„Sie müssen nicht alle retten“9 Tipps, mit denen Sie endlich lernen „Nein” zu sagen

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Wer nie Nein sagt, wird leicht ausgenutzt – auch im Berufsleben (Symbolfoto).

  • Wer anderen Menschen keine Grenzen setzen kann, wird schnell ausgenutzt und um Gefallen gebeten.
  • Doch stets nur anderen zu helfen und die eigenen Bedürfnisse unter den Teppich zu kehren, sei gefährlich, meint Coach und Autor Attila Albert.
  • Nur wer sich um sich selbst kümmert und auch mal „Nein” sagen kann, hilft langfristig sich und anderen. Wie das geht.

Köln – Ein „Ja“ geht vielen Menschen leichter von den Lippen als ein „Nein“. Doch wer anderen nie Grenzen aufzeigt und die eigenen Bedürfnisse stets in den Hintergrund rückt, schadet damit auf Dauer sich selbst. Wer immer hilft und die Verantwortung für andere Menschen auf sich lädt, verhindert auch, dass diese etwas lernen und sich weiterentwickeln – davon ist der Coach und Autor Attila Albert überzeugt.

In seinem neuen Buch „Ich mach da nicht mehr mit“ erklärt er, warum es so wichtig ist, sich abzugrenzen und auch mal Nein zu sagen. Wer häufig ausgenutzt wird und anderen Menschen schlecht Grenzen aufzeigen kann, dem helfen die folgenden neun Tipps aus dem Ratgeber, das zu ändern.

Es ist ok, Nein zu sagen

Der Kollege bittet Sie um Hilfe bei einem Projekt, Ihre Mutter möchte, dass Sie ihr den Drucker anschließen und Ihre beste Freundin sucht bei Ihnen nach einer Trennung Trost und bombardiert Sie mit Anrufen. Wer sich nicht ausnutzen oder verletzten lassen möchte, muss wissen, dass er oder sie das Recht hat sich abzugrenzen, sagt Albert. So wie jeder das Recht hat, um Hilfe zu bitten, ist es vollkommen in Ordnung Nein zu sagen.

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Attila Albert arbeitet als Coach und Autor.

Es ist nicht egoistisch, wenn man Dinge ablehnt oder nicht mitmacht. Ein „Nein“ – ohne weitere Erklärungen, sei vollkommen ausreichend. „Lehnen Sie ab, was Sie nicht möchten“, gibt der Coach als Ratschlag. „Das möchte ich nicht, aber es ist okay, dass du gefragt hast.“ Oder „das passt mir nicht“ sind mögliche Antworten, um einen Gefallen auszuschlagen oder ein Angebot abzulehnen.

Jeder ist für sich selbst verantwortlich

Eine Entscheidung und die daraus folgenden Konsequenzen kann niemand jemand anderem abnehmen. Mit den Folgen des eigenen Handelns und der eigenen Entscheidungen müsse jeder selbst zu leben lernen, erklärt Albert. Die Verantwortung sollte bei den Personen bleiben, bei denen sie tatsächlich liege. Das zeige auch ein Grundvertrauen in die Fähigkeiten der Mitmenschen. Berichtet ein Kollege, die beste Freundin oder der Vater von einem Problem, sollte man nicht sofort Hilfe anbieten. Der Coach rät dazu, zunächst Nachfragen zu stellen, um das Problem einzuschätzen und zu sehen, ob man helfen kann und möchte. Beschwert sich der Freund beispielsweise ständig über seinen Job, kann die Partnerin nachfragen, wie es mit den Bewerbungen laufe.

Freunde nicht therapieren oder verbessern

„Es gibt ausgebildete Therapeuten und Sozialarbeiter. Wenn Sie dieser Berufsgruppe nicht angehören, versuchen Sie auch nicht, Ihr privates Umfeld zu ergründen, zu analysieren oder verbessern zu wollen“, sagt Albert. Problematisch sei daran, dass das Gegenüber entmündigt werde und es die Beziehung in eine Schieflage bringen kann. Es sei nicht ratsam, dauerhaft und ständig einer Person zu helfen, das sollte besser nur in Krisenzeiten passieren. „90 Prozent des Helfens besteht darin, einfach nur da zu sein: viel Geduld mit jemandem zu haben, den man gern mag oder gar liebt, ohne all dessen Probleme lösen zu wollen.“

Man kann niemanden vor Leid beschützen

Für niemanden ist es angenehmen, unter etwas zu leiden. Doch wie so oft mit unangenehmen Erfahrungen – sie gehören nun einmal zum Leben dazu. Sie sind nützlich, um etwas zu lernen. Wer anderen Leid nehme, nehme ihnen die Erfahrungen weg, die sie stärker und besser machen könnten. „Wenn jemand, den Sie mögen oder gar lieben, unter etwas leidet, werden Sie trotzdem erst einmal nur zum aufmerksamen Beobachter“, sagt Albert. Es sei gut, erstmal zu analysieren, ob die andere Person nur klagt oder auch selbst aktiv wird und wie viel des Leides sie selbst verursacht hat. Erst wenn man die Situation richtig kenne, sollte man Hilfe anbieten. „Sie müssen nicht alles und alle retten.“

Nicht für andere mitdenken

Empathisch mit seinen Liebsten umzugehen, auch auf ihre Bedürfnisse zu achten und rücksichtsvoll zu sein, sei wichtig, betont Albert. Das sollte aber nicht bedeuten, stets für andere mitzudenken. Oder den Versuch zu unternehmen, ihre Gedanken lesen zu wollen und zu meinen, dass man wissen müsse, was der Partner oder die Partnerin denkt, fühlt oder sich wünscht. Traut sich jemand aus dem Umfeld nicht, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen, sollte man ihn dazu ermuntern, rät Albert. Und bei sich selbst beginnen: klar mitteilen, was man möchte.

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Attila Albert, Ich mach da nicht mehr mit. Wie du dich endlich abgrenzt und auch mal die anderen leiden lässt, Gräfe und Unzer, 16,99 Euro. (Foto: Gräfe und Unzer)

Mitleid kann nie die Grundlage einer Beziehung sein

„Mitleid ist keine Basis für eine gesunde Beziehung“, sagt Albert. Braucht ein Freund, ein Partner oder ein Kollege immer nur Hilfe, kann es nie eine Beziehung auf Augenhöhe sein. Der Coach rät, Freundschaften, Partnerschaften oder berufliche Beziehungen zu beenden, wenn sie nur auf Mitleid beruhen. Besser sei es, eine Person im Einzelfall zu unterstützen.

Wenn man bemerkt, dass man sich meist mit völlig unterlegenen Partnern, Freunden oder Kollegen umgibt, ist vielleicht der Wunsch nach einer Machtposition der Grund dafür oder ein geringes Selbstbewusstsein

Stets gut mich sich selbst umgehen

Hilfsbereitschaft ist etwas Gutes, betont Albert. Doch wichtig sei, dass sich jeder auch um sich kümmert. Wer helfen möchte, muss nämlich dazu in der Lage sein. Heißt: Jemand, der hilft, muss Zeit, Geld und Kraft dafür übrig haben, anderen zu helfen. Mit den eigenen Kräften muss man also haushalten und die Reserven auffüllen. Wichtig dafür sind: genügend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, sich Zeit für Sport zu nehmen, soziale Kontakte zu pflegen und auch Ruhezeiten einzubauen.

Sich selbst akzeptieren

„Du bist in Ordnung, so wie du bist, und kannst so bleiben. Wer das für sich akzeptiert und damit seinen Wert anerkennt, kann sich auch abgrenzen“, sagt Albert. Das ist eine wichtige Grundlage für alle Beziehungen – wer den eigenen Wert kenne, wisse, dass die eigenen Bedürfnisse genauso viel wert sind, wie die der Mitmenschen. Wer dauerhaft das Gefühl habe, nicht schön genug, schlau genug oder schlank genug zu sein, sollte dies nicht durch Leistung kompensieren wollen. Das helfe nicht. „Therapie, Coaching oder Selbsthilfegruppen sind eine gute Möglichkeit, um das Problem zu lösen.“

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Das eigene Glück muss jeder selbst finden

Glück ist etwas Individuelles – für den einen ist es, ein gutes Buch zu lesen, für den anderen die eigene Familie oder ein teures Auto. Was uns glücklich macht, kann sich im Laufe des Lebens verändern. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was ihn oder sie glücklich macht. Das bedeutet auch: Es ist nicht möglich, andere Menschen glücklich zu machen. Sie müssen ebenso für sich selbst herausfinden, was sie unter Glück verstehen und ihr Leben so gestalten, dass es sie glücklich macht. Was man tun kann: „Den anderen helfen, ein gutes Leben zu führen.“ Albert findet es wichtig, stets neugierig zu bleiben und sich selbst und die Welt zu erforschen. „Ihr Wissen, was Sie glücklich macht und was nicht, nimmt mit jeder Erfahrung zu.“

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