Rechtsausschuss zu tödlichen SchüssenEinsatz in Dortmund bleibt weiter rätselhaft

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Nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 16 Jahre alten Flüchtling in Dortmund ist der Rechtsausschuss des Landtags in Nordrhein-Westfalen zu einer Sondersitzung zusammengekommen.

Düsseldorf – Fast einen Monat nach den tödlichen Schüssen auf einen 16-jährigen Flüchtling aus dem Senegal durch die Polizei in einer Dortmund Jugendhilfeeinrichtung ist der Ablauf des Geschehens immer noch unklar. Die Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag auf Antrag der SPD-Opposition am Mittwoch förderte wenig neue Fakten zutage. So bleibt es immer noch rätselhaft, ob Mouhamed D. mit vorgehaltenem Messer auf die Polizei zugelaufen ist oder ob er sich die Stichwaffe die ganze Zeit in suizidaler Absicht vor den Bauch gehalten hat. Im letzteren Fall wären die vier tödlichen Treffer aus einer Maschinenpistole eines Sicherungsschützen nicht gerechtfertigt gewesen.

Seinerzeit waren zwölf Beamten durch einen Notruf eines Betreuers der Wohngruppe Antonius zu der Einrichtung gerufen worden. Der Einsatz lief zunächst unter dem Kürzel Suizidversuch eines Bewohners der Wohngruppe. Binnen einer halben Stunde bis kurz nach 17 Uhr trafen die Streifenwagen ein.

Reizgas sollte Jugendlichen irritieren

Auf dem Innenhof kauerte Mouhamed D., ein großes Messer auf seinen Bauch gerichtet. Der Einsatzleiter orderte vorsorglich einen Krankenwagen, zudem stellte er drei Sicherungsschützen auf. Als die Ansprachen nicht fruchteten, befahl der Dienstgruppenleiter mittels Reizgas den Jugendlichen so zu irritieren, dass er sich notgedrungen die Augen reiben musste und sein Messer hätte fallen lassen. In dem Moment sollte der Zugriff erfolgen, um einen drohenden Selbstmord zu verhindern.

Das Pfefferspray bewirkte das Gegenteil. Mouhamed D. soll sich erhoben haben und auf die Beamten zugegangen sein. Zwei Mal suchten Beamten nach Zeugenaussagen den jungen Mann mit Taser zu stoppen – ebenfalls erfolglos. Als er sich einem Taser-Beamten hinter einem abgestellten Auto im Innenhof der Einrichtung näherte, feuerte der Sicherungsschütze aus drei Metern Entfernung sechs Mal. Kurz nach 18 Uhr starb Mouhamed D..

Die Staatsanwaltschaft ermittelt neben dem Todesschützen gegen vier weitere Beamte, weil der Einsatz unverhältnismäßig abgelaufen sein soll.

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Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen), Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, kommt zur Sitzung des Rechtsausschusses.

Zudem wurden neue Informationen über die Vita des Verstorbenen bekannt. Ende 2019 soll er im Alter von 13 Jahren den Senegal verlassen haben. Den Erkenntnissen zufolge schlug sich Mouhamed D. über Mali, Mauretanien nach Marokko durch. Von dort aus gelang ihm 2021 der Transfer nach Spanien. Weiter ging es über Frankreich Ende April 2022 nach Mainz. Dort gab er sich als Waise aus. Mit richterlichem Beschluss wurde ihm ein Betreuer zur Seite gestellt. Im Juli siedelte er dann nach Dortmund über. Ein Reporter der Welt am Sonntag fuhr in seinen Heimatort Ndiafatte und traf dort auf seine Eltern und Geschwister, die den deutschen Behörden schwere Vorwürfe machten. Seinen Sohn habe man getötet wie ein Tier, sagte der Vater.

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Davon ist im Rechtsauschuss keine Rede. Allerdings fordert Sonja Bongers von der SPD Antworten: „Der Weg zu einer transparenten Sachverhaltsaufklärung ist noch weit. Zentral bleibt auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes.“ CDU-Parlamentarier Gregor Golland hält dagegen: „Zunächst einmal muss der gesamte Sachverhalt aufgeklärt werden, solange es keine eindeutigen Beweise gegen die Beamten gibt, gilt immer noch die Unschuldsvermutung.“

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