Ein alter Mann steht im Supermarkt vor dem Eierregal und greift nach einer Packung Eiern aus Bodenhaltung. Eine junge Frau spricht ihn in missionarischer Absicht an und fragt ihn, ob er nicht lieber auf Eier aus Biohaltung umsteigen möchte. Der Mann antwortet verwirrt: „Warum? Ich esse die doch nicht mit Schale.“ So geschehen in einem Kölner Supermarkt.
Abgesehen davon, dass Eier natürlich nicht wie Obst gespritzt werden, hat der Mann Recht: Für unsere Gesundheit ist es ziemlich egal, welche Eier wir wählen. Bei einem Vergleich von Eiern aus konventioneller und aus Bio-Haltung konnte die Bundesforschungsanstalt im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums im Jahre 2003 jedenfalls keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Und während des Dioxin-Skandals wurden auch Bio-Eier gefunden, bei denen die Konzentration des Giftstoffes erhöht war. Für den Verbraucher macht es also vor allem finanziell einen Unterschied, wenn er zum Ei aus Bodenhaltung greift – es ist preiswerter als die Bio-Version.
300 Millionen Küken pro Jahr vernichtet
Anders sieht es aus für das Huhn, das das Ei gelegt hat. Auch wenn die Käfighaltung seit 2010 in Deutschland verboten ist, bringt das Geschäft mit den Eiern für die Hühner viel Leid mit sich: Pro Jahr werden 300 Millionen männliche Küken in Europa geschreddert, weil sie nicht gebraucht werden. Auch die eierlegenden Weibchen leben nicht lange: Obwohl ein Huhn sieben bis acht Jahre alt werden kann, werden die Hennen nach rund 1,5 Jahren geschlachtet, weil sie dann nicht mehr so produktiv sind.
01 – Schleswig-Holstein02 – Hamburg03 – Niedersachsen04 – Bremen05 – Nordrhein-Westfalen06 – Hessen07 – Rheinland-Pfalz08 – Baden-Württemberg09 – Bayern10 – Saarland11 – Berlin12 – Brandenburg13 – Mecklenburg-Vorpommern14 – Sachsen15 – Sachsen-Anhalt16 – Thüringen
Auf der Internetseite des „Vereins für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen“ oder bei der entsprechenden App „Eiercode“ kann man die Ziffern eingeben und erfährt, von welchem Hof es stammt – sofern der Betrieb freiwillig am Erkennungssystem teilnimmt; es gibt keine Pflicht, die zum Betrieb gehörige Nummer öffentlich zu machen.www.was-steht-auf-dem-ei.de
Bei Hühnern aus Bodenhaltung kommt hinzu, dass sie häufig niemals das Tageslicht sehen. „Es gibt im Bereich der Bodenhaltung Ställe, in denen die Fenster und die Lampen rot angestrichen werden, damit die Tiere das Blut von ihren Nachbarn nicht sehen, die bepickt werden“, berichtet der Schweizer Agrar-Ingenieur und Geflügel-Experte Willy Baumann, der auch in Deutschland Bauern beim Stallbau berät. Geraten Hühner unter Stress, beginnen sie, sich gegenseitig zu bepicken. „Im konventionellen Bereich werden sie deshalb oft noch kupiert, das heißt, ihnen werden die Schnäbel abgebrannt.“ Baumann hat die Richtlinien des Anbauverbandes Demeter mitentwickelt, der eben solche Bedingungen verhindern will. Der Verband strebt die Verwendung von Zweinutzungsrassen an. Diese sind genetisch darauf ausgelegt, mehr Fleisch anzusetzen. Die männlichen Küken eignen sich deshalb für die Mast – ihr Leben verlängert sich so um etwa 22 Wochen. Die Eierproduktion wird dadurch teurer, weil die Tiere mehr Futter brauchen und die Hennen weniger Eier legen.
Regional ist nicht immer optimal
Insgesamt produzieren in Deutschland etwa 36,6 Millionen Legehennen rund 10,6 Milliarden Eier. „Mit einem Idyll von 50 Hühnern, die auf einer Wiese picken, kann ein Hof nicht überleben“, sagt Willy Baumann. „Das schaffen eigentlich nur die großen Betriebe.“ Einer artgerechten Tierhaltung kommt die ökologische Geflügelwirtschaft am nächsten. Dennoch gibt es auch unter Bio-Bauern Skandale, wie sich Anfang des Jahres gezeigt hat: Bauern aller Haltungsformen hatten mehr Hühner gehalten, als die Richtlinien es erlaubten, darunter auch Bio-Bauern. Das aber seien Einzelfälle, betont Christiane Kunzel, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale NRW. „Es gibt kaum ein anderes Lebensmittel, bei dem wir so genau nachvollziehen können, wo es herkommt.“
Am besten vom Hof kaufen
Geflügelexperte Willy Baumann rät: „Wer sicher gehen will, dass seine Eier wirklich aus korrekter ökologischer Haltung stammen, sollte sie direkt von Höfen in der Umgebung beziehen, am besten von Familienbetrieben, die mit ihrem Namen dahinterstehen.“ Problematischer ist es bei konventionellen, verarbeiteten Lebensmitteln wie etwa Nudeln. „Da erkennt man selten, wo die darin enthaltenen Eier herkommen“, sagt Christiane Kunzel. Auch unter ihnen gibt es jedoch Produkte, die laut Packungsangabe Eier aus Freilandhaltung enthalten.
EU-Verordnung sind zu lasch
Ein großes Problem sieht Baumann darin, dass sich kaum ein Hof über die Mindeststandards hinaus bemühe. „Die meisten Bauern halten die Standards der jeweiligen Richtlinie für das Optimum. Das sind sie aber nicht.“ Er fordert deshalb, die Standards in Deutschland anzuheben. Der schweizerische Bio-Dachverband Bio Suisse erlaubt nicht mehr als 2000 Hennen unter einem Dach und maximal 4,4 Tiere pro Quadratmeter. „Gemäß EU-Verordnung und Richtlinien einiger Anbauverbände können mehr als 20000 Biohennen je Stallgebäude gehalten werden – erst die technische Machbarkeit setzt die Grenzen“, sagt Baumann. Aus welchem Land und Bundesland ein Ei kommt und wie das Huhn untergebracht war, kann der Verbraucher eindeutig an der Kennzeichnung auf der Schale erkennen, die seit 2004 vorgeschrieben ist.
Supermarkt und Discounter Bio-Eier
„Die Wahrscheinlichkeit, ein Bio-Ei aus der Region zu bekommen, ist sicherlich im Bioladen größer als beim Discounter“, sagt Verbraucherschützerin Christiane Kunzel. Wir haben Eier aus dem Biomarkt und Bio-Eier vom Discounter miteinander verglichen. In unserem Fall kommen weder das Supermarkt-Ei noch das aus dem Bioladen aus Nordrhein-Westfalen. Während das Supermarkt-Ei von einem Hof in Sachsen-Anhalt stammt, steht auf dem Bioladen-Ei zwar, es komme von den „Höfen Alpermühle“, und zumindest der Hof Alpermühle liegt im bergischen Nümbrecht. Die Kennziffer 03 verrät jedoch, dass das Ei aus Niedersachsen stammt. Andreas Klose vom Hof Alpermühle hat dafür eine Erklärung: „Von 100 gelegten Eiern, die in NRW verkauft werden, stammen nur 26 aus NRW“, sagt er. In Köln liege der Anteil sogar weit darunter. Das bedeutet: Es gibt in der Umgebung – anders als in anderen Gegenden – nicht genügend Höfe, um den Bedarf zu decken. Die „Höfe Alpermühle“ sind eine Erzeugergemeinschaft von sechs Höfen, auch außerhalb von NRW.
Regionalität ist nicht alles
Regionalität ist ohnehin nicht alles, warnt die Stiftung Warentest. Bei einem Test regionaler Lebensmittel im Juni hat die Zeitschrift im Bezug auf Eier festgestellt: Auch wenn auf der Packung mit der Herkunft vom Bauern in der Nähe geworben werde, stehe oft Massentierhaltung dahinter. Man dürfe Regionalität also nicht mit guter Haltung gleichsetzen. Gute Haltungsbedingungen garantierten nur Eier mit Biosiegel. Den Unterschied unter diesen machen Kunzel zufolge vor allem die Siegel der Anbauverbände wie etwa Demeter oder Bioland, die für hohe Tierschutzrichtlinien stehen.
Ein überraschendes Ergebnis des Oster-Eier-Marktchecks der Verbraucherzentrale: „Während der Einzelhandel Eier aus Käfighaltung fast vollständig aus dem Sortiment genommen hat, findet man sie auf dem Wochenmarkt noch sehr häufig“, berichtet Kunzel. Die Kleingruppenhaltung wurde als Alternative zur seit 2010 verbotenen Käfighaltung eingeführt. „Das ist nichts anderes als eine moderne Käfighaltung und stellt kaum eine Verbesserung dar.“ Ein völliges Verbot der Kleingruppenhaltung wird jedoch schon länger politisch diskutiert.