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Enttäuschung für SelenskyjMode-Tipps statt Marschflugkörper

4 min
US-Präsident Donald Trump (l) gestikuliert neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim Empfang im Weißen Haus.

US-Präsident Donald Trump (l) gestikuliert neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim Empfang im Weißen Haus.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war mit der festen Hoffnung auf amerikanische Raketen nach Washington gereist. Doch Donald Trump will den Druck auf Moskau nicht verstärken. Nach einem Telefonat mit Kreml-Chef Wladimir Putin ist der „Dealmaker“ abermals eingeknickt.

Spätestens als sich die Tür zum Kabinettszimmer des Weißen Hauses öffnete, dürfte Wolodymyr Selenskyj klar geworden sein, dass er sich diesen Besuch in Washington hätte sparen können. Am Tag zuvor schon hatte ihn US-Präsident Donald Trump durch ein Telefonat mit seinem Kriegsgegner Wladimir Putin überrumpelt. Nun stand eigentlich ein Arbeitsessen ohne Presse auf dem Programm. Doch hinter der Tür warteten Reporter.

Zweieinhalb Stunden hatte sich Trump am Donnerstag vertraulich mit Putin unterhalten. Für Selenskyj hatte er am Freitag insgesamt zwei Stunden und 15 Minuten Zeit. Doch davon gingen erst einmal 45 Minuten für die übliche Reality-TV-Show des narzisstischen Präsidenten drauf. Trump lobte die schwarze Anzugjacke des Gastes („sehr stilvoll“), drohte dem venezolanischen Staatschef Nicolas Maduro mit drastischen Worten, fabulierte über Joe Bidens angebliche Inkompetenz, träumte vom Friedensnobelpreis, erwärmte sich für Moskaus Idee eines „Putin-Trump-Tunnels“ unter der Arktis und zeigte viel Verständnis für Ungarn, das weiter russisches Öl kauft.

Selenskyj erträgt Zumutungen mit stoischer Geduld

Selenskyj ertrug all diese Zumutungen mit stoischer Geduld. Er pries die politischen Erfolge des Gastgebers im Nahen Osten und versuchte, diesen mit der Aussicht auf noch mehr Lob zu einem stärkeren Engagement im Ukraine-Krieg zu bewegen. Vergeblich. Schon nach dem Telefonat mit Putin war Trump in der Frage der Tomahawk-Marschflugkörper zurückgerudert. Selenskyj hatte unmissverständlich klar gemacht, dass Kiew diese Waffen braucht, um Ziele im russischen Landesinneren treffen zu können. Sein Team hatte in den USA die Herstellerfirma besucht. Der ukrainische Präsident brachte ein Tauschgeschäft mit heimischen Drohnen ins Gespräch. Es half alles nichts. „Mir wäre lieber, wenn sie keine Tomahawks bräuchten“, sagte Trump. Im übrigen bräuchten die USA die Raketen selber.

Treffen wirkt wie Fortsetzung des ewigen Slalomkurses von Trump

Auch hinter verschlossenen Türen scheint sich nichts bewegt zu haben. Das Treffen wirkt wie eine Fortsetzung des ewigen Slalomkurses von Trump in Sachen Russland. Erst posaunt er heraus, dass ein Frieden für die Ukraine leicht zu erreichen sei. Dann ist er frustriert, weil er sich keinen Erfolg ans Revers heften kann und zürnt mal mit der einen, mal mit der anderen Seite. Doch immer wieder lässt er sich von Putin einwickeln.

Von Kritik am Kreml-Herrscher, über den er noch kürzlich geschimpft hatte, war nichts zu hören. Im Gegenteil: Stattdessen die Versicherung, dass Putin, die täglich ukrainischen Städte und Zivilisten bombardieren lässt, den Frieden wolle. Kein Wort zu Sanktionen gegen Moskau, wie sie Trump schon im Mai angedroht hatte. Der amerikanische Präsident, der die ganze Welt mit Zöllen schikaniert, hat nicht einmal solche Abgaben auf russische Exporte verhängt.

Kaum war das Gespräch mit Selenskyj vorbei, entschwebte Trump ins Wochenende nach Palm Beach zum Golfspielen. Die Lust an der schwierigen und risikoreichen Unterhändlerrolle scheint er zunehmend zu verlieren. Stattdessen hat Putin dem Narzissten wie schon beim Alaska-Gipfel mit der Aussicht auf eine erneute, mutmaßlich prunkvolle Begegnung im Budapester Rampenlicht offenbar einen neuen Floh ins Ohr gesetzt.

Trump: „Es ist Zeit das Töten zu beenden“

In der Luft setzte Trump noch einen Post auf seiner Onlineplattform ab: „Es ist Zeit das Töten zu beenden“, ermahnte er da Putin und Selenskyj wie zwei ungezogene Kinder. Die Kampflinie, so seine lapidare Forderung, solle einfach eingefroren werden. Von der nicht einmal einen Monat alten großspurigen Versicherung, die Ukraine könne den Krieg gewinnen und gar Territorium hinzugewinnen, war nichts mehr zu lesen.

Kurz darauf stand Selenskyj vor dem Weißen Haus für eine improvisierte Pressekonferenz. Immerhin hatte ihn Trump dieses Mal nicht herausgeworfen wie im Februar. Wohl aber nach Teilnehmerangaben das Gespräch ziemlich abrupt beendet. Tapfer lobte der Ukrainer trotz der offensichtlichen Enttäuschung das Engagement von Trump. Noch einmal betonte er, wie wichtig die Tomahawk-Raketen für sein Land wären: „Russland hat Angst davor.“ Aber Washington, stellte er nüchtern fest, wolle nicht eskalieren.

Ob er mehr oder weniger optimistisch abreise, rief ihm eine Reporterin noch zu. „Ich bin realistisch“, antwortete Selenskyj. Es ist allerhöchste Zeit, dass sich auch die europäischen Verbündeten endlich eingestehen: Trotz aller peinlichen Schmeicheleien und unterwürfigen Verbiegungen ist von diesem US-Präsidenten keine verlässliche Hilfe zu erwarten.