„Sollen eure Villen doch brennen“Der Krieg kommt nach Moskau – und Söldnerchef Prigoschin rastet aus

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Russische Ermittler sichern Teile einer der Drohnen, die am Dienstagmorgen über der russischen Hauptstadt Moskau abgeschossen wurden. Der Kreml sieht die Verantwortung für den Angriff in der Ukraine.

Russische Ermittler sichern Teile einer der Drohnen, die am Dienstagmorgen über der russischen Hauptstadt Moskau abgeschossen wurden. Der Kreml sieht die Verantwortung für den Angriff in der Ukraine.

Kiew bestreitet, für den Drohnenangriff auf Moskau verantwortlich zu sein. Söldnerchef Prigoschin verliert derweil die Nerven.

Die russische Hauptstadt Moskau ist am Dienstagmorgen nach offiziellen Angaben aus Russland Ziel eines Drohnenangriffs geworden. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, es habe es sich um einen „terroristischen Angriff“ auf die Hauptstadt gehandelt.

„Heute früh, in der Morgendämmerung, hat ein Drohnenangriff geringe Schäden an mehreren Gebäuden verursacht“, erklärte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin im Onlinedienst Telegram. „Bisher ist niemand ernsthaft verletzt worden.“

Drohnenangriff auf Moskau: Ukraine beobachtet Angriffe mit Freude

Die Hintergründe des Angriffs sind zurzeit noch unklar. In Russland wird die Drohnenattacke als ukrainischer Angriff dargestellt. Der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow hatte am Montag in einem Interview erklärt, „all jene, die versuchen, uns Angst zu machen, werden das schon sehr bald bereuen“. Budanow kündigte eine schnelle Antwort auf die Angriffe an. „Jeder wird es bald sehen können“, fügte er an.

Am Dienstag folgte aus Kiew dann allerdings prompt ein Dementi. In einer Youtube-Show erklärte der Berater des ukrainischen Präsidenten Mychailo Podoljak, die Ukraine habe „natürlich nichts direkt damit zu tun“. Man beobachte die Angriffe jedoch mit Freude – und rechne mit weiteren Attacken auf russischem Gebiet, erklärte Podoljak.

Angriff auf Moskau folgt auf heftigen Drohnenangriff auf Kiew

In der Ukraine war bei russischem Beschuss auf Kiew in der Nacht nach Angaben des Kiewer Bürgermeisters mindestens ein Mensch getötet worden. In den Onlinenetzwerken geteilte Fotos aus Moskau zeigen Rauchspuren am Himmel. Auf anderen Aufnahmen aus der russischen Hauptstadt ist das zerstörte Fenster eines beschädigten Gebäudes zu sehen.

Drei der von Russland abgeschossenen Drohnen wurden laut dem russischen Abgeordneten Alexander Chinschtein nahe dem Moskauer Nobelvorort Rubljowka abgeschossen. Die betroffene Wohngegend liege demnach lediglich zehn Minuten von der Residenz Nowo-Ogarjowo entfernt, die der russische Präsident Wladimir Putin regelmäßig nutzen soll. Auch Ex-Präsident Dmitrij Medwedew soll in der Gegend sein Anwesen haben.

Drohnen über Nobelvorort Rubljowka abgeschossen: Residenz von Wladimir Putin in der Nähe

Bürgermeister Sobjanin zufolge wurden zudem Bewohner zweier angegriffener Wohngebäude in Moskau vorübergehend evakuiert. „Acht Drohnen wurden bei dem Angriff genutzt“, erklärte das russische Verteidigungsministerium. „Alle Drohnen des Feindes wurden abgeschossen.“

Der Gouverneur der Region Moskau, Andrej Worobjow, teilte seinerseits mit, dass „beim Anflug auf Moskau“ in der Nähe der Hauptstadt „mehrere“ Drohnen abgeschossen wurden. „Heute Morgen konnten Bewohner einiger Bezirke der Region Moskau das Geräusch von Explosionen hören, es war unser Luftverteidigungssystem“, erklärte Worobjow auf Telegram. Er forderte die Anwohner auf, „einen kühlen Kopf zu bewahren“.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin beschimpft russische Elite: „Sollen eure Villen doch brennen“

Einen kühlen Kopf zu bewahren gelang dem Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, am Dienstag allerdings nicht. Der für seine Wutausbrüche bekannte Söldner-Chef meldete sich prompt zu Wort – und attackierte das russische Verteidigungsministerium mit harschen Worten.

„Ihr stinkenden Bastarde“, begann Prigoschin seine Tirade in Richtung des Kremls. „Was macht ihr? Kriegt mal eure Ärsche aus euren Büros, die ihr bekommen habt, um dieses Land zu verteidigen“, polterte Prigoschin weiter in seiner Audiobotschaft, die über seine Kanäle verbreitet wurde.„Wie kann man nur zulassen, dass diese Drohnen bis nach Moskau fliegen?“, empörte sich der immer wieder als Kritiker des Verteidigungsministeriums in Erscheinung getretene Wagner-Chef.

Nächste Tirade von Jewgeni Prigoschin: Will er Nachfolger von Wladimir Putin werden?

„Wenn sie eure Häuser in Rubljowka treffen – scheiß darauf, sollen eure Villen doch brennen. Aber was sollen normale Menschen tun, wenn explosive Drohnen in ihr Fenster fliegen?“ Er habe bereits „oft davor gewarnt“, doch niemand wolle ihm zuhören, beklagte Prigoschin zudem.

Eine Reaktion aus Moskau gab es auf die Aussagen Prigoschins zunächst nicht. Verteidigungsminister Sergei Schoigu und der Söldner-Anführer gelten als Rivalen, Prigoschin attackierte im Verlauf des Kriegs jedoch auch Präsident Wladimir Putin bereits verbal. Manche Beobachter sehen darin Manöver Prigoschins, um sich selbst als Putin-Nachfolger ins Gespräch zu bringen.

Angriff auf Moskau folgt auf Drohnenangriff auf ukrainische Hauptstadt Kiew

Der Angriff auf Moskau am Dienstagmorgen folgt auf einen russischen Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew im Laufe der Nacht, bei dem nach Angaben des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko mindestens ein Mensch starb.

Die ukrainische Luftwaffe teilte am Dienstag bei Telegram mit, sie habe bei dem nächtlichen Luftangriff auf die Hauptstadt und die Umgebung – dem dritten innerhalb von 24 Stunden - 29 von insgesamt 31 Drohnen abgeschossen.

Die Angriffe erfolgten nach Angaben der Luftwaffe mit Shahed-Drohnen aus iranischer Produktion und erstreckten sich auf den Zeitraum zwischen „23.30 Uhr bis 04.30 Uhr“ Kiewer Ortszeit. Am Montag schon hatte russischer Beschuss mitten am Tag für Panik in der ukrainischen Hauptstadt gesorgt. (mit afp)

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