Kremlchef Wladimir Putin zeigt sich „offen“ für einen Anruf von Friedrich Merz – einen Kurswechsel gibt es in Moskau allerdings nicht.
Kremlchef droht DeutschlandPutin spricht erstmals über Merz – und nennt „Pluspunkt“ von Trump

Der russische Präsident Wladimir Putin hat Fragen von Vertretern von internationalen Nachrichtenagenturen beantwortet. (Archivbild)
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Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich erstmals seit dessen Wahl im Mai über Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geäußert. Der Kremlchef erklärte sich dabei zu einem Gespräch mit dem deutschen Regierungschef bereit. Wenn Merz anrufen und reden wolle, dann sei Russland „immer offen“ für diese Kontakte, sagte Putin in St. Petersburg bei einer Pressekonferenz mit internationalen Nachrichtenagenturen.
Mit Blick auf Russland andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Zivilbevölkerung im Nachbarland sagte der Kremlchef, dass Deutschland nicht neutral sei und Russland es deshalb nicht als Vermittler in dem Konflikt sehe. Deutschland sei „Unterstützer und in einigen Fällen sogar Komplize“ der Ukraine, liefere Panzer an das Land und sei so an Kampfhandlungen beteiligt, führte Putin aus.
Wladimir Putin offen für Gespräch mit Friedrich Merz
Merz hatte seit seinem Amtsantritt bisher keinen Kontakt zu Putin, forderte den Kremlchef aber wiederholt in Reden und auch in Kiew zu einer Waffenruhe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf – ohne Erfolg.
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Zuletzt hatte Merz sich beim G7-Gipfel in Kanada zu Wochenbeginn über den russischen Präsidenten geäußert. Für Kriegsverbrecher wie Putin gebe es bei den G7 keinen Platz am Tisch, erklärte Merz, nachdem US-Präsident Donald Trump zuvor den Ausschluss Russlands aus den G8 als Fehler und wahrheitswidrig als Kriegsgrund bezeichnet hatte.
Putin droht: Kreml sieht Taurus-Lieferung als Kriegsbeteiligung
Die deutsch-russischen Beziehungen sind unterdessen auf dem Tiefpunkt. Vor allem Merz steht in Moskau in der Kritik, auf Konfrontation mit Russland aus zu sein. Russland stört sich an den Waffenlieferungen an die Ukraine und warnt besonders davor, Kiew den Marschflugkörper Taurus zu liefern. Putin stellte diesen Schritt nun erneut als direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands dar.
„Nur deutsche Offiziere können Taurus-Waffen bedienen. Was bedeutet das? Dass Bundeswehrsoldaten mit deutschen Waffen russisches Territorium angreifen werden“, erklärte Putin nach Angaben der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Wladimir Putin: „Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen“
Im Falle einer Lieferung werde Moskau dementsprechend von einer deutschen Kriegsbeteiligung „ausgehen“, drohte Putin. „Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen“, führte der Kremlchef aus. „Aber das würde unsere Beziehungen völlig ruinieren.“

Wladimir Putin (M.) mit Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen im neu renovierten Staatlichen Rimski-Korsakow-Konservatorium in St. Petersburg.
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Russland habe deutsche Interessen stets beachtet, während indessen sogar „in Kursk deutsche Ausrüstung auf russischem Boden“ eingesetzt worden sei, behauptete Putin weiter. Gleichzeitig betonte der Kremlchef jedoch auch, dass deutsche Waffen ohnehin keinen Einfluss auf den Verlauf der Gefechte in der Ukraine hätten – und prophezeite Deutschland eine Rezession.
Nazi-Anspielungen aus Moskau gegen Friedrich Merz
Vor Putins ersten Äußerungen in Richtung von Merz hatte bereits der Präsident der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, unlängst in einer Botschaft an den Bundestag vor einer Eskalation der Lage zwischen beiden Ländern gewarnt. Konkreter Anlass waren Äußerungen von Merz. Wolodin sagte: „Wir wissen, dass die deutsche Regierung plant, eine Raketenproduktion in der Ukraine aufzubauen. Damit wird die BRD immer mehr in ein militärisches Vorgehen gegen Russland hineingezogen.“
Zuletzt hatte Moskau außerdem immer wieder Nazi-Anspielungen über den deutschen Bundeskanzler gemacht. Noch in dieser Woche betonte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erneut, dass Merz ein „Nachfahre von Nazis“ sei. Auch Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat den Kanzler mit harten Worten bedacht. Moskaus Propagandisten verbreiteten zuletzt obendrein eine absurde Drogen-Lüge über Merz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Im russischen Angriffskrieg hat sich die deutsche Politik an die Seite der Ukraine gestellt – Moskau stuft Deutschland seitdem als feindlich ein.
Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Traditionelle Fragerunde mit Putin
Wolodin behauptete zwar wie nun auch Putin, Russland habe „keinen einzigen Schritt gegen die Interessen Deutschlands gemacht“, unterschlug damit aber eine ganze Reihe von Aktionen, für die Moskau verantwortlich gemacht wird. Sie reichen vom Hackerangriff auf den Bundestag 2015, der Ermordung eines Georgiers durch einen russischen Geheimdienstler 2019 in Berlin, einen Brandanschlag auf ein Frachtflugzeug bis zu jüngsten Spionageakten gegen die Bundeswehr.
Die traditionelle Fragerunde Putins ging am ersten Tag des St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums über die Bühne. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, dass Putin im Gespräch mit westlichen Nachrichtenagenturen die russische Position möglichst ungefiltert transportieren wolle.
Putin zeigt sich offen für Gespräch mit Selenskyj
An Putins Kriegszielen scheint sich unterdessen weiterhin nichts geändert zu haben: Der Kremlchef stellte bei der Pressekonferenz erneut die Legitimität von Wolodymyr Selenskyj als ukrainischer Präsident infrage und drohte dem Nachbarland damit, dass sich „die Lage für sie verschlechtern“ werde, sollten sie bei den zuletzt begonnenen Gesprächen in Istanbul keine Einigung erzielen.
Putin zeigte sich aber auch bereit für Gespräche mit Selenskyj, wenn der Westen damit aufhöre, die Ukraine „zum Kampf zu drängen“. Die Frage, wer ein Abkommen auf ukrainischer Seite unterzeichnen solle, bleibe jedoch offen, betonte der Kremlchef.
Kremlkritiker: Putin liefert „Ausreden für Untätigkeit“ im Westen
Bei Kremlkritikern stoßen die Worte auf Skepsis: „Das klingt nach einem weiteren Weg, westlichen Staatschefs erneute Ausreden für ihre Untätigkeit zu liefern, während sie über fiktive Verhandlungen sprechen“, kommentierte der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow auf der Plattform X. Sollte Putin jedoch tatsächlich einen Sinneswandel gehabt haben, sei der „Israels Feldzug gegen den Iran zu verdanken“, fügte er an.
Putin äußerte sich unterdessen auch zu den jüngsten heftigen Angriffen auf die Ukraine. Diese richteten sich „nicht gegen Wohngebiete, sondern gegen Einrichtungen des militärisch-industriellen Komplexes“, behauptete der Kremlchef, obwohl zahlreiche russische Attacken auf Wohngebäude gut dokumentiert sind – auch bei der jüngsten Angriffswelle.

Rettungskräfte räumen die Trümmer an einem zerstörten mehrstöckigen Wohnhaus nach dem Einschlag einer russischen Rakete in der ukrainischen Hauptstadt.
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Außerdem seien Behauptungen, dass Russland einen Angriff auf Nato-Länder plane, eine „unglaubliche Lüge“, beteuerte der Kremlchef, der vor Russlands Angriff auf die Ukraine stets behauptet hatte, dass Moskau im Nachbarland nicht militärisch eingreifen werde.
Nach Irritationen bei G7: Kremlchef schmeichelt Trump
Für Donald Trump gab es von Putin am Mittwoch unterdessen Schmeicheleien, nachdem der US-Präsident sich beim G7-Gipfel erneut wohlwollend über den Kremlchef geäußert und Sanktionen gegen Russland erneut abgelehnt hatte. Es sei ein „Pluspunkt“, dass Trump ein Geschäftsmann sei, der „alles gut durchrechne“, befand Putin und stimmte Trumps Behauptung zu, dass es nie zum Krieg gekommen wäre, wenn statt Joe Biden im Jahr 2022 bereits der Republikaner in den USA an der Macht gewesen wäre.
In einem der letzten Gespräche mit Biden vor Russlands Invasion in der Ukraine habe er Trumps Vorgänger vergeblich zu warnen versucht, behauptete der Kremlchef weiter und fügte an: „Wenn Trump Präsident wäre, wäre dieser Konflikt vielleicht wirklich nicht entstanden. Das gebe ich voll und ganz zu.“
Wladimir Putin: Donald Trump auf einem „guten Weg“
Nun habe Trump nach seiner Wiederwahl einen „guten Weg gewählt“, führte Putin aus. „Wir haben großen Respekt vor seiner Absicht, die Beziehungen zu Russland in vielen Bereichen wiederherzustellen – im Sicherheitsbereich und im Bereich der Wirtschaftstätigkeit“, betonte der Kremlchef und stellte Trump somit Handelsdeals zwischen Moskau und Washington in Aussicht.
Der US-Präsident hatte nach vorherigen Gesprächen mit Putin vom „unbegrenzten Potenzial“ möglicher Geschäfte mit Moskau geschwärmt. Ein gerechter Frieden für die Ukraine ist derweil weiterhin nicht in Sicht. Nach dem jüngsten russischen Großangriff auf Kyjiw stieg die Zahl der Todesopfer am Mittwoch erneut – 28 Menschen sind nach Behördenangaben durch den Angriff gestorben. (mit dpa)