Zwei Jahre Krieg in der Ukraine„Ich vermisse meinen Vater, meinen Hund, meine Freunde. Ich vermisse Kiew“

Lesezeit 3 Minuten
Vladimir Revenko beim Training

Vladimir Revenko beim Training in Rodenkirchen.

Vladimir Revenko (15) floh aus Kiew. In Deutschland verfolgt er nun erfolgreich seine Karriere als Tennisspieler - und will trotzdem zurück.

„Es sollte ein ganz gewöhnlicher Tag werden. Ich wachte auf und machte mich fertig, um zur Schule zu gehen, als mein Vater erzählte, dass der Krieg begonnen hat. Einige Tage später, als klar war, dass die Kämpfe nicht bald enden, erhielt ich eine Nachricht von meinem Tennispartner: Er lebt in Rumänien und lud mich und meine Familie ein, zu ihm zu kommen. 

In meiner Familie treiben alle Sport. Mein Großvater spielte früher professionell Fußball, mein Vater und meine zwei älteren Schwestern spielen Tennis, also probierte ich beide Sportarten aus. 2021 gab ich Fußball auf, um professionell Tennis zu spielen. Beim Tennis muss man nicht nur sportlich sein, sondern auch nachdenken - das mag ich. Seit 2021 trainierte ich sieben Mal die Woche, am Wochenende fuhr ich zu Wettkämpfen. 

Vladimir Revenko beim Training

Vladimir Revenko beim Training

Der Rumäne, bei dem wir übernachteten, ist ein guter Freund von dem ehemaligen Tennisprofi Marc-Kevin Goellner. Goellner hat eine eigene Tennis-Akademie in Köln und bot an, mich kostenlos zu trainieren. Als meine Mutter, meine Schwester und ich uns auf den Weg nach Deutschland machten, war ich trotzdem traurig. Denn mein Vater und mein Hund blieben in der Ukraine. 

Es dauerte vier Monate bis ich in Deutschland Freunde fand. Der Fußball hat geholfen, auch beim Tennis habe ich mich mit anderen Spielern angefreundet. Sie halfen mir mit der Sprache und dabei, mich in Köln einzuleben. An den meisten Tagen gehe ich von 7.55 Uhr bis 15 Uhr zur Schule, bis 18.30 Uhr spiele ich Tennis, um 19 Uhr habe ich Nachhilfe, danach habe ich entweder frei oder erledige Hausaufgaben für meine ukrainische Schule.

„In den vergangenen zwei Jahren bin ich deutlich erwachsener geworden“

Von Deutschland aus ist es leichter, an Turnieren teilzunehmen. Der Tennisnachwuchs wird hier zudem viel mehr unterstützt, ich habe zum Beispiel einen Sponsor, der mir die Ausrüstung stellt. In der Ukraine war das praktisch unmöglich, obwohl ich auf Platz zwei in meiner Alterskategorie stand.

In den vergangenen zwei Jahren bin ich deutlich erwachsener geworden. Zuhause übernehme ich viele Aufgaben, die früher mein Papa machte: Ich kann zum Beispiel Motoröl nachfüllen, diese Waschflüssigkeit im Auto wechseln und Reifen aufpumpen. Beim Einkaufen trage ich meiner Mutter die Tüten und ich versuche, ihr bei Bestellungen und Rechnungen zu helfen. 

Mama vermisst ihr Zuhause sehr und möchte unbedingt zurückkehren. Auch wenn der Krieg noch nicht vorbei ist. Meine mittlere Schwester will auch zurück, aber sie versteht, dass sie erst ihr Studium beenden muss. Meine älteste Schwester lebt schon seit fünf Jahren in Deutschland, sie hat hier Freunde gefunden. Für sie ist das Leben hier leichter.

Ich mag die Möglichkeiten, die Deutschland mir bietet. Aber wenn der Krieg vorbei ist, möchte auch ich zurückkehren. Ich vermisse meinen Vater, meinen Hund, meinen Trainer, meine Freunde, auch wenn sie mittlerweile über die ganze Welt verstreut sind. Ich vermisse Kiew.“

KStA abonnieren