Klare Signale von PutinKreml droht mit Angriffen auf britische Militärziele und ordnet Atomübung an

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ARCHIV - 18.03.2024, Russland, Moskau: Der russische Präsident Wladimir Putin spricht während eines Besuchs in seiner Wahlkampfzentrale nach den Präsidentschaftswahlen in Moskau am 18. März 2024. Putin beginnt seine fünfte Amtszeit als russischer Präsident am Dienstag mit einer opulenten Amtseinführung im Kreml, nachdem er seine politische Opposition vernichtet, einen verheerenden Krieg in der Ukraine begonnen und seine Macht konsolidiert hat. Foto: Uncredited/AP/dpa/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der russische Präsident Wladimir Putin. (Archivbild)

Der Kreml reagiert laut eigenen Angaben auf westliche Äußerungen. Ein CDU-Politiker kritisiert deshalb Kanzler Scholz mit harten Worten.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Montag Atomwaffenübungen unter Beteiligung der Luftwaffe, der Marine und von nahe der Ukraine stationierten Soldaten angeordnet. „Während der Übung wird eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Vorbereitung und den Einsatz von nicht-strategischen Atomwaffen zu üben“, erklärte das Verteidigungsministerium am Montag. Moskau drohte außerdem mit Angriffen auf britische Militärziele innerhalb und außerhalb der Ukraine, falls Kiew von Großbritannien gelieferte Raketen für Angriffe auf Russland nutze.

Das russische Außenministerium teilte am Montag mit, es habe den britischen Botschafter in Moskau, Nigel Casey, einbestellt. Er sei gewarnt worden, dass die russische „Antwort auf ukrainische Angriffe mit britischen Waffen auf russischem Territorium jede britische Militäreinrichtung und Ausrüstung auf ukrainischem Territorium und darüber hinaus“ treffen könne.

Zuvor hatte der Kremlchef am Wochenende den Ostergottesdienst der russisch-orthodoxen Kirche besucht – und mit Kirchenoberhaupt Patriarch Kyrill für „unser russisches Land, das schwierige, vielleicht in gewisser Weise schicksalhafte Prüfungen durchmacht“, gebetet. „Wir bitten den Herrn, die heiligen Grenzen unseres Landes zu schützen“, erklärte Kyrill und rief die Gläubigen zum Gebet für die russische Armee auf. 

Kreml: Atomübungen sind Reaktion auf Äußerungen von Macron

Der Kreml begründete die nun angeordneten Atomübungen unterdessen mit Äußerungen westlicher Politiker zu einem möglichen Einsatz von Truppen in der Ukraine, zuletzt hatte der französische Präsident Emmanuel Macron eine Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine mehrmals nicht ausschließen wollen. Der britische Außenminister David Cameron hatte zudem erklärt, die Ukraine dürfe britische Waffen für Angriffe auf Russland nutzen.

Bereits in der Vergangenheit hat Russland auf Ankündigungen und Waffenlieferungen des Westens mit Geraune über Atomwaffen reagiert, mitunter auch offen mit Atomschlägen gegen den Westen gedroht. Die Drohungen blieben stets folgenlos. Experten halten sie für reine Propaganda-Botschaften. 

Mit der Übung werde die „Bereitschaft“ der Armee aufrechterhalten, nachdem einige westliche Vertreter „provokative Äußerungen und Drohungen gegen Russland“ gemacht hätten, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau am Montag weiter. Das Manöver finde „in der nahen Zukunft“ statt. Demnach nehmen Luft- und Seestreitkräfte teil sowie Truppen des südlichen Militärdistrikts, der an die Ukraine grenzt und diejenigen besetzten ukrainischen Gebiete umfasst, die Moskau als annektiert erklärt hat.

Wladimir Putin ordnet russische Atomübung persönlich an

Das russische Verteidigungsministerium fügte an, die Übung werde „auf Anweisung des Oberbefehlshabers der Streitkräfte der russischen Föderation“, Wladimir Putin, stattfinden. Der genaue Ort und Zeitpunkt des Manövers sowie die Zahl der teilnehmenden Soldaten wurden nicht genannt.

Wladimir Putin zusammen mit Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin beim Gottesdienst.

Wladimir Putin zusammen mit Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin beim Gottesdienst.

Kremlchef Putin beruft sich häufig auf die russische Nukleardoktrin. Diese sieht einen „strikt defensiven“ Einsatz von Atomwaffen im Fall eines Angriffs auf Russland mit Massenvernichtungswaffen oder im Fall einer Aggression mit konventionellen Waffen, welche „die Existenz des Staates bedroht“. Im Februar hatte Putin gesagt, die Gefahr eines Atomkrieges sei „real“.

„Es ist offensichtlich, dass wir über Herrn Macron und britische Vertreter sprechen“

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Übungen als Reaktion Russlands auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und anderer westlicher Politiker zu einem möglichen Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine. Peskow sagte vor Journalisten, diese Politiker hätten „über den Willen und sogar die Absicht“ gesprochen, „bewaffnete Kontingente in die Ukraine zu schicken, also Nato-Soldaten der russischen Armee gegenüberzustellen“.

Auf Rückfragen von Reportern zur Begründung für die Übungen fügte Peskow an: „Es ist offensichtlich, dass wir über Erklärungen von Herrn Macron und Erklärungen britischer Vertreter sprechen.“ Er fügte an: „Dies ist eine völlig neue Phase der Eskalation der Spannungen. Sie ist beispiellos und erfordert besondere Maßnahmen.“

Großbritannien gibt Ukraine wohl grünes Licht für Angriffe auf Russland

Der britische Außenminister David Cameron hatte in der vergangenen Woche in einem Interview gesagt, die Ukraine habe „das Recht“, Ziele auf russischem Staatsgebiet unter Beschuss zu nehmen und dabei angedeutet, dass Kiew für derartige Angriffe auch von Großbritannien gelieferte Waffen nutzen könne. Aus London hat die Ukraine durchschlagskräftige Marschflugkörper des Typs „Storm Shadow“ erhalten. Bisher kam das Waffensystem jedoch nur für Schläge auf der ukrainischen Krim zum Einsatz. 

Russische Atomraketen des Typs „Jars“ bei einer Militärparade der russischen Armee in Moskau. (Archivbild)

Russische Atomraketen des Typs „Jars“ bei einer Militärparade der russischen Armee in Moskau. (Archivbild)

Die Bundesregierung reagierte am Montag zunächst nicht auf die Ankündigung Putins. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach bei einem Besuch in Litauen den baltischen Staaten jedoch seine Solidarität aus. „Deutschland steht unverrückbar an der Seite der baltischen Staaten“, schrieb Scholz an Litauens Präsidenten Gitanas Nauseda gerichtet im Kurznachrichtendienst X. „Wir sind einander verpflichtet – deshalb stationieren wir auch dauerhaft eine deutsche Brigade in Litauen.“

CDU-Politiker nutzt russische Atomübung zur Kritik an Kanzler Scholz

Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter bezeichnete die Atomübungen in Russland unterdessen am Montag als „nukleare Erpressung“ von Kremlchef Putin. „Dieses nukleare Säbelrasseln Russlands wirkt ausschließlich in Deutschland – unsere Partner in Europa haben das nukleare Blackmailing Russlands längst durchschaut“, führte Kiesewetter aus.

Der CDU-Politiker kritisiert zudem Kanzler Scholz, der sein Zögern bei Waffenlieferungen in der Vergangenheit auch mit der Sorge um eine Eskalation begründet hatte. „Scholz kann sich in seiner ‚Besonnenheit‘ einrichten und behaupten, es drohe ein Atomkrieg. So übt man sich weiter in Selbstabschreckung“, schrieb Kiesewetter. 

Russlands Propaganda-Drohungen: „Das fällt in Deutschland auf den fruchtbarsten Boden“

Dass Russland mit schrillen Drohungen insbesondere auf die Debatte in Deutschland abzielt, hatte im Vorjahr auch der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt. Russland wolle mit Atomdrohungen zwei Botschaften senden, so Jäger. „Die erste ist, dass sie Gegner davon abschrecken, das eigene Territorium anzugreifen. Die zweite ist, dass sie Angst und Schrecken verbreiten sollen“, erklärte der Professor für internationale Politik der Universität zu Köln.

Dadurch erhoffe Moskau sich eine „Selbstabschreckung im Westen“, erklärte Jäger weiter. „Das fällt in Deutschland auf den fruchtbarsten Boden, das ist in anderen Staaten nicht so“, befand Jäger mit Blick auf die deutsche Friedensbewegung und die Positionen der AfD und der ehemaligen Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. (mit afp)

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