Trumps verrückte TageVergangene Woche lässt an seiner Amtstauglichkeit zweifeln

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Trump afp

Jetzt sei die Zeit gekommen, „für die Gesundheit des Präsidenten zu beten,“ sagte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.

  • Wie steht es um die geistige Gesundheit von US-Präsident Donald Trump?
  • Die vergangene Woche war wieder reich an Szenen, die an der Amtstauglichkeit des wichtigsten Politikers der westlichen Welt zweifeln lassen.

Washington – Die Lage in Syrien wollten die obersten US-Demokraten diese Woche bei einem vertraulichen Treffen mit Präsident Donald Trump besprechen. Über die Türken wollten sie reden, die nun doch die Gelegenheit nutzen zu einem erbarmungslosen Feldzug gegen die Kurden. Über die Russen, die in die von den USA verlassenen Stellungen einrücken. Und natürlich auch über die Kurden, die sich missbraucht und verraten fühlen von den USA.

Experten hatten vor all diesen möglichen Folgen gewarnt. Dennoch hatte Trump den Rückzug der USA aus Nordsyrien befohlen – und sich auf seine eigene, wie er es unironisch formulierte, „unübertroffene Weisheit“ berufen.

Nicht nur die Demokraten kritisieren, was hier in kurzer Zeit alles schiefgegangen ist. Auch Parteifreunde des Präsidenten sprechen von einem historischen Fehler. „Was wir den Kurden angetan haben“, sagt Mitt Romney, der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat,„wird als Blutfleck in die amerikanischen Geschichtsbücher eingehen.“

Schlammschlacht zwischen Trump und Pelosi

Der Versuch der Demokraten aber, die kritischen Punkte im Beisein des US-Präsidenten auch nur zur Sprache zu bringen, ging daneben. Als Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, dem Präsidenten mitteilte, dass das Parlament mit den Stimmen von zwei Dritteln der republikanischen Abgeordneten soeben eine Rüge seiner abrupten Abwendung von den kurdischen Verbündeten beschlossen hatte, verlor Trump nach Teilnehmerangaben die Fassung. Er beleidigte Pelosi als „drittklassige Politikerin“ und warf den Demokraten Sympathien für die Taliban vor, weil diese Kommunisten seien. Nach 20 Minuten brachen die Gäste das Gespräch ab.

„Er hatte einen Nervenzusammenbruch“, konstatierte Pelosi kühl. Jetzt sei die Zeit gekommen, „für die Gesundheit des Präsidenten zu beten“.

Das wiederum brachte Trump endgültig zur Explosion. Aufgeregt twitterte er: „Nancy Pelosi braucht schnell Hilfe (…). Betet für sie, denn sie ist eine sehr kranke Person.“

Offen wird in den USA inzwischen darüber diskutiert, ob dieser Befund nicht eher auf den Präsidenten zutrifft. Amerikanische Medien zitieren Stimmen aus dem Regierungsumfeld, die Trump als zunehmend unkontrolliert und nicht mehr beherrschbar beschreiben.

Medien attestieren Trump Amtsuntauglichkeit

Ein viel beachteter Artikel mit der Überschrift „Unfit for office“ („Amtsuntauglich“) in dem renommierten konservativen Politikmagazin „The Atlantic“ attestierte dem Präsidenten kürzlich offen einen „pathologischen Narzissmus“, der immer weiter voranschreite: „Man muss kein Psychiater sein, um zu sehen, dass ernsthaft etwas mit Trump nicht stimmt.“ Noch bemerkenswerter als die These ist deren Autor: George Conway. Der Anwalt ist mit Trumps engster Beraterin Kellyanne Conway verheiratet.

Tatsächlich rückt Trumps Ego immer mehr ins Zentrum seiner Urteilsfindung. Dass er selbst das Chaos in Nordsyrien ausgelöst hat, als er Erdogan in einem Telefonat am 6. Oktober freie Hand für die Einrichtung einer „Schutzzone“ gab, blendet der Präsident komplett aus. Verantwortungsgefühl für die einstigen kurdischen Verbündeten ist ihm fremd.

„Das hat nichts mit uns zu tun“, erklärte er am Mittwoch im Weißen Haus kühl. Die in der Nacht zum Freitag eilends ausgehandelte fünftägige Feuerpause mit der Türkei wiederum verkauft er als persönlichen Triumph: „Das konnte nur jemand so Unkonventionelles wie ich erreichen.“

Seit sieben Monaten keine Pressekonferenz

Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Nicht nur hat die Blitzinvasion der Türkei in Nordsyrien viele Menschenleben gekostet. Mit dem Waffenstillstand wird die Vertreibung der Kurden aus einem 30 Kilometer breiten Grenzstreifen offiziell sanktioniert. Deren Kämpfer schlagen sich nun auf die Seite des von Russland und dem Iran unterstützten syrischen Machthabers Baschar al-Assad – während die mithilfe der USA gefassten Terroristen der IS-Miliz zu entfliehen drohen. Für die Weltmacht USA ist das ein Fiasko in Großformat.

Wer übernimmt jetzt die Verantwortung? Wer kommuniziert mit den Amerikanern und dem Rest der Welt?

Der Pressesaal im West Wing des Weißen Hauses steht seit dem Amtsantritt Trumps meist leer. Sieben Monate lang hat sich die US-Regierung nicht mehr offiziell erklärt.

Trump vergibt seinem Hotel das G-7-Gipfeltreffen

Umso größer war die Spannung, als Trumps geschäftsführender Stabschef Mick Mulvaney am Donnerstag kurzfristig zu einer Pressekonferenz lud. Würde der oberste Verwaltungsboss der Machtzentrale etwas Neues zu Syrien sagen? Oder zur Ukraine-Affäre? Nichts davon hatte der Mann mit der Nickelbrille im Sinn. Er verkündete nur stolz den Veranstaltungsort für das nächste G-7-Gipfeltreffen der führenden Industriestaaten im Juni 2020: Trumps Doral-Golfhotel in Miami.

Schon wieder eine Seltsamkeit. Kommt es dem US-Präsidenten nicht in den Sinn, dass es peinlich ist, per Einladung an die wichtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt die Geschäfte der Trump-Hotels anzukurbeln?

„Das ist schlicht und einfach Korruption“, empörte sich die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren.

Existenzbedrohenden Krise für Trump

Der Sender CNN porträtierte Trump dieser Tage als einen Präsidenten, der mittlerweile „ohne jede Leitplanke unterwegs“ sei. Ehemalige Diplomaten haben den Eindruck, der Mann im Weißen Haus improvisiere nur noch und lehne jede Art von Beratung ab.

Dabei addieren sich die Lage in Syrien und die Ukraine-Affäre gerade zu einer für Trump existenzbedrohenden Krise. Auf Nachfragen räumte Mulvaney jetzt ein, dass Trump Militärhilfen von 400 Millionen Dollar an die Ukraine zurückgehalten habe, um die Regierung in Kiew zu Ermittlungen gegen die heimische Opposition zu drängen.

„Es gibt immer politischen Einfluss in der Außenpolitik“, verkündete er patzig: „Finden Sie sich damit ab!“

Auch nach 1000 Tagen heißt es: niemals nachgeben

Genau diesen Zusammenhang hatte Trump bislang bestritten. Dennoch soll ihm der zackige Auftritt seines höchsten Mitarbeiters gut gefallen haben. Er entsprach genau seinem eigenen Reaktionsmuster: bloß keine Schwäche zeigen. Niemals nachgeben. Stattdessen werden Tabubrüche durch deren demonstrative Inflationierung bagatellisiert.

Nach gut 1000 Tagen im Amt befindet sich der Mann im Weißen Haus im Zentrum gleich mehrerer Orkane: Da ist die Ukraine-Affäre, in der er offenkundig ausländische Regierungschefs zu Schmutzkampagnen gegen politische Kontrahenten nötigte. Da ist der Verfassungskonflikt mit dem Kongress, dem er Auskunft verweigert und sich damit mutmaßlich der Amtsbehinderung schuldig macht. Da ist der abrupte Abzug der US-Armee aus Syrien, der den Mittleren Osten in ein gigantisches Chaos gestürzt und das amerikanische Militär dem Spott seines Erzfeindes Russland preisgegeben hat. Und da sind die zunehmend bizarren Auftritte und Äußerungen des selbst ernannten „stabilen Genies“, die der Debatte über seine Amtsfähigkeit neue Nahrung geben.

Zusammenarbeit mit Justiziar lapidar abgewunken

Seit die Demokraten das Impeachment eingeleitet haben, wirkt der Oberbefehlshaber der größten Streitmacht der Welt noch wilder, sprunghafter und extremer als zuvor. Seine Wuttiraden auf Twitter sind nun ebenso wie sein Selbstlob völlig enthemmt.

Bizarr sind auch die Schriftsätze, die inzwischen das Weiße Haus verlassen und offenkundig von Trump diktiert werden. „Sie wollen nichts anderes als die Ergebnisse der Wahl von 2016 verdrehen“, ließ er seinen Justiziar dem Kongress auf offiziellem Papier antworten und verweigerte die Zusammenarbeit mit dem lapidaren Hinweis, er habe „wichtige Arbeit“ zu leisten.

„Lassen Sie uns einen guten Deal aushandeln!“, schrieb er dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, nachdem dessen Truppen in Nordsyrien eingefallen waren. Der Brief endete mit der Aufforderung „Seien Sie kein harter Kerl! Seien Sie kein Narr!“.

Rudy Giuliani gerät ins Visier der Justiz

Auch in der Ukraine-Affäre läuft es nicht gut für Trump. Immer mehr aktive und ehemalige Regierungsmitarbeiter bestätigen bei Anhörungen im Kongress, dass der Präsident unter Führung seines persönlichen Anwalts Rudy Giuliani eine regelrechte Parallelstruktur zur offiziellen Ukraine-Diplomatie aufgebaut hat, deren Ziel es war, den frisch gewählten Präsidenten Wolodomyr Selenskyj für innenpolitische und wohl auch wirtschaftliche Zwecke gefügig zu machen.

Das Bild Giulianis verdüstert sich immer mehr. Zwei windige Geschäftspartner von Giuliani mit Ukraine-Verbindungen wurden bei der versuchten Ausreise aus den USA festgenommen. Offenbar geht es auch um Interessen amerikanischer Geschäftsleute an den Gasvorkommen der Ukraine.

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Trumps Energieminister Rick Perry, eine der Schlüsselfiguren der Affäre, erklärte am Donnerstag kurz vor der Vorladung vor einen Kongress-Ausschuss seinen Rücktritt. In gewöhnlichen Zeiten hätte ein solcher Ministerrücktritt fette Schlagzeilen ausgelöst und viele Fragen nach sich gezogen, im verrückten Washington dieser Tage aber geht eine Teilaffäre wie diese fast unter. (RND)

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