Das EU-Parlament will Begriffe wie „Wurst“ oder „Schnitzel“ für Fleischersatz verbieten lassen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.
Kritik an Fleisch-Plan der EURügenwalder, Gewerkschaft und Verbraucher gemeinsam gegen Verbot des „Veggie-Schnitzels“

Steaks aus Seitan dürfen möglicherweise künftig nicht mehr so heißen.
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Das Thema Ernährung ist immer wieder für einen Aufreger gut, besonders in Deutschland. Hier treffen scheinbar Welten aufeinander – insbesondere beim Fleischkonsum auf der einen und vegetarischer oder veganer Ernährung auf der anderen Seite. An der Frage, warum Menschen, die kein Fleisch essen wollen, dennoch Produkte kaufen, die Fleischwaren imitieren, scheiden sich die Geister.
Auch das EU-Parlament hat sich mit der Frage beschäftigt, ob Fleischersatzprodukte ihre „echten“ Vorbilder im Namen tragen dürfen. Ist die Bezeichnung „Veggie-Burger“, „Soja-Schnitzel“, „Seitan-Steak“ oder „vegane Wurst“ erlaubt? Es könnte zu Verwechslungen kommen, war die Argumentation der Fleisch-Lobby. Dann drohe dem Karnivoren statt des Bisses auf eine saftige Fleischfaser eine Enttäuschung, wenn er stattdessen versehentlich auf eine labbrige Soja-Faser träfe.
EVP stimmt für Verbot von „Veggie-Burgern“
Das Parlament stimmte am Mittwoch (8. Oktober) ab und sprach sich vor allem mit den Stimmen der konservativen EVP-Fraktion um CDU und CSU sowie Rechtsaußen-Fraktionen für eine Änderung der Vorgaben aus. Bei Fleischersatzprodukten würde dann nicht mehr der Zusatz „vegan“ oder „vegetarisch“ genügen, es dürften überhaupt keine an Fleischprodukte angelehnte Namen für die pflanzlichen Lebensmittel mehr verwendet werden. Die Entscheidung ist allerdings nicht endgültig, sie geht nun in die Verhandlungen mit den 27 EU-Ländern.
Den Antrag hatte eine Abgeordnete der französischen Konservativen, Céline Imart, eingebracht. „Es geht um Transparenz und Klarheit für den Verbraucher und um Anerkennung für die Arbeit unserer Landwirte“, sagte Imart in einer Parlamentsdebatte zum Thema. Die im Supermarkt gebräuchlichen Bezeichnungen seien irreführend. Imart hatte zuvor erklärt: „Worte haben eine Bedeutung: Ein Steak ist Fleisch. Punkt.“ Die Anbieter von Veggie-Produkten würden zudem vom „guten Ruf der Arbeit unserer Viehzüchter“ profitieren.
Merz: „Eine Wurst ist eine Wurst“
Fleischindustrie und vor allem Vertreter der Landwirtschaft hatten das Vorhaben unterstützt. Auch der Bauernverband teilte dem „Handelsblatt“ mit: „Tierische und pflanzliche Erzeugnisse, am besten direkt vom Bauernhof, gehören in die Ernährung – die Kennzeichnung muss aber eindeutig sein.“ Die deutsche Landwirtschaft argumentierte also ebenfalls mit der angeblichen Verwechslungsgefahr.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) signalisierte seine Zustimmung. „Eine Wurst ist eine Wurst“, sagte er kürzlich bei Caren Miosga in der ARD: „Wurst ist nicht vegan.“
„Es ist alles bereits geregelt“: Scharfe Kritik von Verbraucherverbänden und Gewerkschaften
Zuvor hatte es scharfe Kritik an der sich abzeichnenden Entscheidung gegeben. Der Europäische Verbraucherverband (Bureau Européen des Unions de Consommateurs, kurz BEUC) verwies auf eigene Umfragen: „Die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ist über diese Begriffe nicht verwirrt“, schreibt die BEUC-Expertin Popescu in einem Online-Beitrag. „Das ist nicht Verbraucherschutz, das ist Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie“, kritisierte auch die Organisation Foodwatch. Auch zahlreiche Umweltverbände sahen dies als völlig falsches Signal.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht sich ebenfalls klar gegen ein solches Namensverbot bei Veggie-Produkten aus. Pressesprecherin Susanne Uhl sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, ein solcher Beschluss sei sinnlos. Sie verwies darauf, dass es seit geraumer Zeit klare Leitlinien für vegetarische und vegane Produkte gibt, nachzulesen beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat.
Hier geht es um Produkte „mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“. Auf zwölf Seiten ist genau geregelt, welche Erzeugnisse als Ersatz für Fleisch verwendet und wie sie bezeichnet werden dürfen. Vermerkt ist auch, dass „vegane und vegetarische Lebensmittel im verzehrfertigen Zustand den in Bezug genommenen Lebensmitteln tierischen Ursprungs sensorisch ähnlich“ sind, beispielsweise in Geruch, Geschmack oder Textur.
Verbraucher verwechseln nicht Pflanzen- mit Fleischprodukten
Vor allem steht hier: „Anlehnungen der Bezeichnungen für vegane und vegetarische Lebensmittel an Bezeichnungen für geschnittene Fleischstücke sind üblich“. Demnach ist es nicht nur erlaubt, sondern auch im allgemeinen Verständnis klar, dass auch vegetarische oder vegane Produkte „Schnitzel“, „Gulasch“, „Geschnetzeltes“, oder „Frikadelle“ heißen. Selbstverständlich muss deutlich erkennbar sein, dass es sich nicht um Fleisch handelt.
Laut Susanne Uhl von der NGG, die vor allem Beschäftige in der Lebensmittelproduktion und im Gastgewerbe vertritt, treten in Deutschland keinerlei Probleme mit der Einhaltung der Leitlinien auf. Es gibt aus ihrer Sicht daher keine guten Argumente für die EU-Initiative. „Ich habe noch von keinem Verbraucher gehört, der vor dem Veggie-Regal denkt, das sei jetzt ein Burger oder Leberkäs aus Fleisch“, so Uhl.
Von der Dehoga, dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, war bislang auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten.
Rügenwalder Mühle gegen EU-Verbot von Veggie-Bezeichnungen
Dass vegetarische und vegane Produkte inzwischen ein riesiger Markt sind, lässt sich auch am Protest der Lebensmittelindustrie gegen die EU-Entscheidung ablesen. Ein gemeinsamer Brief an die deutschen EU-Abgeordneten, der sich gegen die Verbotspläne für die derzeitigen Bezeichnungen von Fleischalternativen wandte, wurde im Vorfeld auch von großen Lebensmittelkonzernen unterstützt. Unter den Unterzeichnenden sind beispielsweise Aldi Süd, Lidl, Burger King sowie Rügenwalder Mühle.
Rügenwalder Mühle aus dem niedersächsischen Bad Zwischenahn macht bereits seit Jahren mehr Umsatz mit seinen pflanzlichen als mit seinen Fleischprodukten. Der Konzern warnte vor erheblichen Folgen der EU-Entscheidung: „Die kurzfristigen Umstellungskosten schätzen wir auf einen einstelligen mittleren Millionenbetrag“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Betroffen wären rund 60 Produkte, deren Namen und Verpackungen neu gestaltet werden müssten.
Nach Einschätzung des Unternehmens könnten durch eine entsprechende EU-Regelung auch zweistellige Millionenbeträge im Jahr verloren gehen, weil bis zu 20 Prozent der Neukäufer abspringen könnten. (mit dpa)