Abo

Journalistin grillt Kreml-DiplomatenWenn Putins Botschafter nur noch stammelt

Lesezeit 5 Minuten
Russlands Botschafter in Australien: Dr. Alexey Pavlovsky (Archivbild)

Russlands Botschafter in Australien: Dr. Alexej Pawlowsky (Archivbild)

In Australien hat eine Journalistin den Botschafter Russlands zum Interview empfangen. Alexey Pawlowsky machte dabei keine gute Figur.

In Deutschland kriegen russische Diplomaten von Medien schon lange keine große Bühne mehr, lediglich vereinzelt entscheiden sich Redaktionen noch dazu, mit Putins Propagandisten zu sprechen. Dass die direkte Auseinandersetzung mit russischen Vertretern gelingen kann – wenn richtig umgesetzt – hat nun die australische Journalistin Sarah Ferguson bewiesen. Ihr Interview mit dem russischen Botschafter in Australien, Alexej Pawlowsky, bekommt internationale Aufmerksamkeit.

Die Journalistin der Australian Broadcasting Corporation (ABC) grillte ihren Interviewgast nach allen Regeln der Kunst – und Pawlowsky hatte außer Gestammel nicht viel entgegenzusetzen. Immer wieder setzte Ferguson nach und stellte so die leeren Phrasen des Russen bloß.

Resolute Interviewführung: „Wie leben Sie damit, das diktatorische Putin-Regime zu repräsentieren?“

Dass es ungemütlich werden würde, dürfte Pawlowsky dabei schnell gemerkt haben. „Herr Botschafter, Sie sind hier in Australien und genießen die Vorteile einer freien und offenen Gesellschaft. Wie leben Sie damit, das repressive, diktatorische Putin-Regime zu repräsentieren?“, wollte die 57-Jährige als erstes von ihrem Gast wissen.

Noch während Ferguson ihre Frage stellte, hörte man Pawlowsky lachen – und Ferguson war sofort zur Stelle. „Finden Sie das lustig?“, wollte sie wissen. „Was ich lustig finde, ist Ihre Art, ein Interview zu beginnen“, entgegnete der Russe. „Das war eine direkte Frage“, erklärte Ferguson. „Ja, zu direkt“, befand Pawlowsky.

Australische Journalistin kontert Putin-Botschafter Alexej Pawlowsky: „Finden Sie das lustig?“

Dann versuchte der Russe prompt die erste Nebelkerze zu zünden: „Lassen Sie mich Ihnen zunächst sagen, dass ich nie Probleme hatte, in meinem Land zu leben. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich autoritär lebe – oder wie nannten Sie das?“ Ferguson wiederholte ihre Bewertung: „Repressiv und diktatorisch“, sei Putins Regime.

„Es ist ein Regime, das in sein Nachbarland eingefallen ist. Es ist ein Regime, in dem Proteste unterdrückt werden, in dem freie Medien mundtot gemacht werden, in dem Andersdenkende ermordet oder inhaftiert werden, in dem das Ausmaß Ihrer Kriegsopfer der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Wie würden Sie diese Staatsform beschreiben, wenn nicht als Diktatur?“

Putin-Botschafter im Interview: Wenn es dem Propagandisten die Sprache verschlägt

Der Russe stammelte kurz, suchte nach den richtigen Worten – und erklärte dann, dass er für derartige Fragen nicht vorbereitet sei. „Ich habe mich auf wesentliche Fragen zu Russlands Politik vorbereitet“, erklärte Pawlowsky. Diese Fragen würden „noch drankommen“, entgegnete Ferguson. Zunächst sei es wichtig, die Zuschauerinnen und Zuschauer zu informieren, „wer Sie sind und wen Sie vertreten“.

Dann konfrontierte die Journalistin ihren Gast mit einer seiner Behauptungen aus der Vergangenheit: Pawlowsky hatte den Australiern attestiert, einer „Gehirnwäsche“ unterzogen worden zu sein, damit sie die Ukraine unterstützen. „Die russische Invasion in der Ukraine war eine kriminelle Handlung, und das russische Militär hat die Menschen in der Ukraine terrorisiert. Verstehen Sie, dass man keiner ‚Gehirnwäsche‘ unterzogen werden muss, um das zu verstehen?“

Russlands Krieg gegen die Ukraine: „Warum tötet ihr sie?“

Das verstand Pawlowsky offensichtlich jedoch nicht. Erneut brauchte Pawlowsky einen Moment, um sich zu sammeln – und brachte dann die US-Invasion im Irak vor 20 Jahren ins Spiel. Auch das ließ Ferguson jedoch nicht durchgehen. „Lassen Sie uns über das sprechen, was seit einem Jahr passiert“, konterte die Moderatorin.

Schließlich brachte die ABC-Journalistin die mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Sprache. „Wie können Sie behaupten, dass dies ein Krieg zur ‚Befreiung‘ der Ukraine ist?“ Mehr als 8000 ukrainische Zivilisten seien durch russische Truppen bisher getötet worden. „Warum tötet ihr sie?“, wollte Ferguson also wissen.

Sarah Ferguson nennt den Krieg einen Krieg: „Sie müssen das nicht jedes Mal wiederholen“

Eine Antwort bekam sie erneut nicht. Der Russe holte tief Luft – und sprach dann ausführlich über mangelnde Faktenchecks bei der Untersuchung von Kriegsverbrechen und nannte den Krieg gegen die Ukraine „Spezialoperation“. Ferguson griff ein: „Es ist ein Krieg.“ Das ließ wiederum Pawlowsky aufbrausen: „Sie müssen das nicht jedes Mal wiederholen“, monierte der Botschafter. „Doch. Ich denke, das muss ich“, erklärte Ferguson.

Pawlowsky reagierte: Die „Tragödie in der Ukraine“ habe begonnen, weil der Westen einen Staatsstreich in Kiew gefördert und eine „ultranationalistische, fremdenfeindliche Regierung“ an die Macht gebracht habe. Auch dafür war Ferguson nicht offen: „Wenn Sie nur russische Propagandamythen von früher wiederholen wollen, sollten wir uns dem nächsten Thema zuwenden.“

In diesem Stil lief das Interview weiter. Für den russischen Botschafter wurden es zwölf lange Minuten – in denen er nahezu bei jeder Frage schlecht aussah.

Viel Lob für resolute Interviewführung von ABC-Journalistin Sarah Ferguson

„Wir können die Ukraine nicht als souveränes Land betrachten, da in souveränen Ländern die Regierung auf die Interessen ihrer Bürger achtet“, erklärte Pawlowsky schließlich. „Das ist nicht die Definition von Souveränität“, warf Ferguson ein. „Es …, es …“, setzte Pawlowsky zur Antwort an – und erklärte dann Souveränität könne nicht bedeuten, „von anderen Ländern geführt zu werden.“ Da war es dann auch Ferguson genug: „Es scheint, dass wir noch einen langen Weg zu einer Lösung vor uns haben“, verabschiedete sie ihren Gast.

Für die resolute Interviewführung gab es in der Folge viel Lob – nicht nur von den australischen Zuschauern. „So sollte die deutsche Presse auch mit den russischen Diplomaten umgehen“, befand ein deutscher Twitter-Nutzer. „Spiegel vor das Gesicht und jede Lüge direkt unterbinden.“  

Auch in der Ukraine fand man Gefallen an Fergusons Interviewführung: „Danke“, kommentierte der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Geraschtschenko, ein Video des Interviews auf Twitter. Ein „absolut brillantes Interview“ habe Ferguson geführt, erklärte derweil der Ständige Vertreter der Ukraine bei den Vereinten Nationen. „Der Botschafter des angeklagten Kriegsverbrechers schien ein masochistisches Vergnügen daran zu haben, sich der unbequemen Wahrheit zu stellen“, befand Serhij Kyslyzja.

KStA abonnieren