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Moskau will „Weltordnung begraben“Putin bleibt eisern bei seiner „Theorie des Sieges“ – Selenskyj trollt den Kremlchef

Lesezeit 5 Minuten
Kremlchef Wladimir Putins jüngste Aussagen zeigen laut US-Analysten, dass der Kremlchef an seiner „Siegtheorie“ festhält.

Kremlchef Wladimir Putins jüngste Aussagen zeigen laut US-Analysten, dass der Kremlchef an seiner „Siegtheorie“ festhält. 

US-Analysten sehen in den jüngsten Äußerungen des Kremlchefs eindeutige Belege dafür, dass Moskau an seinen Zielen festhält.

Die jüngsten Aussagen von Kremlchef Wladimir Putin deuten nach Ansicht amerikanischer Analysten daraufhin, dass der russische Präsident weiterhin an seiner „Theorie des Sieges“ festhalten werde. Dem Westen sei es im vergangenen Jahr nicht gelungen, Putin davon zu überzeugen, seinen martialischen Ansatz hinsichtlich der Ukraine zu überdenken, erklärte das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) nach Putins ersten Auftritten beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg.

Dort habe der Kremlchef bereits im Vorjahr eine „Siegestheorie“ formuliert, die davon ausgehe, dass die russische Armee ihren schrittweisen Vormarsch erfolgreich fortsetzen, die Ukraine an Gegenoffensiven hindern und so den Abnutzungskrieg schließlich gewinnen könne. Die Aussagen des Kremlchefs ein Jahr später zeigten nun, dass sich an Putins Einschätzung nichts geändert habe, berichten die US-Analysten in ihrem Lagebericht und verweisen auf Putins Worte zu angeblichen und tatsächlichen Erfolgen seiner Streitkräfte in der Ukraine.

„Putin bekräftigte, dass Russland bereit sei, seine Kriegsziele militärisch zu erreichen, wenn es nicht in der Lage sei, diese Ziele diplomatisch zu erreichen“, heißt es dort weiter. Auf einen Regimewechsel in Kyjiw beharre der russische Präsident ebenso weiterhin wie auf eine erhebliche Einschränkung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit gegen künftige russische Aggressionen und den Nato-Verzicht des Nachbarlandes. 

Putins „Theorie des Sieges“ gehe von simplen Annahmen aus, erklärten die US-Analysten außerdem: „Die russischen Streitkräfte nehmen unverhältnismäßig hohe Verluste an Truppen für marginale taktische Erfolge in Kauf, die mittel- bis langfristig nicht tragbar sind“, heißt es im Lagebericht des ISW dazu. „Putins Theorie geht jedoch davon aus, dass das russische Militär die flächendeckende Initiative aufrechterhalten und offensive Operationen mit schrittweisen taktischen Erfolgen länger durchhalten kann, als der Westen bereit ist, der Ukraine Sicherheitshilfe zu gewähren.“

Darauf deuteten neben Putins Äußerungen auch die Worte weiterer Kreml-Vertreter hin, so die Analyse aus den USA. So forderte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem Gespräch mit der kremlnahen Zeitung „Iswestija“ die Russen nun dazu auf, „geduldig zu sein“ und eine „konsistente Position“ einzunehmen. Die US-Analysten werten das als Aufruf an die russische Bevölkerung, sich geduldig hinter Putins Ziele zu stellen, „da die Zeit das gewünschte Ergebnis bringen“ werde.

Nicht nur der Kremlchef nutzte das Wirtschaftsforum in St. Petersburg derweil für bedrohliche Botschaften. Der russische Senator Alexey Pushkow hob in einer Rede die „grundlegenden Unterschiede“ zwischen der Weltordnung hervor, für die Russland mit seinen Verbündeten kämpfe, und jener, die der Westen verteidigen wolle.

Die „liberale Weltordnung“ bestehe im Grunde lediglich aus einer „Reihe von Kriegen, die darauf abzielen, die westliche Hegemonie zu sichern“, echauffierte sich der Senator, der die historisch zahlreich vorhandenen russischen Kriege und Militärinterventionen dabei unerwähnt ließ.

Aus Moskaus Zielen machte Pushkow derweil keinen Hehl: „Die liberale Weltordnung wird einem Konflikt mit der globalen Entwicklung nicht standhalten können“, prophezeite der Senator. „Ich glaube, sie ist dem Untergang geweiht“, erklärte Pushkow weiter und fügte an: „Je schneller wir sie begraben, desto schneller werden die Toten aufhören, die Lebenden zu packen.“ Auch Pushkow unterstrich damit, wie bereits andere Moskauer Politiker vor ihm, dass Russland sich in einem Konflikt mit dem Westen und nicht nur in einem Krieg mit der Ukraine wähnt.

Die Narrative über das Nachbarland bleiben unterdessen auch in St. Petersburg die altbekannten. So wiederholte Kremlchef Putin erneut seine wahrheitswidrigen Behauptungen über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der laut dem Kremlchef keine Legitimität im Amt habe und eventuelle Abkommen mit Russland nicht unterzeichnen könne. Der Kreml habe diese Narrative in der Vergangenheit stets genutzt, um „seine Aggression gegen die Ukraine zu rechtfertigen“, ordnen die US-Analysten die Worte Putins ein.

Auch aus Kyjiw kam eine Reaktion auf die jüngsten Ausführungen des Kremlchefs, die man heutzutage wohl als „politisches Trollen“ bezeichnen kann. Selenskyj warf Putins Worte auf den russischen Präsidenten zurück und erklärte in einer Videobotschaft, dass es vielmehr Putin selbst sei, der keine Legitimität mehr im Präsidentenamt habe.

„Ich bin bereit, mich in jedem Format mit denjenigen zu treffen, die entsprechende Autorität haben, einschließlich Putin, auch wenn er sein verfassungsmäßiges Mandat um mindestens drei Amtszeiten überschritten hat“, sagte Selenskyj. 

Für diese Einschätzung gibt es durchaus eine gute Grundlage: Putin stellt Selenskyjs Legitimität infrage, weil die Amtszeit des Ukrainers 2024 abgelaufen sei. In der Ukraine darf allerdings unter Kriegsrecht nicht gewählt werden – so wie es das Grundgesetz in Deutschland im Verteidigungsfall auch untersagen würde. 

Putin hat sich seine Macht unterdessen vor allem gesichert, indem Wahlen in Russland weniger frei geworden und Gegner nach und nach verschwunden sind – auch durch unaufgeklärte Todesfälle und Ermordungen von Oppositionellen wie Boris Nemzow und Alexej Nawalny. In beiden Fällen wird von einer Verstrickung der russischen Regierung ausgegangen. Faktisch lenkt der Kremlchef bereits seit der Jahrtausendwende die Geschicke Russlands – und befindet sich seit 2014 auf Kriegskurs gegenüber der Ukraine.

HANDOUT - 20.06.2025, Ukraine, Odessa: Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz via AP zur Verfügung gestellten Foto löschen Feuerwehrleute das Feuer in einem Wohnhaus nach einem massiven russischen Luftangriff. Foto: Uncredited/Ukrainian Emergency Service/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Odessa: Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz via AP zur Verfügung gestellten Foto ist das Feuer in einem Wohnhaus nach einem massiven russischen Luftangriff zu sehen.

Dass Moskau von seinem brutalen Vorgehen nicht abkehren wird, zeigen nicht nur die Worte aus St. Petersburg, sondern erneut auch die Taten der russischen Streitkräfte. Bei einem Drohnenangriff auf Odessa ist in der Nacht auf Freitag (20. Juni) nach Behördenangaben ein Mensch getötet worden. 14 weitere hätten Verletzungen erlitten, darunter drei Rettungskräfte, schrieb die ukrainische Staatsanwaltschaft bei Telegram.

Russland hat dabei nach ukrainischen Behördenangaben wie zuvor in dieser Woche bereits bei heftigen Luftangriffen auf die Hauptstadt Kyjiw erneut Wohnblocks und eine Bildungseinrichtung anvisiert.