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Vier BindungstypenOb unsere Beziehungen halten, wird schon in der Kindheit festgelegt

6 min
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  1. Manche Paare finden sich – und bleiben dann ein Leben lang zusammen. Haben sie einfach Glück gehabt, oder gibt es vielleicht doch ein Geheimrezept für feste Beziehungen?
  2. Dr. Diane Poole Heller, Psychologin und Therapeutin, ist auf Bindungsstörungen spezialisiert. In ihrem Buch „Tief verbunden“ bietet sie zahlreiche Übungen an, mit denen man seine Beziehung verbessern kann.
  3. Sie sagt: Welcher Bindungstyp man ist, wird schon in der Kindheit geprägt. In Stein gemeißelt ist er aber nicht.

Köln – Es gibt Paare, die leben vor, dass sie sich mögen, lieben und zusammen bleiben wollen – auch in Zeiten, die kein Zuckerschlecken sind. Haben sie einfach nur Glück gehabt, zufällig den Richtigen oder die Richtige gefunden, während andere ein Leben lang daneben greifen? Können sie irgendetwas besser als jene, die immer wieder den Scherbenhaufen einer Beziehung zusammenkehren müssen?

Welcher Bindungstyp man ist, zeigt sich als Erwachsener

Dr. Diane Poole Heller, Psychologin und Therapeutin, hat sich auf Bindungsstörungen spezialisiert, deren Ursachen analysiert und Wege aus dem Dilemma aufgezeigt. Sie schildert diverse Bindungstypen, daraus resultierende Schwierigkeiten und wie man versuchen kann, dies zu verstehen und abzumildern. Welcher Bindungstyp man ist, kristallisiert sich meist erst im Erwachsenenalter heraus. Das Verhaltensschema, in dem man gefangen ist, wird von den Bezugspersonen, meist den Eltern, festgelegt. Egal welche positiven oder negativen Ereignisse und Lebensumstände in der Kindheit uns zu dem machen, was wir sind, Poole Heller tröstet: „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es nicht verschuldet haben. Das heißt, wir können unseren Bindungstyp weder wegreden noch wegwünschen“. Wir können jedoch die Kanten abschleifen und verstehen lernen.

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Egal wie Umfeld, Eltern, familiäre Situationen uns als Kind geprägt haben: „wir passen uns in der Kindheit an jedes Beziehungsumfeld an, in dem wir aufwachsen“. Wir speichern also Verhaltensmuster, so die Therapeutin, und „treten dementsprechend mit anderen in Beziehung“. Das Tröstliche ist, dass diese Muster nicht in Stein gemeißelt sind, sondern wir dank unseres genialen Gehirns in der Lage sind, „Weiterentwicklung und Anpassung zu ermöglichen“. Im Klartext: „Selbst wenn unsere Kindheit nicht ideal war, ist uns ein sicheres Bindungssystem einprogrammiert.“

Der perfekte Partner – das wird man nie sein

Ein sicheres Bindungssystem ist der Idealzustand für eine Partnerschaft, hat aber bisweilen Seltenheitswert. Alle, die anders geprägt sind, müssen sich als Erwachsene an die Arbeit machen, um herauszufinden, wodurch ihr Bindungssystem beeinträchtigt wurde und wird. Und sie müssen lernen, wie man über Beziehungstraumata oder Bindungsstörungen triumphieren kann.

Buchtipp

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„Tief verbunden“ von Diane Poole Heller, Kösel-Verlag, gebunden, 271 Seiten, 20 Euro

Im Buch bietet Poole Heller zahlreiche Übungen an. Es gehe nicht darum, sagt sie, „jede von ihnen zu meistern, sondern einige auszuwählen, an denen Sie gern arbeiten möchten, und sie nach besten Kräften einzuüben“. (Foto: Kösel-Verlag)

Ein hehres Ziel, das man eventuell nicht vollends erreicht. Es sollte jedoch möglich sein, so Poole Heller, „zumindest widerstandsfähiger zu werden und schneller vom Kummer zu genesen“. Von einem aber dürfe man sich getrost verabschieden: Unsere Bedürfnisse werden nie ganz gestillt werden, man wird nie der perfekte Partner, der perfekte Vater, die perfekte Mutter, die perfekte Partnerin sein, noch kann man erwarten, perfekte Eltern zu haben. „Zum Glück ist das für eine tiefe und dauerhafte innere Heilung aber auch nicht notwendig.“

Tröstlich dazu sind die Forschungen von Edward Tronick, US-amerikanischer Entwicklungspsychologe, den Poole Heller zitiert. Es sei belegt, dass es ausreichen könne, mit einem geliebten Menschen 30 Prozent der gemeinsamen Zeit „im Einklang“ zu verbringen, um eine sichere Bindung zu fördern. Das ist, nüchtern betrachtet, zu schaffen und gibt noch Spielraum, um mal ein Ding zu verpatzen oder absolut nicht perfekt zu reagieren. Allerdings sollte man hinterher willens sein, „den Schaden so bald wie möglich zu beheben“.

Risse in der Beziehung kitten lernen

Denn genau das, nämlich Risse in der Beziehung auszubessern, ist laut Heller wesentlich für das Gelingen einer Partnerschaft. Sie gibt zu bedenken, dass „die meisten Auslöser unserer Reaktionen von der eigenen Bindungsgeschichte herrühren“. Die Fähigkeit der „Mängelbeseitigung“ sollte man sich tunlichst aneignen, um eine Bindung zu halten. Das muss geübt werden. Laut Heller ist es unerheblich, wer nach einem Streit den ersten Schritt zur „Wiederherstellung unternimmt oder sich entschuldigt“. Wer auch immer es tut, seine versöhnliche Geste muss anerkannt und sollte nicht beanstandet werden, weil sie vielleicht nicht ganz so gelungen ist.

Interessante Ergebnisse dazu liefert der psychologische Forscher John Gottman, spezialisiert auf Ehestabilität und Beziehungsanalyse, auf den sich Diane Poole Heller beruft. Demnach haben Paare, die verheiratet blieben, 86 Prozent der Zeit damit verbracht, Risse in der Beziehung auszubessern. Paare, die sich letztendlich haben scheiden lassen, haben dafür nur 33 Prozent der Zeit investiert.

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Genauso wichtig wie das Kitten der Risse ist für Diane Poole Heller aufmerksames Zuhören. Das hört sich leichter an als es ist, denn zum aufmerksamen Zuhören gehört auch, gut überlegte Fragen zu stellen, die „Verständnis bekunden und fördern sollen“. Aufmerksam zuhören bedeute jedoch nicht, dass wir das, was unser Gegenüber sagt, glauben oder damit übereinstimmen müssen, beinhalte jedoch, dass man auf das, was der andere sagt, nicht sofort mit Kritik oder Ablehnung reagiere. Gar nicht so einfach, vor allem nicht in heiklen Situationen. Für die Therapeutin Heller jedoch unabdingbar, weil wir damit Präsenz signalisieren, „eines der schönsten Geschenke, die wir uns selbst und unseren Nächsten in Beziehungen machen können“.

„Wir alle haben einige Schwierigkeiten mit „gesunder“ Bindung"

Peter A. Levine, dessen Schülerin Diane Poole Heller war, schreibt im Vorwort zu ihrem Buch: „Wir alle haben einige Schwierigkeiten mit „gesunder“ Bindung . . . Wie wir uns binden, wie unsere Bindung aussieht, beschreibt nicht nur, wie wir Kontakt und Verbindung zu einer Person herstellen, sondern auch zu uns selbst und unserem Körper.“ Das Buch und die Übungen seien geeignet für „jene unter uns, die gerade neue Beziehungen eingehen oder langjährige Verbindungen bereichern möchten oder dabei sind, eine Beziehung zu beenden – und von diesem Abschluss zu lernen und zu genesen“.

Vier Bindungstypen

Diane Poole Heller beschreibt vier Bindungstypen, die daraus resultierenden Auswirkungen auf das eigene Verhalten und auf Beziehungen. Heller wertet nicht und betont, dass „keiner dieser Typen in Stein gemeißelt ist“, dass es Mischformen der verschiedenen Typen gibt und niemand „sich selbst und andere in Kategorien pressen“ muss und soll. Es gehe darum, dass „Verhaltensmuster fließender und beherrschbarer werden können“ .

Sichere Bindung:

Menschen, die zum sicheren Bindungstyp gehören, wachsen mit viel Liebe und Unterstützung auf, die ihnen durch ihre Bezugspersonen, meist die Eltern, gegeben wird. Sie fühlen sich wohl, ob allein oder in einer Beziehung. Sie können flexibel denken, erkennen Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, kommen mit Differenzen klar und lösen Konflikte ohne großes Drama. Sie nehmen die Liebe anderer an, sie verzeihen mühelos.

Vermeidende Bindung

Menschen dieses Bindungstyps neigen dazu, Intimität von sich fernzuhalten oder spielen die Wichtigkeit von Beziehungen runter. Als Kind wurden sie oft allein gelassen oder emotional vernachlässigt. Die Eltern waren nicht präsent genug oder nur dann, wenn sie eine Aufgabe an das Kind stellten. Als Erwachsene haben solche Personen ihr Verhalten und ihre Beziehungen zu anderen teilweise gedrosselt.

Ambivalente Bindung

Menschen dieses Bindungstyps sorgen sich, ob ihre Bedürfnisse gestillt werden, ob sie sich sicher fühlen können. Von ihren Eltern mögen sie Liebe erfahren haben, aber sie wussten nie, ob ihre Eltern ihnen nicht den Teppich unter den Füßen wegziehen. Die Fürsorge der Eltern war für sie nicht vorhersehbar und erfolgte unregelmäßig. Diese Menschen sind sehr wachsam in Bezug auf Kränkungen oder Andeutungen, dass sie verlassen werden könnten. Ihr Bindungssystem ist in ständiger Alarmbereitschaft.

Desorientierte Bindung

Menschen dieses Bindungstyps leiden an einem Übermaß an Angst. Ihr Bindungssystem steht im krassen Widersprich zu ihrem Instinkt, Bedrohungen heil zu überstehen. Kinder suchen von Natur aus Trost und Schutz bei einem liebevollen Elternteil. Aber wenn dieser Elternteil Quelle der Angst und des Kummers ist, schnappt die Falle zu. Solche desorientierten Erwachsenen sind häufig plötzlichen Stimmungswechseln unterworfen, innerlich gespalten und reagieren auf kleinste Störungen empfindlich.