Autor verharmlost „Reichsbürger“„Rückgratlos“ – Sachsens Ministerpräsident nach Auftritt mit Uwe Tellkamp in der Kritik

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Der Autor Uwe Tellkamp (l) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) begrüßen sich bei einer Lesung in der Landesvertretung Sachsens.

Der Autor Uwe Tellkamp (l.) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) begrüßen sich bei einer Lesung in der Landesvertretung Sachsens. Kretschmer muss sich für den gemeinsamen Auftritt nun Kritik gefallen lassen.

Michael Kretschmer besuchte eine Diskussionsrunde mit dem umstrittenen Autor – der nutzte die Gelegenheit, um Umsturzpläne der „Reichsbürger“-Szene zu verharmlosen.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) steht nach einem gemeinsamen Auftritt mit dem umstrittenen Schriftsteller Uwe Tellkamp in der Kritik. Kretschmer hatte am Donnerstagabend an einer Diskussionsrunde mit dem Schriftsteller in Berlin teilgenommen. Tellkamp, der bereits in der Vergangenheit mit extremen Äußerungen für Wirbel gesorgt hatte, nutzt die Gelegenheit, um die Umsturzpläne in der „Reichsbürger“-Szene zu verharmlosen – und grundsätzlich anzuzweifeln. „Woher wissen Sie, dass das so ist?“, fragte der Autor nach einer Lesung aus seinem jüngsten Roman.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Bei den drei anderen geht es um Unterstützung.

Uwe Tellkamp nutzt Auftritt mit Michael Kretschmer für krude Thesen zu „Reichsbürgern“

„Sofort sind alle sich einig: Das kann nur finster sein. Der Abgrund des Terrors. Und alle Härte des Rechtsstaats“, sagte Tellkamp dazu. Im Verlauf der Debatte mit Kretschmer formulierte Tellkamp immer wieder in Frageform. Bei den Ermittlungen gegen die „Reichbürger“-Szene stellten sich „viele Menschen“ die Frage: „Was wollen die uns hier für einen Bären aufbinden?“

Der Autor zog zudem einen Vergleich zu Klimaaktivisten, „die öffentlich die Abschaffung des Staatssystems fordern“. Die würden nicht in vergleichbarer Weise angegangen, sondern würden „gehätschelt“ und in Talkshows eingeladen. Es gebe ein Wohlwollen vieler Medien dieser Bewegung gegenüber. „Und das ist eine Wahrnehmung, die viele Menschen teilen, wo sie sich fragen: Gibt es hier zweierlei Maß im Rechtsstaat? Was ist das Problem?“, fragte Tellkamp.

Auftritt mit Uwe Tellkamp: Michael Kretschmer gibt Kontra – zumindest ein bisschen

Tellkamp nutzte den Auftritt mit Kretschmer auch zur Medienschelte. Wer in Dresden wissen wolle, was los sei, frage etwa Rettungssanitäter, Polizisten, Kriminalisten. „In den Kreisen, in denen ich verkehre“, informiere man sich nicht etwa über Zeitungen. „Und das sind Dinge, die in der DDR schon vorkamen.“

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (l, CDU) und Autor Uwe Tellkamp sitzen bei einer Lesung in der Landesvertretung Sachsens auf der Bühne.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (l, CDU) und Autor Uwe Tellkamp sitzen bei einer Lesung in der Landesvertretung Sachsens auf der Bühne.

Auch die Wissenschaft erscheint dem Schriftsteller nicht ausgewogen. „Zu wissen, was gut ist, das wussten sie in der DDR auch schon. Das ist auch so eine Gemeinsamkeit.“ Dennoch setzte er nicht das jetzige System mit der DDR gleich. „Es gibt aber punktuell wiederkehrende Dinge, die manche Menschen an diese Zeit erinnern.“

Kretschmer widersprach Tellkamp an einigen Stellen. „Rechtsextremismus ist die größte Gefahr, da müssen wir vor allen Dingen dranbleiben“, sagte der Regierungschef etwa. „Das bedeutet nicht, dass man bei den anderen Themen des Extremismus, Linksextremismus oder religiöser Extremismus, schweigen darf oder sich nicht darum kümmern muss. Aber man muss natürlich das Ganze auch in ein gewissen Verhältnis setzen.“

Michael Kretschmer in der Kritik: „Wenn dein Wunsch nach Aufmerksamkeit so groß ist“

Auch die Medien verteidigte der CDU-Politiker. Sie könnten zwar unausgewogen, menschengemacht und defizitär sein, wären aber mit ihrer Qualitätskultur „um ein Vielfaches besser als soziale Netzwerke“.

Dennoch muss sich der CDU-Politiker am Freitag Kritik gefallen lassen. „Wenn dein Wunsch nach Aufmerksamkeit so groß ist, dass du dich zu neurechten Autoren auf die Bühne setzt“, schrieb die Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta (Grüne) in Richtung Kretschmers bei Twitter. „Es gibt Menschen mit Rückgrat. Und die, auf die man besser nicht zählen sollte.“  

Auch der Historiker Jürgen Zimmerer meldete sich zu Wort und warf Kretschmer angesichts bekannter extremer Positionen Tellkamps keine „Brandmauer“ zu halten. „Oder muss die inzwischen links von Kretschmer gebaut werden?“

„Du kannst im Kubitschek Milieu publizieren, du kannst mit dem Kubitschek-Milieu Veranstaltungen machen, du kannst Kubitscheks Talking-points in die Öffentlichkeit tragen und Du kannst nett mit dem CDU-Vize plaudern. Alles Gleichzeitig“, kritisierte unterdessen der Grünen-Politiker Michael Lühmann den gemeinsamen Auftritt mit Tellkamp.

Kritik an Michael Kretschmer: „Uwe Tellkamp ist Teil des bürgerlichen Scharniers ins rechtsextremistische Lager“

Auch viele Journalisten kommentierten den Auftritt kritisch. „Uwe Tellkamp ist Teil des bürgerlichen Scharniers ins rechtsextremistische Lager. Dem sollte man keine Bühne bieten, noch sollte man dabei hilfreich sein“, schrieb RND-Autor Markus Decker.

Auch dass Fotos, die nach der Veranstaltung entstanden, Kretschmer im Gespräch mit der Buchhändlerin Susanne Dagen zeigten, sorgte für Kritik am sächsischen Ministerpräsidenten. Dagen ist dafür bekannt, Positionen der neuen Rechten zu vertreten.

Der 54-jährige Tellkamp war für seinen Erstling „Der Turm“ gefeiert worden, mit einem gleichnamigen Text hatte er 2004 den renommierten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewonnen. Tellkamp ist seit Jahren umstritten wegen als extrem rechts interpretierten Äußerungen. Auch sein neues Buch war wegen solcher Inhalte kritisiert worden. (mit dpa)

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