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„Das ist ein Desaster für uns“Nazi-Musik lief tagelang auf beschaulichem Weihnachtsmarkt – Staatsschutz ermittelt

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Das historische Rathaus in der Altstadt von Otterndorf, Niedersachsen (Archivbild). Hier kam es zum Eklat beim Weihnachtsmarkt.

Das historische Rathaus in der Altstadt von Otterndorf, Niedersachsen (Archivbild). Hier kam es zum Eklat beim Weihnachtsmarkt.

Auf einem niedersächsischen Weihnachtsmarkt soll verbotene Musik gelaufen sein. Der Staatsschutz ermittelt.

Auf einem Weihnachtsmarkt im niedersächsischen Otterndorf soll an mehreren Tagen hintereinander rechtsextreme Musik mit volksverhetzenden und antisemitischen Texten abgespielt worden sein. Die Polizei in Cuxhaven ermittelte nach eigenen Angaben vom Dienstag unter anderem aufgrund entsprechender Videobeiträge in sozialen Netzwerken. Abgespielt wurden demnach auch Lieder der gerichtlich als kriminelle Vereinigung eingestuften deutschen Neonaziband Landser. Die Täter sind unbekannt.

Die Musik wurde über die offizielle Anlage des Sternenmarkts verbreitet, wie ein Sprecher der Polizei berichtete: „Es ist nicht so, dass das aus irgendeiner Bluetooth-Box oder auf einem Handy lief.“ Die Stadt hatte einen Dienstleister beauftragt, die Musik für den Weihnachtsmarkt zu übernehmen.

Nazi-Musik lief am ganzen Wochenende in Otterndorf

Nach Angaben der Beamten ergaben sich bei den bisherigen Ermittlungen Hinweise darauf, dass die Musik nicht nur am vergangenen Freitag, sondern auch am Samstag und Sonntag abgespielt wurde. Ob die Musik auch an diesen Tagen ebenfalls wie am Freitag aus der Anlage kam, ist noch unklar. Laut „cnv-medien.de“ soll die Anlage am Samstag bereits abgebaut worden sein. Möglicherweise hätten „Trittbrettfahrer“ mobile Boxen genutzt, so die Stadt. Dies müsse jetzt ermittelt werden.

Nun suchen die Ermittler Zeugen, die nähere Angaben zu den genauen Umständen vor Ort machen können. Sie werden gebeten, sich unter der Nummer 04721 5730 bei der Polizei zu melden. Berücksichtigt man die Umstände, sollten dies eigentlich viele Menschen tun. Außerdem werten die Beamten Hinweise aus, die sie über soziale Netzwerke bekommen haben. Dort hatten sich entsprechende Videos verbreitet.

Neben Liedern der Gruppe Landser waren wohl auch Stücke einer nicht genannten Band zu hören, die „bekannte Volkslieder unter anderem mit volksverhetzenden und antisemitischen Texten umdichtet“. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung sowie Verstößen gegen den Jugendschutz.

Facebook-Kommentare machen sich über Ermittlungen lustig

Die Gemeinde wandte sich am Montag an die Öffentlichkeit und postete bei Facebook Informationen über das Ereignis. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglicher Form von Extremismus“, teilte die Stadt mit. Offenbar zeigte sie selber den Vorfall an. Unter dem Facebook-Post entspinnt sich mittlerweile eine rege Diskussion darüber, welche Musik und Texte genau abgespielt wurden. Vieles sei ja öffentlich zugänglich, so der Tenor.

Entsetzen darüber, dass hetzerische Songs auf einem Weihnachtsmarkt zu hören waren, ist in den Kommentaren wenig zu bemerken. „Ich würde mir hier eine Moderation wünschen. Meldungen zu dem Thema werden umso beängstigender für von Rassismus betroffene Familien, wenn die Kommentare noch Öl ins Feuer gießen und das Ganze legitimiert wird“, ist dann doch eine Gegenstimme zu vernehmen.

Wie Medien berichten, soll unter anderem die umgedichtete Liedzeile „An der Nordseeküste, am arischen Strand“ zu hören gewesen sein, wie ein Polizeisprecher bestätigte. Im Original von Klaus und Klaus heißt es „An der Nordseeküste, am plattdeutschen Strand“, der Song ist ein beliebter Mitgröhl-Hit in Norddeutschland.

Image-Schaden für Otterndorf

Der Otterndorfer Stadtdirektor Frank Thielebeule sagte der „Bild“-Zeitung: „Das ist ein Desaster für uns. Wir haben hier seit vielen Jahren einen erfolgreichen und friedlichen Weihnachtsmarkt und stehen nun mit so einer Geschichte in der Presse.“ Man habe die Musikanlage umgehend abbauen lassen, als der Vorfall bekannt wurde.

Im Fokus steht demnach ein USB-Stick, der von dem Unternehmen kam, das die Musikanlage stellte. Insgesamt drei Speichersticks seien an die Polizei übergeben worden, schreibt „cnv-medien.de“. Die Stadt schließt aber auch gezielte Sabotage nicht aus. Stadtdirektor Thielebeule hält es für möglich, dass Unbekannte über Funk die Lautsprecher kaperten.

Otterndorf ist eine Kleinstadt im Landkreis Cuxhaven mit nicht einmal 8000 Einwohnern, die an der Elbmündung liegt. Bei Touristen wird mit dem Slogan „Ein kleines Stück Paradies“ für den malerischen Ortskern des Nordseebades geworben. Angepriesen werden die aus Backsteinhäusern bestehende historische Altstadt, das Wattenmeer und die „wildromantische Flusslandschaft“. Der Weihnachtsmarkt findet auf dem Kirchplatz statt. (mit dpa/afp)