Flugzeugabsturz bleibt rätselhaftRussland sieht deutsche Komplizenschaft – und präsentiert „Beweise“

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Ein von Russland veröffentlichtes Foto zeigt Wrackteile der abgestürzten Iljuschin Il-76 nahe Belgorod.

Ein von Russland veröffentlichtes Foto zeigt Wrackteile der abgestürzten Iljuschin Il-76 nahe Belgorod.

Auf Moskaus „Beweisbildern“ sind nur zwei Leichen zu erkennen, obwohl es mehr als 70 Tote gegeben haben soll. Kiew widerspricht dem Kreml.

Nach dem Absturz eines Transportflugzeugs des russischen Militärs unter rätselhaften Umständen haben sich die Ukraine und Russland vor dem UN-Sicherheitsrat gegenseitig beschuldigt. Es handele sich nach bisherigen Informationen um ein „vorsätzliches, durchdachtes Verbrechen“, sagte Russlands stellvertretender UN-Botschafter Dmitri Poljanski bei einer Sitzung des Gremiums am Donnerstag in New York. Belege legte der Vertreter Russlands dabei nicht vor.

Die stellvertretende ukrainische UN-Botschafterin Chrystyna Hajowyschyn wies die Vorwürfe zurück: Die Ukraine sei nicht über Zahl und Art der Transportmittel zum Transport der Gefangenen informiert gewesen, die laut russischer Darstellung bei dem Vorfall ums Leben gekommen sein sollen. Ob sich die Kriegsgefangenen tatsächlich an Bord der Maschine befunden haben, bleibt unterdessen offen.

Kiew: Lediglich fünf Tote in Leichenhalle in Belgorod gebracht

Laut dem ukrainischen Militärgeheimdienst HUR gibt es dafür bisher keine Belege. Die Körper von lediglich fünf Toten seien nach dem Absturz in die Leichenhalle in Belgorod gebracht worden, teilte der Geheimdienstsprecher Andrij Jusow am Donnerstagabend mit. Zudem bewache der russische Geheimdienst FSB die Absturzstelle und lasse nicht einmal lokale Bergungsmannschaften aus Belgorod zu dem Flugzeugwrack. 

„Mehrere hochrangige Beamte der militärisch-politischen Vertretung des Aggressorstaates hätten an Bord sein sollen. Ihre Namen sind bekannt und werden genannt, Materialien werden im Rahmen der internationalen Untersuchung zur Verfügung gestellt“, behauptete Jusow zudem im Gespräch mit „Radio Liberty“

Flugzeugabsturz in Belgorod: Hintergründe bleiben rätselhaft

Unabhängig bestätigte Informationen dazu, wen oder was die Maschine vom Typ Iljuschin Il-76 transportierte, gibt es bislang nicht. Nach Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums saßen darin 65 ukrainische Kriegsgefangene, die zu einem geplanten Gefangenenaustausch geflogen worden seien. Auch drei Wachmänner und sechs Besatzungsmitglieder seien an Bord gewesen.

Moskau wirft der Ukraine vor, die Maschine über dem grenznahen russischen Gebiet Belgorod mit westlichen Flugabwehrraketen abgeschossen zu haben. Alle Menschen an Bord seien getötet worden. Belege kann Russland für diese Version bisher nicht vorweisen. Am Donnerstag veröffentlichtes Videomaterial zeigte lediglich weit verstreute Trümmer und die Aufnahmen von zwei Leichen. 

Russland veröffentlichte am Donnerstag Luftaufnahmen der Absturzstelle. Aufschlussreich sind die Aufnahmen nicht.

Russland veröffentlichte am Donnerstag Luftaufnahmen der Absturzstelle. Aufschlussreich sind die Aufnahmen nicht.

Russlands UN-Vertreter Poljanski hielt das unterdessen nicht von wüsten Anschuldigungen ab. „Wir werden unsererseits alles dafür tun, dass alle Verantwortlichen für dieses und andere Verbrechen der Kiewer Neonazi-Clique die verdiente Strafe erhalten“, erklärte er bei der Sitzung des Sicherheitsrats – und machte auch Deutschland und die USA für den Flugzeugabsturz verantwortlich.

Russland spricht von möglicher deutscher „Komplizenschaft“

Die Länder könnten als „Komplizen“ bezeichnet werden, sollte für den mutmaßlichen Abschuss der Maschine das Luftverteidigungssystem Patriot (US-Produktion) oder IRIS-T (deutsche Produktion) zum Einsatz gekommen sein. 

Der Vorfall ereignete sich am Mittwoch – 23 Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Die Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats dazu wurde auf Bitten Russlands angesetzt. Zuvor war das Gremium am Donnerstag hinter verschlossenen Türen vom Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation, Rafael Grossi, über die Situation im russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine informiert worden. (das/dpa)

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