„Wir sind mittendrin“Friedman: Bundesrepublik hat bei AfD Versprechen „Wehret den Anfängen“ gebrochen

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Aufnahme von Michel Friedman, der ernst in die Kamera blickt. (Archivbild)

Der Rechtsanwalt, Journalist und ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, kritisiert den Umgang mit der AfD.

Publizist Michel Friedman sieht ein Gründungsversprechen der Bundesrepublik Deutschland erschüttert. Viele Juden seien bitter enttäuscht.

Der Publizist Michel Friedman sieht angesichts des Erstarkens der AfD und zunehmend antisemitischer Tendenzen in der Gesellschaft ein Gründungsversprechen der Bundesrepublik Deutschland erschüttert.

Die deutsche Politik und Gesellschaft hätten das Versprechen „Wehret den Anfängen“ nicht eingehalten, sagte Friedman der „Augsburger Allgemeinen“ vom Montag. Insbesondere im jüdischen Teil der Bevölkerung gebe es darüber bittere Enttäuschung.

Michel Friedman: Die Bundesrepublik hat der jüdischen Gemeinschaft versprochen: Nie wieder!

„Die Bundesrepublik hat der jüdischen Gemeinschaft versprochen: Nie wieder! Versprochen, gebrochen“, sagte Friedman. „Sie hat gesagt: Wehret den Anfängen! Wir sind aber mittendrin. Versprochen, gebrochen“, mahnte er. „Wir sind sogar nicht nur mittendrin, sondern weit darüber hinaus“, fügte er hinzu.

„Wir leben in einer Situation, in der die Partei des Hasses, des Antidemokratischen, des Antisemitischen und des Rassismus in alle Parlamente der Bundesrepublik gewählt und teilweise wiedergewählt wurde“, kritisierte Friedman.

Michel Friedman sieht AfD als systemisches Thema

Die AfD sei keine Eintagsfliege, sondern ein systemisches Thema und liege in den Umfragen für die anstehenden Landtagswahlen weiter bei über 30 Prozent, sagte Friedman. „Die Enttäuschung ist also, dass in Sonntagsreden seit Jahrzehnten Versprechen gemacht werden, aber von Montag bis Samstag nichts von einer Umsetzung zu sehen ist“, rügte der Publizist.

„Das betrifft die jüdische Gemeinschaft und jüdische Menschen, letztlich aber alle Menschen in diesem Land. Seien es schwarze Menschen, solche mit anderer sexueller Orientierung, Sinti oder Roma oder Muslime - es handelt sich immer um Menschen.“

AfD-Wähler seien nicht lediglich Protestwähler

Friedman wandte sich dagegen, Verständnis für das Verhalten von Anhängern der AfD zu zeigen und sie ledigliglich als Protestwähler einzustufen. „Wer bei der AfD sein Kreuz macht, weiß, dass er mit seiner Stimme der Partei des Hasses und des Antidemokratischen politische Macht gibt. Allein dafür habe ich sie verantwortlich zu machen“, mahnte er.

Friedman warf der deutschen Gesellschaft zudem mangelnde Solidarität gegenüber Israel nach den Hamas-Massakern vom 7. Oktober 2023 vor. Es habe keine spontane Reaktion der Solidarität gegeben „wie bei 9/11, wie bei dem Anschlag auf Charlie Hebdo, wo die französische Flagge am Brandenburger Tor aufgerichtet wurde, wo - völlig zu Recht - Tausende zusammenkamen oder - völlig zu Recht - wie bei den mutigen Frauen im Iran“, kritisierte der Publizist. „Anscheinend hat dieser empathische Moment bei Juden nicht funktioniert“.

Dieser Mangel an Solidarität sei vor allem für die jüngere Generation der Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Schock gewesen. (afp)

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