Hüftgold und BauchspeckWie werde ich meine Corona-Pfunde wieder los?

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Abnehmen ist nicht nur eine Frage der gesunden Ernährung.

  • Die Hose zwickt, wenn man am Schreibtisch sitzt, denn es mangelt im Homeoffice an Bewegung.
  • Viele Menschen haben während Corona zugenommen. Wie werden wir die zusätzlichen Pfunde wieder los?
  • Sportwissenschaftler Ingo Froböse und Ernährungsexpertin Inga Pfannebecker erklären, worauf es jetzt bei Ernährung und Bewegung ankommt.

Köln – Die Hose kneift, der Ehering spannt, das Frühlings-T-Shirt saß im letzten Jahr irgendwie viel lockerer: Das Coronavirus hat vielen von uns einen Zuwachs an Hüftgold und Bauchspeck beschert. Weil wir im Homeoffice nur noch zwischen Schreibtisch, Küche und Schlafzimmer hin- und herschleichen – und dabei auch noch ständig essen. Zwei Experten erklären, was wir jetzt konkret tun können, um die lästigen Pfunde auch wieder loszuwerden.

Tipps von der Ernährungswissenschaftlerin

Wie ernährt man sich in Homeoffice-Zeiten möglichst gut?

„Schwierig daran ist, dass sich viele von uns jetzt weniger bewegen als sonst. Arbeitswege fallen weg, man geht weniger raus, verbraucht also weniger Energie. Ich rate daher zu viel Gemüse und Salat auf dem Teller und lieber zu weniger Kohlehydraten, denn die können schnell ansetzen bei wenig Bewegung. Geeignete Gerichte sind zum Beispiel ein Hähnchenfilet mit Salat, Steak mit Gemüse, oder Ofengemüse mit einem Spiegelei. Es lohnt sich Nudeln, Kartoffeln und Reis zu reduzieren, vor allem abends, denn nach dem Essen bewegt man sich dann nicht mehr viel. Also statt der Kohlehydratbeilage öfter mal lieber zwei Gemüsebeilagen wählen, so dass viel Volumen auf dem Teller und später im Bauch ist.“

Viele wollen nicht noch auf Essen verzichten. Wie werden wir die Pfunde trotzdem los?

„Es lohnt sich zuhause einen guten Vorrat an Gemüse und Obst anzulegen, auch gerne als Tiefkühl-Ware. So hält sich das Ganze länger, auch wenn man nicht so oft einkaufen geht. Wichtig: weniger Schokolade und Chips kaufen. Denn was nicht da ist, kann man auch nicht essen. Gut ist es, nur kleine Vorräte an Süßem im Haus zu haben, also lieber die Mini-Eispackung, statt der Familienpackung.“

Schon lange im Trend ist ja das Intervallfasten, also mehrere Stunden lang gar nichts zu essen. Macht das Sinn?

„Intervallfasten ist tatsächlich eine gute Möglichkeit um ohne viele Extra-Pfunde durch diese Zeit zu kommen. Vielen fällt es leichter eine Mahlzeit auszulassen, als den ganzen Tag das Gefühl zu haben verzichten zu müssen. Fasten tut dem Körper und Blutzuckerspiegel gut. Manche Leute können das besser als andere. Jetzt ist eine gute Zeit das auszuprobieren, weil viele morgens nicht ins Büro müssen und deswegen auch beim Essen flexibler sind.“

Welche aktuellen Ernährungstrends sind noch geeignet für die Corona-Zeit?

„Mealprep als Trend ist gut, also das Vorbereiten von Mahlzeiten. Vor allem um nicht ständig zu snacken oder mit Bärenhunger nach etwas Ungesundem zu greifen. Konkret geht es also darum, zu planen was man mittags und abends essen will, und zum Beispiel die Nudelsauce am Abend schon vorzukochen für den nächsten Tag. Ein Wochenplan ist außerdem eine gute Möglichkeit, damit man nicht zu viel einkauft. Manche mögen diese Pläne nicht, doch zum Beispiel für Familien macht das tatsächlich viel Sinn. Eltern, die zu Hause mit Kindern im Homeoffice sind, müssen so nicht jeden Tag neu anfangen mit der Essensplanung.“

Wie schafft man es, bei Heißhunger im Homeoffice nicht ständig zu snacken?

„Denken Sie an das „Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Prinzip“. Also die Schokolade bitte nicht auf den Schreibtisch legen, sondern sich immer nach dem Mittagessen nur ein kleines Stück gönnen. Gut ist es sich jeden Tag eine Tagesration an Snacks zurechtzulegen. Und dann gesunde Snacks hinstellen: Gurkenscheiben, Paprikastreifen, Radieschen und Nüsse zum Beispiel. Mein SOS-Tipp bei Heißhunger: eine Runde Zähneputzen. Der Minzgeschmack unterbricht oft die Lust auf Süßes.“

Welche Lebensmittel sind jetzt besonders geeignet zum Abnehmen?

„Alles was viel Volumen, aber wenig Kalorien hat: Suppe, Obst, Salat, Eiweiß, ein paar Kohlenhydrate, aber nicht zu viele. Vollkornprodukte sind gut zum Sattwerden. Ich mache die Erfahrung, dass sich viele Leute jetzt mehr Zeit zum Kochen nehmen, einfach weil sie mehr Zeit zu Hause verbringen. Da man lange Zeit ja auch nicht essen gehen konnte, hatten viele das Bedürfnis sich etwas Besonderes zu kochen, was man sonst vielleicht nur im Restaurant essen würde.“

Was sind Ihre drei Essenstipps für gute Mahlzeiten in der Corona-Zeit?

„Fladenbrotpizza: aufschneiden und mit Tomatensauce und Gemüse als Pizza belegen. Das dauert im Ofen nur 10 bis 12 Minuten. Ich selbst koche auch gerne indisch: Linsensuppe mit Kokosmilch geht zum Beispiel sehr schnell. Und Nudeln mit Gemüse und Schinken gehen immer, gemeinsam mit einer Dose Tomaten und frischem Parmesan.“

Tipps vom Sportwissenschaftler

Warum haben so viele in der Corona-Zeit zugenommen?

„In den letzten Monaten haben wir unseren Rhythmus verloren. Der Kühlschrank war immer nah und bei den meisten von uns auch immer voll. Wir mussten uns ja viel belohnen wegen der vielen Einschränkungen und des veränderten Alltags. Jetzt geht es darum, in einen normalen Rhythmus zurückzufinden. Das heißt, wir müssen damit aufhören, unseren Körper ständig mit Essen zu versorgen. Gut ist es morgens energiegeladen, mittags nährstoffreich und abends eiweißreich zu essen. Keine Zwischenmahlzeiten, jeweils 4 bis 6 Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten. Das ist biorhythmisches Essen und eine abgeschwächte Form des Intervallfastens, was die meisten ja nicht durchhalten. Wir haben einfach die Pausen beim Essen verloren.“

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Die meisten haben momentan aber keine Lust auf Diät.

„Ich habe auch nichts gegen Süßigkeiten, aber am besten nur im Umfeld der Hauptmahlzeit. Also als Nachtisch, nicht am Nachmittag. Wichtig ist es, auf die Qualität unseres Essens zu achten. Wenn ich qualitativ hochwertig esse, brauche ich davon weniger. Ich bekomme ein intensiveres Ess-Erlebnis und kann eine Menge einsparen. Deswegen ist das auch nicht teurer: Lieber ein Stück von der guten Schokolade, als drei von der billigen.“

Wie kann uns Bewegung helfen, die Corona-Pfunde loswerden?

„Viele von uns haben in den letzten Wochen Muskulatur verloren, sowie einen Teil der Leistungsfähigkeit ihres Herz-Kreislauf-Systems. Jetzt geht es darum, die Alltagsaktivität wieder zu erhöhen. Also so viel zu Fuß zu gehen wie es geht, Treppe zu steigen, zu Fuß einkaufen zu gehen. Langfristig ist das Ziel, dass wir unseren Körper so verändern, dass er auch auf der Couch liegend Energie verbraucht. Dafür brauche ich Muskelmasse – aufgebaut durch Muskeltraining, denn Muskeln verbrennen auch im Ruhezustand Energie. Verglichen mit einem Auto sind sie unser Hubraum. Das Training der großen Muskelgruppen klappt entweder im Fitness-Studio oder zuhause auf dem Flokati. Neben dem Hubraum brauchen wir PS, also Ausdauer. Diese bekommen wir zum Beispiel durch laufen, radeln, walken und schwimmen. Durch diese Sportarten erhöhe ich die Kraftwerke in meinen Zellen.“

Wie haben Sie sich denn persönlich fit gehalten während der Corona-Zeit?

„Ehrlich gesagt bin ich jetzt fitter als vorher. Viele meiner Reisen sind ausgefallen, so hatte ich mehr Zeit für Sport. Ich laufe jeden Tag mindestens eine Stunde. Zusätzlich mache ich Muskeltraining mit meinem eigenen Körpergewicht. Und jetzt, wo das möglich ist, gehe auch wieder an die Geräte. Auch wenn viele in den letzten Wochen zwischen drei und fünf Kilo zugenommen haben: Corona sollte keine Ausrede sein. Wer sich nicht bewegt, wirtschaftet seinen Körper ab. Genau wie ein Auto, das immer nur in der Garage steht. Wenn ich mich nicht bewege, fällt mein Stoffwechsel in den Winterschlaf.“

Wie viel Sport sollten wir denn jetzt machen, um Kalorien zu verbrennen?

„In erster Linie geht es nicht darum, beim Sport Kalorien zu verbrennen. Dafür ist der Energieverbrauch dabei zu gering. Wenn ich eine Stunde laufe, verbrenne ich zwischen 500 bis 600 Kilokalorien. Ich muss aber etwa 7000 Kalorien einsparen oder abtrainieren, um ein Kilo Körpergewicht loszuwerden. Das dauert ewig. Auch wenn viele jetzt erschrecken: Dreimal pro Woche Sport ist noch zu wenig. Viel wichtiger ist eine stündliche Unterbrechung meiner Inaktivität. Also immer wieder aufstehen vom Schreibtisch zum Beispiel. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: Macht drei bis viermal pro Woche Ausdauer- und mindestens zwei mal pro Woche Muskeltraining. Das klappt, wenn man vier Stunden pro Woche in Bewegung investiert. Wenn man einmal damit anfängt, kommen die Erfolge tatsächlich schnell.“

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