Corona-SchutzSollten Eltern ihr Kind bei der Impfung mitentscheiden lassen?

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Ob ein junger Mensch gegen Corona geimpft wird, sollten nicht unbedingt nur die Erwachsenen entscheiden.

Viersen/Berlin  – Auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren sollen sich ab Anfang Juni gegen Covid-19 impfen lassen können. Wenn sie es wollen oder ihre Eltern. Aber wer entscheidet das und sollten Väter und Mütter die Kinder bei der Abwägung einbeziehen?

„Die Frage kann ich nicht mit Ja oder Nein beantworten“, sagt Ingo Spitczok von Brisinski, Experte vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP). Juristisch gesehen sei bei medizinischen Maßnahmen die Einwilligungsfähigkeit des Kindes zu beachten. „Im Kern also die Frage, ob es die Vor- und Nachteile einer medizinischen Entscheidung abwägen kann“, sagt der Fachbereichsarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LVR-Klinik Viersen. „Man geht davon aus, dass dies in der Regel ab einem Alter von 14 Jahren gegeben ist.“ Bei einer geistigen Behinderung oder manchen psychischen Erkrankungen könne das auch später sein. Manchmal seien aber auch jüngere Kinder schon psychosozial so weit, dass die Einwilligungsfähigkeit vor dem 14. Lebensjahr vorliege. Ob ein Kind schon reif genug dafür ist, muss im Zweifel der Arzt oder die Ärztin entscheiden.

Alle haben Mühe, das Impf-Thema einzuschätzen

Soweit also der grobe rechtliche Rahmen. Doch der allein sollte in dem Fall nicht betrachtet werden. „Die Corona-Impfung ist ohnehin ein kompliziertes Thema - viel komplizierter als eine normale Masern- oder Polioimpfung zum Beispiel. Schon Erwachsene haben hier viel größere Mühe mit der Beurteilung und Einschätzung“, sagt Ingo Spitczok von Brisinski. Deswegen sollten Eltern berücksichtigen, dass Kinder und Jugendliche, auch wenn sie schon die Einwilligungsfähigkeit haben, sich vielleicht noch schwerer mit dem Thema tun als Erwachsene. „Es ist aus meiner Sicht also keine gute Idee, die Impfung einzig und allein von der Einstellung des Kindes abhängig zu machen.“

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Aber gehört werden sollte der Nachwuchs. „Kommunikation ist alles“, sagt der Berliner Kinderarzt Jakob Maske. „Man sollte das mit den Kindern besprechen, was man da tut und wieso.“ Natürlich sollten sie bei der Entscheidung einbezogen werden, sagt Maske. „Und natürlich können Kinder auch mitunter allein entscheiden. Wenn ein Jugendlicher deutlich macht, dass er sich mit dem Thema beschäftigt hat und die Zusammenhänge versteht, kann er selbst einwilligen.“

Mit der Tatsache, dass man ab 14 Jahren strafmündig sei, biete der Gesetzgeber hier schon eine grobe Orientierung, sagt Maske. „Doch am Ende müssen die Ärzte das verantworten. Wenn ein 15-Jähriger nicht den Eindruck macht, dass er die Entscheidung gut abwägen kann, muss man eben doch die Eltern fragen.“

Kinder dürfen nicht gezwungen werden

Mit Blick auf Nutzen und Risiko der Impfung ist die Abwägung bei Kindern und Jugendlichen sehr individuell. Haben sie Vorerkrankungen, die einen schweren Verlauf im Falle einer Corona-Infektion wahrscheinlicher machen? Gibt es gefährdete Verwandte, die durch eine Impfung des Kindes vor einer möglichen Ansteckung geschützt würden? Eine generelle Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt es für Kinder und Jugendliche jedenfalls nicht. Kinder- und Jugendpsychiater Spitczok von Brisinski rät: „Man sollte das Kind hören zu dem Thema, aber sich selbst auch eine Meinung gebildet haben und versuchen, das Kind zu überzeugen. Etwa, wenn es nicht für die Impfung ist.“ Wenn das einwilligungsfähige Kind dann weiterhin widerspreche und die Impfung nicht wolle, könne man den Eltern jedenfalls nicht raten, es dazu zu zwingen.

Wenn Eltern und Kind sich streiten, muss ein Arzt entscheiden

Viel hängt an der Überzeugung der Eltern, sagt der Fachmann. „Wenn Vater und Mutter eine Sprache sprechen ist es zum Beispiel besser, als wenn der Vater dafür ist und die Mutter Zweifel hat.“ Er empfiehlt, in einer ruhigen Minute miteinander zu reden und nicht in einer Konfliktsituation. Dann könnte es passieren, dass der jugendliche Nachwuchs die Impfung einfach aus Trotz heraus ablehnt, also in Folge einer pubertären Gegenreaktion.

Und was ist, wenn es die Eltern nicht wollen, das Kind aber schon? „Letztendlich müsste dann ein externer Experte, also eine Ärztin oder ein Arzt, feststellen, ob die Einwilligungsfähigkeit beim Kind vorhanden ist“, sagt Spitczok von Brisinski. Falls die Antwort Ja lautet, kann das Kind dann eben sagen: Ich möchte die Impfung, auch wenn die Eltern dagegen sind. „Das ist aber absolut nicht der Idealfall und tatsächlich eine Rarität“, sagt Kinderarzt Maske. Besser sei immer, wenn man die Entscheidung im Trio - Eltern, Arzt und Kind – gemeinsam treffe.

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