Landverzicht gegen Nato-Mitgliedschaft?Stoltenberg-Mitarbeiter erntet für „lächerlichen“ Lösungsvorschlag scharfe Kritik

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Eine ukrainische Flagge weht nahe dem Denkmal von „Mutter Heimat“ in Kiew im Wind. (Symbolbild)

Eine ukrainische Flagge weht nahe demDenkmal von „Mutter Heimat“ in Kiew im Wind. (Symbolbild)

In der Ukraine löst die Aussage eines Nato-Mitarbeiters Empörung aus.

Ein Vorschlag des Stabschefs von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Stian Jenssen, hat Empörung in der Ukraine ausgelöst. Jenssen hat laut der norwegischen Zeitung „Verdens Gang“ Gebietsabtretungen der Ukraine für eine mögliche Nato-Mitgliedschaft vorgeschlagen.

„Ich glaube, dass eine Lösung darin bestehen könnte, dass die Ukraine Territorium abgibt und im Gegenzug eine Nato-Mitgliedschaft erhält“, soll Jenssen laut der Zeitung bei einer Podiumsdiskussion in Arendal gesagt haben.

Vorschlag zu Landverzicht kommt in der Ukraine nicht gut an

Auf Nachfrage, ob eine Gebietsabtretung im Tausch gegen Frieden und eine mögliche Mitgliedschaft im Atlantischen Bündnis von bislang 31 europäischen und nordamerikanischen Mitgliedstaaten die Lösung sein solle, sagte der Mitarbeiter Stoltenbergs demnach: „Ich sage nicht, dass es so sein muss. Aber es könnte eine mögliche Lösung sein.“ Die Entscheidung, zu welchen Bedingungen die Ukraine zu Verhandlungen bereit sei, liege aber selbstverständlich bei der ukrainischen Regierung.

Reaktionen ließen angesichts dieser Aussagen nicht lange auf sich warten. Das Außenministerium der Ukraine kritisierte Jenssens Äußerung scharf, und bezeichnete sie laut eines Sprechers als „absolut inakzeptabel“, wie die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform berichtet.

Landverzicht für Ukraine als Bedingung für Frieden keine Option

Derartige Vorschläge hatten bereits in der Vergangenheit zu Missfallen in der Ukraine geführt. Seit 2019 ist das Ziel des Nato-Beitritts in der ukrainischen Verfassung festgelegt. Russland fordert, dass die Ukraine darauf verzichtet und sich für neutral erklärt.

Wir erwägen nicht einmal theoretisch die Möglichkeit, Teile unseres Territoriums aufzugeben. Das ist nicht akzeptabel.
Ukrainische Regierungserklärung

Gebietsabtretungen an Russland erteilte die Regierungspartei bereits unmittelbar nach Kriegsausbruch eine Absage. „Wir erwägen nicht einmal theoretisch die Möglichkeit, (...) Teile unseres Territoriums aufzugeben. Das ist nicht akzeptabel. Unsere Ukraine - dazu gehören auch Donezk, Luhansk und die Krim“, erklärte die Partei Sluha Narodu im März 2022.

Ukrainische Präsidentenberater bezeichnet Vorschlag von NATO-Mitarbeiter als „lächerlich“

An dieser Haltung hat sich nach wie vor nichts geändert, wie der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak als Reaktion auf Jenssens Aussagen deutlich macht: „Das ist lächerlich. Das bedeutet, sich bewusst für die Niederlage der Demokratie zu entscheiden, einen globalen Verbrecher zu ermutigen, das russische Regime zu bewahren, das Völkerrecht zu zerstören und den Krieg an andere Generationen weiterzugeben“, schrieb er auf X, vormals als Twitter bekannt.

„Wenn Putin keine vernichtende Niederlage erleidet, das politische Regime in Russland sich nicht ändert und die Kriegsverbrecher nicht bestraft werden, wird der Krieg mit Sicherheit zurückkehren und Russland hat Lust auf mehr“, so Podoljak weiter.

Keine Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Sicht

Wolodymyr Selenskyj lehnt Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Monaten ab. Grundvoraussetzung für Gespräche sei, dass Russland seine Truppen komplett aus der Ukraine abzieht, heißt es aus Kiew. Russland Bedingungen für Gespräche sind laut Aussagen von Kremlsprecher Dmitri Peskow aus dem Frühjahr 2023, dass die Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson russisches Staatsgebiet werden und in der Verfassung als Teile Russlands verankert seien.

Die Nato will der von Russland überfallenen Ukraine grundsätzlich die Hand zu einem Beitritt reichen – zögert aber noch. Die ersehnte formelle Einladung wird noch an Bedingungen geknüpft. Nötig seien unter anderem „zusätzliche erforderliche Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors“, so Stoltenberg, laut dessen Aussagen es keinen Zeitplan für einen Beitritt der Ukraine zum Militärbündnis.

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