Während die Sauna in Finnland fest zum Alltag gehört, ist ihr Besuch in Deutschland meist etwas Besonderes – und wird mitunter sogar groß inszeniert. Unser Experte Alexander Lembke erklärt, was deutsche Saunen falsch machen.
Finnische Sauna„Löyly“ ist mehr als Aufguss – ein Experte klärt auf

So bitte nicht: In Finnland wäre es undenkbar, nicht oberhalb der heißen Saunasteine zu sitzen. Auch eingewickelt in Handtücher ist im Heimatland der Sauna niemand. . RND
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Die finnische Saunakultur ist etwas ganz Besonderes: Seit fünf Jahren zählt die Unesco sie zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Mit den Aufguss-Shows, wie sie viele Deutsche aus hiesigen Wellness-Welten kennen, hat sie aber rein gar nichts zu tun, sagt Alexander Lembke. Der 49-jährige Deutsche, der aus Wernigerode im Harz stammt, arbeitet als Heizer in der ältesten öffentlichen Sauna Finnlands, der „Rajaportin-Sauna“ in Tampere. Für seine Verdienste zum Erhalt der originalen Saunakultur wurde Lembke im Jahr 2024 als erstem Nicht-Finnen von der Gilde der Saunameister der Ehrentitel „nationaler Saunameister“ verliehen.
Herr Lembke, jetzt im Winter sehnen sich viele Deutsche nach einem Saunabesuch, während man bei Ihnen in Finnland das ganze Jahr über saunieren geht. Warum sind die Finnen so verrückt nach Sauna?
Für die Menschen hier gehört die Sauna ganz einfach zu ihrem Alltag dazu. Es gibt eine sehr, sehr lange Tradition, in die Sauna zu gehen, und das spiegelt sich auch in der Kultur des Landes: Es gibt Volkslieder und Gedichte über die Sauna, selbst im finnischen Nationalepos, im Kalevala, kommt sie vor. Früher wurden Menschen in der Sauna geboren, die Toten wurden in der Sauna gewaschen, aufgebahrt und verabschiedet. Da die Menschen hier in Finnland viel mehr mit den Jahreszeiten leben, hat jeder Feiertag – Weihnachten, Mittsommer und so weiter – seine eigene Saunatradition. Von Familie zu Familie variieren sie, aber wichtig ist die Sauna für alle Finnen das ganze Jahr hindurch. Ich selbst gehe jeden Tag in die Sauna. Jetzt im Winter wäre meine Kombination: erst Skifahren, dann Sauna und im Anschluss Eisbaden. Doch Spaß macht das auch im Sommer! Tatsächlich kann man mit der Hitze viel besser umgehen, wenn man in die Sauna geht. Hier in Tampere haben wir eine große Auswahl, in der Region gibt es rund 70 öffentliche Saunen. Eine solche Saunakultur wie hier gibt es Deutschland natürlich nicht.
Sie kritisieren, dass Saunen in Deutschland meist eine große Inszenierung sind – effektvolle Aufguss-Shows, aber kein bisschen „Löyly“. Was genau hat es denn mit diesem „Löyly“ auf sich?
In 143 Sprachen kennt man das finnische Wort Sauna. Eigentlich hat man überall auf der Welt eine grobe Idee davon, dass mit Sauna ein heißer Raum gemeint ist, in dem man schwitzt und dass das dann gut für die Gesundheit ist. Das Wort Löyly kennt man außerhalb Finnlands im Gegensatz zum Wort Sauna hingegen kaum. Beides gehört jedoch zusammen. Vermutlich liegt das daran, dass sich viel schwerer fassen lässt, was mit Löyly gemeint ist.
Das Wort hat viele Bedeutungen und lässt sich nicht übersetzen. Zum einen ist Löyly der Wasserdampf, der entsteht, wenn Wasser auf die Steine gegossen wird. Das Wort bezeichnet aber auch den Geist der Sauna. Im finnischen Volksglauben hält dieser Geist alle Menschen am Leben. Wenn Löyly den Menschen verlässt, dann ist er tot. Dann schlägt sein Herz nicht mehr, und dann atmet er nicht mehr. Auch eine Sauna muss atmen können. In den meisten deutschen Saunen gibt es kein Löyly, sie atmen nicht. Und dann kannst auch du als derjenige, der in der Sauna sitzt, nicht richtig atmen.
Liegt das daran, dass Saunen in Deutschland falsch gebaut sind?
Wenn man in einer deutschen Sauna auf der untersten Ebene sitzt, hat man die Steine oft auf Kopfhöhe. Dann hast du kalte Füße und einen heißen Kopf. Oft ist das ein Temperaturunterschied von 25 Grad und mehr. Das macht gar keinen Sinn, aber trotzdem sind deutsche Saunen meist genauso gebaut. Und sie sind viel zu hoch konstruiert: Wenn man unten sitzt, hat man noch zwei, drei, vier Meter Luft über dem Kopf. Hier verschwendet man sehr viel Energie. Um die Sauna noch halbwegs energieeffizient zu machen, findet einfach gar kein Luftaustausch statt. Die Sauna ist ein abgeschlossener Raum. In dem sammelt sich das CO₂, was dazu führt, dass man Beklemmungsgefühle bekommt, Herzrate und Puls steigen an. Man wird müde und fängt an zu gähnen, man kann sich nicht mehr richtig konzentrieren.
Auf den Punkt
Was machen die Finnen besser?
In Finnland sitzt man mit den Füßen immer über der obersten Schicht der Saunasteine. Daher ist der Temperaturunterschied zwischen Kopf und Füßen gering. Optimal sind circa 15 Grad. Und zudem ist der Raum so konstruiert, dass es immer ein gutes Löyly gibt. Das Minimum ist, dass das gesamte Luftvolumen sechs- bis siebenmal pro Stunde vollständig ausgetauscht wird. Es gibt aber auch Saunen, in denen das bis zu 15-mal pro Stunde passiert. In finnischen Saunen atmest du im Idealfall erhitzte Frischluft ein. Das ist einfach eine komplett andere Nummer als in Deutschland. Die beiden Hauptprobleme in Deutschland sind, dass es keine gute Luftzirkulation gibt und dass sich die Hitze in der Sauna falsch verteilt. Und dann kommen da leider auch noch diese ganzen Chemikalien dazu, die in Deutschland eingesetzt werden.
Sie meinen die Aroma-Öle aus den Aufguss-Shows. Gibt es die in Finnland gar nicht?
Man kann die hier schon kaufen, vor allem am Flughafen im Souvenirshop. Ich habe aber bei meinen Freunden noch nie gesehen, dass irgendwer diese Produkte benutzt hätte. Und in den öffentlichen Saunen sind die Öle verboten. Aus gutem Grund, denn von den Schadstoffen, die bei ihrer Anwendung entstehen, sind sie schlicht und einfach hochproblematisch. Das sind thermale Zersetzungsprodukte, die entstehen, wenn das Öl-Ethanol-Wassergemisch auf die Saunasteine gegossen wird, unter anderem Formaldehyd. Das bekommt man auch durch Lüften nicht so einfach wieder weg. Insbesondere für die Saunameister, die über lange Zeiträume höheren Belastungen ausgesetzt werden, ist das richtig ungesund. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen gibt es gute Studien, doch die werden in Deutschland nicht so sehr propagiert – vermutlich, weil das ziemlich schlecht wäre für die boomende Wellness-Branche und ihr Businessmodell. Inzwischen warnen aber selbst deutsche Saunaofenhersteller vor dem Einsatz von Aufguss-Ölen.
In Finnland werden Saunen oft mit echtem Feuer beheizt. Gehört das zur „echten“ finnischen Sauna dazu?
In Finnland gibt es ganz unterschiedliche Saunaerfahrungen: die elektrisch beheizte Sauna, die holzbeheizte Sauna, die Rauchsauna. Es gibt die kleine Sauna im Wald und die große am See, und es gibt ganz viel dazwischen. Was es in Finnland übrigens nicht gibt, ist die „original finnische Trockensauna“, die viele aus deutschen Saunalandschaften kennen. Sie ist, genauso wie die römische Badesauna und was es da sonst noch alles gibt, nur die Kulisse für eine Aufguss-Show. Zu der Inszenierung gehört, dass alle rumstöhnen müssen, um sich gegenseitig zu bestätigen, wie schön das alles ist. Ich selbst kann dabei nichts Schönes empfinden. Besonders schlimm empfinde ich Eukalyptus-Aufgüsse, die so ein Fake-Kältegefühl erzeugen. Mit finnischer Sauna hat das absolut nichts zu tun.
In der finnischen Sauna geht es immer darum, wie weich das Löyly ist, wie frisch es ist, wie es sich langsam aufbaut und wie lange es andauert, bis es sich wieder abbaut. Das ist die Frage, an der man in Finnland die Qualität einer Sauna misst. Wenn man in Finnland in eine Sauna hereinkommt, fragt man die anderen in der Sauna oft direkt, ob denn noch genug Löyly vorhanden ist. Und wenn nicht, sorgt man gleich für neue Löyly.
Das ist in doppelter Hinsicht interessant: zum einen, weil in deutschen Saunen meist geschwiegen wird ...
Oder geflüstert, was noch schlimmer ist. In Finnland redet man miteinander, gerade über das Löyly, oder man kann auch schweigen.
... und zum anderen, weil in Finnland jeder Saunabesucher für den Aufguss mitverantwortlich ist.
Ja, die finnische Sauna ist etwas sehr Demokratisches. Ein fester Stundenplan für einen Aufguss, wie es den Deutschland gibt, wäre in Finnland undenkbar, genauso wie die Sanduhr an der Wand. Oder dass man sich ein verrückt großes Handtuch mitbringen muss, auf dem man sitzt. Solche starren Regeln gibt es hier nicht. Während in Finnland einfach alle in der Sauna sitzen und sich entspannen, tritt in Deutschland ein sogenannter Saunameister in die Mitte und zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich. In dem Moment kreiert man eine Hierarchie. Nur in den wenigsten Saunen in Deutschland darf man als Besucher den Aufguss selbst machen. Wobei mich daran schon der Begriff stört: Wenn du einen Teebeutel mit heißem Wasser übergießt, dann ist das vielleicht ein Aufguss. In der Sauna sollte es doch vielmehr um Löyly gehen.
Wie teuer ist ein Saunabesuch in Finnland?
Der ist sehr viel günstiger als in Deutschland. Sauna muss hier für jeden zugänglich sein. In Deutschland ist der Saunabesuch hingegen etwas Besonderes, weil die Halbtageskarte oder Tageskarte für die Wellness-Oase 20 Euro, 30 oder noch mehr kostet. Wenn man so viel Geld bezahlt, will man fünf, sechs Stunden lang etwas geboten bekommen, und daher gibt es dann diese crazy Aufguss-Shows, in denen zum Beispiel Rotkäppchen und der Wolf die Sauna betreten. Man könnte fast den Eindruck bekommen, in einer Kindervorführung gelandet zu sein, wobei es in vielen dieser Wellness-Welten oft sogar verboten ist, Kinder mitzubringen. Das ist in Finnland ganz anders! Bei uns in der Rajaportti-Sauna gibt es eine eigene Badewanne für die Kids. Die haben da Spielzeug und dürfen laut sein. Und in der Sauna hast du Leute, die 104 Jahre alt sind und schon seit 50 Jahren kommen. Alle, wirklich alle gehen in Finnland in die gleiche öffentliche Sauna.
Können Kinder denn schon mit in die eigentliche Sauna kommen?
Freunde von mir haben ihr Baby zwei Wochen nach der Geburt mit in die Sauna genommen. Natürlich geht man dann nicht nach ganz oben, und man bleibt dann nicht 15 Minuten drin. Aber fürs Gefühl setzt man sich einmal für eine halbe Minute oder eine Minute rein. Studien haben gezeigt, dass es auch für Kinder gut ist, zu saunieren. Hier in Finnland wurden zahlreiche Studien zu den gesundheitlichen Effekten gemacht. Mit vielen Zehntausenden Teilnehmern und über Jahrzehnte hinweg. Wer mehrmals in der Woche in die Sauna geht, profitiert von den Langzeiteffekten. Dann hilft das Saunieren gegen Demenz und Alzheimer, senkt deinen Blutdruck, stärkt dein Immunsystem und so weiter. In Finnland gewöhnen sich die Kinder schon früh an die Sauna. In der ersten Klasse schnitzen alle Schülerinnen und Schüler ihre Saunakelle, das ist hier Tradition.


