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Kommentar

Friedensmanifest
Wie die SPD-Linken Putins Spiel befeuern

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Lesezeit 3 Minuten
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht auf einer Pressekonferenz.

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, sprach in Hinblick auf das Manifest seiner Parteikollegen von „Realitätsverweigerung“.

SPD-Linke fordern Gespräche mit Moskau. Ihr Appell ist perfide. Schließlich ist es Kremlchef Putin, der alle Friedensbemühungen torpediert.

Der Besuch von Verteidigungsminister Boris Pistorius in Kiew sollte ein unmissverständliches Signal senden: Die neue Bundesregierung steht weiter fest an der Seite der Ukraine.

Dabei sind Pistorius kurz vor der Visite just aus seiner eigenen sozialdemokratischen Partei linke Genossen mit ihrem „Manifest“ für eine angebliche Friedenssicherung in den Rücken gefallen – das Papier sieht unter anderem eine Annäherung an Russland vor. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk ordnet die Initiatoren rund um Ralf Stegner und Rolf Mützenich dem „Moskauer Flügel der SPD“ zu und wirft ihnen erneuten Verrat an der Ukraine vor.

„Manifest“ von SPD-Linken zum Ukraine-Krieg: Dabei will Putin den Westen spalten

Das mag ein (zu) hartes Urteil sein, und natürlich muss eine Debatte über Wege zu einem Ende des Krieges möglich bleiben. Dennoch dürfte der russische Präsident Wladimir Putin den Vorstoß mit Freude zur Kenntnis genommen haben. Putin will den Westen spalten – und ist dabei bereits weit gekommen.

Zwischen Europa und die USA hat er längst einen Keil getrieben: Wenn US-Präsident Donald Trump über die Ukraine spricht, klingt das mitunter wie ein Echo aus dem Kreml. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich bislang als standfester Unterstützer der Ukraine profiliert. Umso irritierender ist es, dass ihm nun ausgerechnet Teile des Koalitionspartners in den Rücken fallen.

Pistorius wirft seinen Genossen vor, ihr Papier „verweigert sich der Realität“. Das trifft es auf den Punkt. Das „Manifest“ fordert, „nach dem Schweigen der Waffen wieder ins Gespräch mit Russland zu kommen“. Die Autoren verkennen, dass sich die USA, europäische Staaten wie Deutschland und die Ukraine seit Wochen intensiv wie nie zuvor um eine Waffenruhe bemühen. Putin verweigert sich dem – niemand sonst.

Der Kremlchef bot stattdessen Gespräche an, auf die sich die Ukraine trotz anhaltender Kriegshandlungen einließ. Bei den Treffen in Istanbul wurde dann klar, dass es Putin letztlich um eine Kapitulation der Ukraine geht. Dass der Kremlchef keinen Frieden will, macht er jeden Tag deutlich: Er überzieht die Ukraine mit Kampfdrohnen und Gleitbomben, mit Marschflugkörpern und Raketen – und das ohne jede Rücksicht auf Zivilisten. In Odessa wurde kürzlich eine Entbindungsklinik zum Ziel.

Die Unterstützung der Ukraine in ihren völkerrechtlichen Ansprüchen muss verknüpft werden mit den berechtigten Interessen aller in Europa an Sicherheit und Stabilität.
Auszug aus dem Manifest

Perfide ist auch dieser Satz aus dem „Manifest“: „Die Unterstützung der Ukraine in ihren völkerrechtlichen Ansprüchen muss verknüpft werden mit den berechtigten Interessen aller in Europa an Sicherheit und Stabilität.“ Das erweckt den falschen Anschein, als stünden die beiden Aspekte im Widerspruch zueinander.

Tatsächlich dient der erbitterte Widerstand der Ukrainer gegen Putins Großmachtphantasien genau dieser Sicherheit und Stabilität Europas. Es ist daher in unserem eigenen Interesse, diesen Kampf mit aller Kraft zu unterstützen – damit wir oder andere Europäer ihn in Zukunft nicht womöglich selbst kämpfen müssen.

Ralf Stegner (SPD), Kandidat für Platz drei der Landesliste der SPD Schleswig-Holstein für die Bundestagswahl 2025, spricht bei der Landeswahlkonferenz der SPD Schleswig-Holstein.

Ein Unterzeichner des Manifests: Ralf Stegner (SPD), Kandidat für Platz drei der Landesliste der SPD Schleswig-Holstein für die Bundestagswahl 2025.

Richtig ist daher, dass Pistorius der Ukraine bei seinem Besuch weitere Militärhilfe in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt hat. Trotz fragwürdiger Initiativen wie dem „Manifest“ steht eine Mehrheit in Deutschland hinter diesem Kurs: Im Juni-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen sprachen sich insgesamt 70 Prozent der Befragten für eine gleichbleibende oder sogar stärkere militärische Unterstützung der Ukraine durch europäische Staaten aus.

„Über Waffen kann öffentlich jeder Trottel reden“, sagte Stegner dem Magazin „Cicero“. „Aber die Diplomatie, die hinter verschlossenen Türen stattfindet, das ist die wirkliche Kunst“. Auch Diplomatie ist allerdings keine Kunstform, wenn sie einseitig bleibt. Ohne Gesprächsbereitschaft beider Seiten führt sie ins Leere – oder in Putins Falle. (rnd)