Nach Toten in BelgorodPutin reagiert mit Drohung und Propagandalüge: „Der Feind wird weggeblasen“

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Wladimir Putin hat sich bei einem Besuch in einem Moskauer Militärkrankenhaus zum Krieg gegen die Ukraine geäußert – und mit heftigeren Angriffen gedroht.

Wladimir Putin hat sich bei einem Besuch in einem Moskauer Militärkrankenhaus zum Krieg gegen die Ukraine geäußert – und mit heftigeren Angriffen gedroht.

Er „koche“ vor Wut, erklärt Putin nach dem Angriff auf Belgorod. Frieden werde es nur zu Moskaus Bedingungen geben.

Wenige Tage nach dem Beschuss der russischen Grenzregion Belgorod mit mehr als 20 Toten hat Kremlchef Wladimir Putin weitere Angriffe gegen das Nachbarland Ukraine angekündigt. „Sicher haben Sie bemerkt, dass buchstäblich am darauffolgenden Tag solche Angriffe ausgeführt wurden“, sagte er am Neujahrstag bei einem Treffen mit verletzten russischen Soldaten in einem Moskauer Militärkrankenhaus. „Und heute werden welche ausgeführt und auch morgen werden wir das tun.“

In seiner ersten Reaktion auf den Beschuss von Belgorod am vergangenen Samstag sprach Putin nun zudem von einem „Terrorakt“ durch die ukrainische Armee. In seinem von Staatsmedien verbreiteten Auftritt erwähnte Putin allerdings nicht, dass dieser Attacke wiederum die schwerste russische Angriffswelle gegen die Ukraine seit Kriegsbeginn vorausgegangen war.

Wladimir Putin reagiert auf Belgorod: Drohung und Propaganda

Dabei waren am vergangenen Freitag ukrainischen Angaben zufolge mehr als 45 Menschen ums Leben gekommen – auch, weil vielerorts Wohngebiete unter Beschuss gerieten. Dennoch wiederholte Putin bei seinem Treffen mit den Soldaten die gängige russische Propagandalüge, die eigene Armee ziele in der Ukraine angeblich nur auf militärische Objekte.

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Bei Angriffen am Sonntag und Montag nahmen die russischen Truppen dann prompt erneut zivile Ziele ins Visier. In Charkiw wurde ein Hotel beschossen, ein Reporterteam des ZDF wurde verletzt. In der Silvesternacht startete Russland 90 Kamikaze-Drohnen. Auch am Montagmorgen gab es in der gesamten Ukraine erneut Luftalarm, russische Raketen sorgten für Verletzte und Stromausfälle in Kiew. 

24 Tote und 100 Verletzte nach Angriff auf russische Stadt Belgorod

Mit 24 Toten und mehr als 100 Verletzten hatte Russland infolge des Angriffs auf Belgorod erstmals in seinem schon rund zwei Jahre dauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine selbst eine so hohe Zahl an zivilen Opfern zu beklagen. Diese steht aber weiter in keinerlei Verhältnis zu den Opferzahlen in der Ukraine.

Putin leugnete dieses russische Vorgehen unterdessen am Montag – und zeigte sich stattdessen erbost. „Bei mir kocht alles“, sagte Putin bei seinem Besuch in dem Militärkrankenhaus am Montag und kündigte an: „Der Feind wird weggeblasen“.

Putin droht der Ukraine: „Der Feind wird weggeblasen“

„Natürlich könnten wir auf Plätze in Kiew schießen. Da laufen Kinder und Mütter mit Kinderwagen“, fand Putin zudem zynische Worte angesichts der zahlreichen russischen Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine – und behauptete, Russland werde weiterhin nur militärische Ziele angreifen.

Natürlich könnten wir auf Plätze in Kiew schießen. Da laufen Kinder und Mütter mit Kinderwagen
Wladimir Putin

Den Termin in dem Moskauer Militärkrankenhaus nutzte der Kremlchef, um mit den angeblichen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte zu prahlen. „Wir verfügen über Zerstörungsmittel, über die keine andere Armee der Welt verfügt“. Die Fähigkeiten der russischen Armee nähmen „ständig und exponentiell zu“, führte Putin aus. Auf die enormen Verluste seiner Truppen ging Putin erneut nicht ein. 

Putins Worte machen deutlich: „An den Kriegszielen hat sich nichts geändert“

Der Kremlchef bekräftigte unterdessen, dass Russland nicht vorhat, den Krieg gegen das Nachbarland zu beenden. Russland wolle die Kampfhandlungen zwar „so schnell wie möglich“ zu einem Ende bringen, das sei jedoch „nur zu unseren Bedingungen“ denkbar, erklärte der Kremlchef.

Putin behauptete am Montag zudem, die Ukraine sei „nicht unser Feind“, vielmehr seien Russlands Gegner „die westlichen Länder“, die das „Kiewer Regime“ gezielt gefördert habe, um einen Konflikt mit Moskau zu schaffen.

„An den Kriegszielen von Februar 2022 hat sich nichts geändert“, kommentierte der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski die Worte des Kremlchefs. „Auch 2024 zeigt Russland keinerlei Bereitschaft, die Invasion durch Waffenstillstand oder Verhandlungen ‚einzufrieren‘“, führte Wehowski aus.

Angriff auf Belgorod: Hintergründe nach wie vor unklar

Die Hintergründe des Beschusses auf Belgorod sind trotz gegenteiliger Behauptungen aus Moskau unterdessen weiter vollkommen unklar. Aus Kiew gab es keine offizielle Reaktion. Einige ukrainische Medien schrieben unter Berufung auf Geheimdienstquellen, dass möglicherweise die russische Luftverteidigung nicht präzise gearbeitet habe.

„Die Schäden an der zivilen Infrastruktur, die wir in Belgorod beobachten, sind das Ergebnis unprofessioneller Aktionen der russischen Luftverteidigung sowie bewusster und geplanter Provokationen“, zitierte die Zeitung „Ukrainska Prawda“ eine Quelle.

Belgorod: Warnung für Russen kam zu spät – Luftschutzkeller verschlossen

Russische Medien berichteten unterdessen, die Bewohner der Stadt seien erst 30 Minuten nach dem Angriff mit Sirenen gewarnt worden, Luftschutzkeller seien zudem verschlossen gewesen. Auch deshalb habe es viele Todesopfer gegeben.

Brennende Autos in der russischen Stadt Belgorod. Ukrainischen Angaben zufolge war „unprofessionelle“ Arbeit der russischen Luftabwehr für die Einschläge im Stadtzentrum verantwortlich. Russland spricht derweil von „Terror“ – und greift selbst sofort wieder zivile Ziele an.

Brennende Autos in der russischen Stadt Belgorod. Ukrainischen Angaben zufolge war „unprofessionelle“ Arbeit der russischen Luftabwehr für die Einschläge im Stadtzentrum verantwortlich. Russland spricht derweil von „Terror“ – und greift selbst sofort wieder zivile Ziele an.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak reagierte unterdessen noch am Montag auf Putins Worte und bezeichnete die neuen Drohungen als pure Prahlerei. Eigentlich sei Russland „schon längst tot“. Doch sei sich der Kreml dieser Tatsache noch nicht bewusst, sagte Podoljak am Neujahrstag. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte unterdessen bereits in seiner Neujahrsansprache angekündigt, die russischen Truppen würden in 2024 den „Zorn“ der Ukraine zu spüren bekommen.

Wolodymyr Selenskyj: „Putin wird dich wie ein Tier völlig auffressen“

Selenskyj kommentierte am Montag derweil auch die im Westen immer wieder aufkommenden Diskussionen um mögliche Verhandlungen mit Moskau mit deutlichen Worten. „Das ist nicht unsere Position, das ist Schwäche“, erklärte Selenskyj. Putin sei „wie ein Tier“, das „Blut geleckt“ habe, führte der ukrainische Präsident in einem Interview mit „The Economist“ aus.

Sollte die Ukraine den Krieg verlieren, sagte er, würde Russland ermutigt, gegen andere Länder vorzugehen. „Putin wird dich wie ein Tier mit deiner EU, Nato, Freiheit und Demokratie völlig auffressen, sobald er das Blut spürt.“ Signale für Frieden könne er aus Moskau nicht erkennen, erklärte Selenskyj. „Ich sehe lediglich die nächsten Schritte eines Terrorstaats.“

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