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Shutdown in den USATrump feiert im Gatsby-Stil – während Millionen Amerikaner hungern

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US-Präsident Donald Trump sitzt neben Marco Rubio bei einer Party im Mar-a-Lago mit dem Thema „Der große Gatsby“.

US-Präsident Donald Trump sitzt neben Außenminister Marco Rubio bei einer Party im Mar-a-Lago mit dem Thema „Der große Gatsby“.

Während der Präsident eine ausschweifende Party schmeißt, hat seine Regierung die Lebensmittelhilfen für 42 Millionen Amerikaner gestoppt.

Die Herren trugen Smoking, viele Damen erschienen im Flapper-Kleid im Stil der wilden Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. „Der Große Gatsby“ war das Motto der Party auf Donald Trumps Anwesen Mar-a-Lago an diesem Wochenende, wo die Dekadenz des mehrfach verfilmten Romans gefeiert wurde: Auf Videos von Teilnehmern sieht man leichtbekleidete Burlesquetänzerinnen mit Federboas im Ballsaal und ein Showgirl, das sich in einem gigantischen Champagnerglas am Pool räkelt.

Bei der Party von Donald Trump im Mar-a-Lago standen die Goldenen Zwanziger im Fokus.

Bei der Party von Donald Trump im Mar-a-Lago standen die Goldenen Zwanziger im Fokus.

Anderswo in den USA ist die Stimmung gerade deutlich schlechter. Während der Präsident sichtlich vergnügt das ausschweifende Spektakel im sommerlich warmen Palm Beach verfolgte, bildeten sich im Rest des Landes Schlangen vor den Suppenküchen: Zum 1. November hat die Bundesregierung die Lebensmittelhilfe-Zahlungen für Bedürftige eingestellt. Fast jeder achte Amerikaner – vor allem Kinder, Ältere und Behinderte – ist auf die Zuschüsse von durchschnittlich rund 200 Dollar im Monat angewiesen. Nun wissen 42 Millionen Menschen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.

Trump feiert im Gatsby-Stil – während Millionen Menschen hungern

Seit Wochen hatte Demokraten und Nichtregierungsorganisationen vor dem Ausfall der einstigen „Lebensmittelmarken“ gewarnt, die inzwischen bargeldlos auf eine spezielle Debit-Karte überwiesen werden. Das „Supplemental Nutrition Assistance Program“ (SNAP) mit einem Volumen von 90 Milliarden Dollar im Jahr gilt als Rückgrat des ansonsten sklerotischen amerikanischen Sozialstaats. Noch nie sind die Zahlungen unterbrochen worden. Doch die Trump-Regierung scheint entschlossen, den Streit über die Haushaltssperre des Shutdown auf die Spitze zu treiben. Er wolle nicht, dass Amerikaner hungern müssen, beteuerte Trump in einem Online-Post. Aber: Seine Anwälte hätten ihm gesagt, dass er keine Hilfsgelder mehr auszahlen dürfe.

Leonardo DiCaprio spielte Hauptfigur Jay Gatsby in der Verfilmung von „Der große Gatsby“.

Leonardo DiCaprio spielte Hauptfigur Jay Gatsby in der Verfilmung von „Der große Gatsby“. In der Erzählung aus der amerikanischen Oberschicht der Zwanziger Jahre geht es im Kern darum, dass der American Dream nur eine Illusion ist und die Reichen in Dekadenz, aber ohne Werte leben.

Schon seit einem Monat stehen die Regierungsgeschäfte in Washington wegen des erbitterten Streits zwischen den Republikanern und den oppositionellen Demokraten im Kongress über den neuen Haushalt weitestgehend still. Die Republikaner bestehen auf massiven Einschnitten bei den staatlichen Zuschüssen für die Krankenversicherung Obamacare, die Demokraten befürchten dadurch eine Explosion der Beiträge. Inzwischen sind rund 700.000 Beamte ohne Bezüge zwangsbeurlaubt. Die staatlichen Museen bleiben geschlossen, in den Nationalparks gibt es keine Ranger mehr, und im Flugverkehr kommt es zunehmend zu Verzögerungen. Doch Trump hat die Republikaner angewiesen, hart zu bleiben.

Demokratische Politiker sehen ein zynisches Kalkül

Entsprechend großen Wirbel haben die Fotos der „Gatsby“-Party verursacht, die seit dem Wochenende von Teilnehmern im Internet gepostet werden. „Es gibt einen Grund, warum die Leute Memes von Marie Antoinette über Trump verbreiten“, monierte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom in einem Interview: „Er fühlt wie sie. Er hat seinen Wählern den Rücken gekehrt“. Chris Murphy, der scharfzüngige demokratische Senator von Connecticut, ätzte: „Der Shutdown ist für Trump ein Vergnügen, denn er kann für seine millionenschweren Freunde verschwenderische Partys im Gatsby-Stil veranstalten und gleichzeitig neue und innovative Wege finden, um armen Menschen zu schaden.“

Inzwischen wird der Streit über die SNAP-Hilfen vor Gericht ausgetragen. Zwei Bundesrichter in Rhode Island und in Massachusetts haben entschieden, dass die Trump-Regierung die Zahlungen wieder aufnehmen muss. Theoretisch gäbe es Mittel in einem Nothilfe-Fonds des Landwirtschaftsministeriums. Doch ist unklar, ob diese Gelder zweckentfremdet werden dürfen. Auch würden die Reserven nicht für einen kompletten Monat reichen.

Im ganzen Land stehen Menschen vor Suppenküchen an

Doch selbst wenn die Trump-Regierung den Nothilfe-Fonds anzapfen sollte, würde es nach amerikanischen Medienberichten Tage oder gar Wochen dauern, bevor das Geld bei den Sozialhilfe-Beziehern angekommen ist. Trump hat die Betroffenen schon darauf eingestimmt, dass es „unglücklicherweise“ in jedem Fall Verzögerungen geben werde. Zugleich forderte er sie auf, den Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, anzurufen und sich bei ihm zu beschweren. Dazu veröffentlichte der Präsident die Telefonnummer von Schumers Büro.

Die 42 Millionen SNAP-Bezieher müssen derweil schauen, wo sie bleiben. Mehrere Bundesstaaten haben in den vergangenen Tagen die ausbleibenden Zahlungen aus Washington ganz oder teilweise übernommen. Doch reichen die regionalen Finanzreserven meist nur für wenige Tage oder Wochen. Im ganzen Land bilden sich deshalb nun Schlangen vor Suppenküchen, die von Nichtregierungsorganisationen oder privaten Helfern betrieben werden. In Texas und Kalifornien wurden die Parkplätze mehrerer Sportstadien in Ausgabestationen für abgepackte Lebensmittel und gefrorenes Fleisch umgewandelt.

„Es herrscht die nackte Angst“, berichtete Radha Muthiah, die Chefin der Capital Area Food Bank in Washington, der „Washington Post“: Sie habe mit vielen Menschen in der Schlange gesprochen: „Viele können es nicht glauben und sich schockiert, dass sie in eine solche Situation geraten sind.“