„Werde Putin treffen“Was, wenn das Überleben der Ukraine von Donald Trump abhängt?

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Donald Trump will noch einmal Präsident der USA werden. Ein erneuter Wahlsieg hätte weitreichende Folgen.

Donald Trump will noch einmal Präsident der USA werden. Ein erneuter Wahlsieg hätte weitreichende Folgen.

Wenn Donald Trump die USA-Wahl gewinnen sollte, könnte er Kiew einfach fallen lassen. Er ist aber nicht der einzige Unsicherheitsfaktor.

Kein Land unterstützt die Ukraine so sehr wie die USA: Die US-Hilfen belaufen sich inzwischen auf umgerechnet mehr als 71 Milliarden Euro, davon entfallen mehr als 40 Milliarden Euro auf Kriegsgerät. Fast wöchentlich kündigen die USA neue Militärhilfen für die Ukraine an, doch wie lange noch? Im kommenden Jahr finden in den USA Präsidentschaftswahlen statt, deren Ausgang auch über die Zukunft der Ukraine entscheiden könnte.

Schon jetzt gibt es erste Anzeichen in den USA, dass die öffentliche Unterstützung für die Ukraine dort nachlässt, sagt Andrea Kendall-Taylor vom Center for a New American Security bei einer Diskussion des US-Thinktanks Atlantic Council. „Je länger der Krieg dauert, desto größer ist die Gefahr, dass die westliche Unterstützung für die Ukraine nachlässt.“

Während US-Präsident Joe Biden immer wieder bekräftigt hatte, dass die USA an der Seite der Ukraine stehen, „as long as it takes“, könnte sich dies bei einem Präsidentenwechsel ändern. Sollten die Republikaner ins Weiße Haus einziehen, steht die Ukraine vor einem Problem. Donald Trump hat bereits angekündigt, dass er als Präsident den Krieg schnell beenden werde.

Beim US-Fernsehsender CNN sagte er in einem Interview: „Ich werde mich mit Putin treffen, ich werde mich mit Selenskyj treffen, beide haben Stärken und beide haben Schwächen, und in 24 Stunden wird es erledigt sein.“ Auf die Frage, wie er das anstellen wolle, antwortete Trump ausweichend und sagte stattdessen: „Ich will, dass Europa mehr Geld zur Verfügung stellt.“

„Wenn Trump wieder Präsident wird...“

Ein „schnelles Ende des Krieges“ und „Europa soll zahlen“ – dies sind Worte, die bei der republikanischen Wählerschaft gut ankommen. Zwar steht die Mehrheit der US-Bevölkerung hinter der Ukraine und der Hilfe. „Bei den republikanischen Wählern ist die Skepsis jedoch groß, ob die Unterstützung in diesem Umfang fortgesetzt werden sollte und welchen Anteil die Europäer daran tragen sollten“, so Liana Fix vom Council on Foreign Relations (CFR) in Washington. „Wenn Trump wieder Präsident wird, werden wir sehr schnell sehr radikale Entscheidungen sehen“, sagt die Expertin im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

In seiner zweiten Amtszeit werde Trump ihrer Einschätzung nach wohl radikaler handeln als bisher, „sowohl was die Rolle der USA in der Nato als auch die Unterstützung für die Ukraine betrifft“. Konkret bedeutet das einen deutlichen Rückgang der Militärhilfen für Kiew. „Doch es dürfte selbst für Trump sehr schwierig werden, die Unterstützung so weit zu reduzieren, dass sich die Ukraine nicht einmal mehr verteidigen kann.“ Unter Trump als Präsident werde die Ukraine aber keine Gegenoffensive mehr führen können, wie sie es jetzt tue.

„Es wäre für die Republikaner schwer zu ertragen, wenn Russland wieder auf dem Vormarsch wäre, von der Ukraine befreite Gebiete wieder einnehmen könnte und im schlimmsten Fall erneut einen Angriff auf Kiew wagen würde“, sagt Fix.

Einer aktuellen Umfrage zufolge sind 55 Prozent der US-Amerikaner der Meinung, die USA sollten sich weniger um Krisen im Ausland kümmern und sich stattdessen auf die Probleme im eigenen Land konzentrieren. Vor Beginn des Krieges forderten nur 50 Prozent der Befragten eine größere Fokussierung auf das eigene Land. Besonders hoch ist der Anteil bei den Republikanern (71 Prozent, vor dem Krieg: 65 Prozent).

Trump nicht der einzige Unsicherheitsfaktor

Im Mai veröffentlichten außenpolitische Experten und Aktivisten Anzeigen in der „New York Times“ und „The Hill“, in denen sie die US-Regierung aufforderten, sich für den Frieden einzusetzen. Auch religiöse Führer, die US-Bürgermeisterkonferenz und US-Aktivisten hatten sich mit Forderungen nach Verhandlungen zu Wort gemeldet. „Noch gibt es in den USA keine Mehrheit, die von der Ukraine Friedensverhandlungen fordert“, stellt Expertin Fix jedoch klar. Es gebe zwar laute Stimmen, aber diese hätten keine Mehrheit oder gar Einfluss auf die US-Politik. „Es herrscht die Meinung vor, dass es keinen Frieden zu russischen Bedingungen geben kann und dass ein solcher Frieden eine Kapitulation der Ukraine bedeuten würde.“

Donald Trump ist jedoch nicht der einzige Republikaner, der ins Rennen um das Präsidentenamt geht und eine Fortsetzung der bisherigen Ukraine-Hilfen infrage stellt. Ron DeSantis, Gouverneur von Florida und ebenfalls ein Favorit für die Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern, sagte im Wahlkampf bereits: Der Ukraine gegen Putin zu helfen sei kein „zentrales nationales Interesse“. Die USA sollten sich zurückhalten, um nicht in einen Stellvertreterkrieg mit China verwickelt zu werden. Überhaupt sei es aus seiner Sicht unwahrscheinlich, dass Russland in Nato-Länder einmarschiert. Viel wichtiger sei es für die USA, die eigenen Grenzen zu schützen.

Aber unter Trump als Präsident wird die Ukraine keine Gegenoffensive mehr führen können, wie sie es jetzt tut.
Liana Fix, Council on Foreign Relations (CFR) in Washington

Ohne die USA würde der Ukraine der wichtigste Partner fehlen und über kurz oder lang auch das nötige Kriegsgerät. Während Trump die Militärhilfe für die Ukraine schnell und radikal kürzen dürfte, geht Fix davon aus, dass die anderen Kandidaten ihre kritischen Positionen nicht in den ersten Tagen umsetzen werden. „Die Ukraine muss nicht befürchten, von heute auf morgen keine Unterstützung mehr zu bekommen“, erklärt sie. Vielmehr müsse Kiew über einen längeren Zeitraum mit weniger Militärhilfe planen und damit rechnen, dass der Druck für Friedensverhandlungen steige.

Die Debatte darüber, wie stark sich die USA in der Ukraine engagieren sollen und wie viel Last Washington in Europa zukünftig noch tragen kann, wenn es gleichzeitig doch China als die größere Herausforderung sieht, wird in den kommenden Monaten auch den US-Wahlkampf beschäftigen. Letztlich geht es dabei um nicht weniger als das Überleben der Ukraine.

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