehmen, erkranken sie an AIDS. Das dauert in der Regel einige Jahre. Aber die Betroffenen sind nach wenigen Wochen der Therapieunterbrechung schon infektiös und können ihre Partner oder ihre Kinder mit HIV anstecken, insbesondere in den beengten Wohnverhältnissen und wegen der mangelnden Hygiene im Slum. AIDS ist das fortgeschrittene Stadium der HIV-Infektion, in dem das geschwächte Immunsystem normalerweise unbedenklichen Erkrankungen nicht mehr widerstehen kann. Die Betroffenen bekommen Infektionen und bösartige Erkrankungen der Lunge, des Magen-Darm-Traktes, des Nervensystems und der Haut. Sie werden arbeitsunfähig, bettlägerig und sterben letztendlich. Sollten HIV-Patienten nach einer Therapieunterbrechung mit der Behandlung wieder beginnen können, besteht außerdem das Risiko, Resistenzen gegen die Medikamente zu entwickeln.
Wie wird sich das Leben der Betroffenen verändern?
Die Menschen haben große Angst – nicht nur vor der Erkrankung, sondern auch vor Stigmatisierung und Ausgrenzung. In Kenia sind zurzeit etwa 1,3 Millionen Menschen HIV-infiziert. Diese Zahl wird massiv steigen, wenn es keine, unregelmäßig gelieferte oder zu wenige Medikamente gibt. Besonders gefährdet ist die junge, sexuell aktive und arbeitsfähige Bevölkerung. Für die Wirtschaftskraft von Kenia bedeutet das einen großen Verlust – für die Betroffenen im Slum neben der Erkrankung an AIDS vor allem eine Zunahme von Armut, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Hunger und Unterernährung. Und nicht zuletzt fürchten HIV-Infizierte um ihre Kinder: In den Hochzeiten der AIDS- Epidemie in den 80er und 90er Jahren starben die Eltern und ihre Kinder verwaisten, landeten in Waisenhäusern oder auf der Straße, konnten im besten Fall von ihren Großeltern aufgezogen werden.
Spüren Sie die den Wegfall der USAID-Mittel schon jetzt?
Auf jeden Fall. Die Nachricht, dass die Gelder eingefroren werden, hat Ende Januar vor Ort wie eine Bombe eingeschlagen. Bis April wurden die Zahlungen mit gewissen Auflagen der US-Regierung noch verlängert, dann endeten sie. Wir gehen davon aus, dass sie eingefroren bleiben. Deshalb hoffen wir, dass die kenianische Regierung Wege findet, die Medikamentenversorgung aus eigener Kraft sicherzustellen. Dann können die German Doctors ihre HIV-Patientinnen und Patienten in Mathare Valley auch weiter betreuen.
Zur Person: Die Kölnerin Dr. Marion Reimer ist Anästhesistin und seit 1993 ehrenamtlich für die German Doctors im Einsatz. Die vergangenen sieben Male war sie in Kenia – zuletzt im Januar und Februar, als die US-Regierung ankündigte, die USAID-Zahlungen einzufrieren.