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Konflikte lösenGewalt: Was können Männer tun, um nicht Täter zu werden?

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Kurze Zündschnur? Wer seine Aggression schlecht kontrollieren kann, sollte sich Hilfe holen – bevor sie in Gewalt umschlägt.

Kurze Zündschnur? Wer seine Aggression schlecht kontrollieren kann, sollte sich Hilfe holen – bevor sie in Gewalt umschlägt.

Nicht nur Frauen gegenüber: Männer, die ihre Aggressionen nicht kontrollieren können, finden in Deutschland spezielle Beratungsangebote. Ein Experte erklärt, wo und wie es Hilfe gibt.

Wer schreit, hat unrecht. Schlagen ist Schwäche. Das sind Sätze, die jede und jeder mal gehört hat. Und doch sind Aggression und Gewalt für viele Menschen etwas, das sie regelmäßig erleben, als Opfer und als Täter.

„Geschlechtsspezifische Gewalt ist alltäglich, sie durchdringt unsere Gesellschaft und findet im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz und im Privaten durch alle Bevölkerungsschichten hindurch statt“, heißt es vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). 

Laut Lagebericht des Bundeskriminalsamts waren 2024 mehr als 171.000 Frauen von Gewalt in der Partnerschaft betroffen, alle vier Minuten erlebt eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Expartner. „Die BKA-Statistik bildet lediglich das Hellfeld ab. Aus der Dunkelfeldforschung ist bekannt, dass der überwiegende Teil der Gewaltvorfälle nicht zur Anzeige gebracht wird und somit nicht in der Statistik erfasst wird“, so Sebastian Ulmer von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt.

Was kann man konkret als Mann tun, um das zu vermeiden? Antworten auf die wichtigsten Fragen von Klaus Schwerma, Fachreferent und stellvertretender Geschäftsführer im Bundesforum Männer, und Sebastian Ulmer.

Wohin können sich Männer wenden, die ein Aggressions- und Gewaltproblem haben?

Männer, die merken, dass sie ihre Aggressionen nicht mehr kontrollieren können oder bereits gewalttätig geworden sind, sollten sich frühzeitig Unterstützung holen. In Deutschland gibt es einige, wenn auch laut Schwerma noch nicht genügend spezialisierte Angebote, darunter:

  1. Beratungsstellen der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt: https://www.bag-taeterarbeit.de/beratungsstellen/. Die Einrichtungen arbeiten mit selbstmeldenden Personen, aber auch mit Männern, die von einem Gericht zur Teilnahme an einem Programm gewiesen wurden, so Ulmer. In langfristig ausgerichteten Täterprogrammen lernen Männer, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen, Empathie für die betroffenen Personen zu entwickeln und Konflikte gewaltfrei zu lösen. Im Dachverband der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. sind aktuell 84 Täterarbeitseinrichtungen mit 116 Beratungsstandorten vertreten, allerdings gibt es bisher kein flächendeckendes Angebot an Täterarbeit. Gerade im ländlichen Raum bestünden noch weiße Flecken.
  2. SKM Bundesverband mit der digitalen Anlaufstelle „echte männer reden“: https://www.echte-maenner-reden.de/
  3. man-o-mann Männerberatung: https://man-o-mann.de/

Weitere wohnortnahe Beratungsstellen finden Männer im Portal männerberatungsnetz.de, das vom Bundesforum Männer betrieben wird: https://maennerberatungsnetz.de/

Was, wenn Männer Täter und Opfer zugleich sind – gibt es auch da Hilfe?

Viele Männer erleben sowohl eigene Gewalterfahrungen als auch Situationen, in denen sie selbst gewalttätig werden. Beratungsstellen kennen diese Doppelrolle und beziehen sie in ihre Arbeit ein – ohne die Verantwortung für eigenes Verhalten abzuschwächen, so Klaus Schwerma.

Für Männer, die selbst Opfer von Gewalt sind, gibt es zusätzliche spezialisierte Hilfen. Die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz informiert über Männerschutzwohnungen und weitere Unterstützungsangebote: https://maennergewaltschutz.de/

Hilfreich ist außerdem das Hilfetelefon „Gewalt gegen Männer“, das vertraulich und montags bis freitags erreichbar ist: https://www.maennerhilfetelefon.de/

Männer können gleichzeitig Schutz erhalten und an ihrem Verhalten arbeiten – beides schließt sich nicht aus.

Müssen Männer automatisch mit Strafverfolgung rechnen, wenn sie schon gewalttätig geworden sind?

Ob strafrechtliche Konsequenzen drohen, hängt vom Einzelfall ab, so Klaus Schwerma. Gewalt ist grundsätzlich strafbar, und Betroffene oder Dritte können Anzeige erstatten. Der Gang in eine Beratungsstelle führt jedoch nicht automatisch zu einer Strafverfolgung, denn die Fachkräfte unterliegen der Schweigepflicht. Nur wenn eine akute Gefährdung besteht, müssen Behörden informiert werden.

Wenn es schon ein Verfahren gibt, kann man einem Täterprogramm zugewiesen werden, so Sebastian Ulmer: 

 • Nach 153a Abs. 1 Satz Ziff. 6 StPO kann ein Verfahren mit der Auflage (vorläufig) eingestellt werden, dass der Beschuldigte am Täterprogramm teilnimmt.

• Bei einer Verwarnung nach § 59 StGB, bei der die Verurteilung zu einer Geldstrafe vorbehalten wird, kann nach § 59a Abs. 2 Ziff. 5 StGB die Weisung erteilt werden, an einem Täterprogramm teilzunehmen.

• Bei der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nach § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird, kann nach § 56c StGB ebenfalls die Weisung erteilt werden, am Täterprogramm teilzunehmen.

Wie sind die Chancen, dass Männer ihr Gewaltproblem nachhaltig in den Griff bekommen?

Klaus Schwerma: Die Chancen stehen gut, wenn Männer bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich auf einen Veränderungsprozess einzulassen. Professionelle Programme zeigen, dass sich gewalttätiges Verhalten deutlich reduzieren oder beenden lässt. Veränderung braucht Zeit, Selbstreflexion und neue Konfliktstrategien – aber sie ist möglich.

Sebastian Ulmer: Gewalttätiges Verhalten ist erlernt und eine aktive Entscheidung. Das heißt, das Verhalten kann auch geändert und gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien erlernt werden. Täterarbeit ist daher ein wirkungsvolles Instrument, um Gewalt nachhaltig zu beenden und Betroffenen wie Ausübenden ein gewaltfreies Leben zu ermöglichen. Entscheidend dafür ist allerdings, dass die Täterarbeit nicht beliebig stattfindet, sondern an von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt wird. (dpa)