Große NachfrageSchützen Atemschutzmasken überhaupt vor dem Coronavirus?

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Aktuell sehr begehrt: Schutzmasken

  • Weltweit sind Atemschutzmasken im Moment sehr knapp. In einigen Krankenhäusern sorgt man sich bereits, ob genug Masken für Ärzte und Krankenschwestern vorhanden sind.
  • Doch wie wirkungsvoll sind Masken überhaupt im Alltag und wie setzt man sie richtig ein? Denn nur korrekt verwendet sind die Masken auch wirklich ein Schutz.
  • Forschungen zeigen außerdem, das der Mundschutz nicht unbedingt die beste Methode zur Virenabwehr ist. Denn die Gefahr lauert häufig an anderer Stelle.

München –  Es war sicherlich keine gute Wahl für einen Ausflug über die Neujahrstage: Zu siebt hatte die chinesische Familie den Abstecher ins 900 Kilometer entfernte Wuhan gemacht. Zurück in Shenzhen, in Hongkongs Nachbarschaft, fanden sich fünf bald mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus wieder, so war gerade in der Fachzeitung Lancet zu lesen. Auch bei einem augenscheinlich gesunden Reisenden wurde das neue Corona-Virus entdeckt. Nicht angesteckt hatte sich nur ein siebenjähriges Kind, es hatte unterwegs fast immer eine Atemmaske getragen.

In der Epidemieregion darf man ohne einen solchen Mundschutz, wie ihn auch Ärzte im Operationssaal tragen, Restaurants, Einkaufszentren oder Parks nicht mehr betreten. Ausverkauft sind chirurgische Masken bereits auch in vielen Apotheken Münchens, wo der Erreger frisch eingetroffen ist. In den Vereinigten Staaten macht man sich schon Sorgen, dass für Ärzte und Krankenschwestern noch genug Masken übrig bleiben. 

Zu große Poren in den Atemschutzmasken

Aber können ein paar dünne Schichten Papier und Vlies tatsächlich den gefährlichen Erreger aufhalten? 60 bis 140 millionstel Millimeter, Nanometer, messen die kugelförmigen Viren. Damit sind sie nur noch mit dem Elektronenmikroskop zu erkennen. Selbst von Profis getragene Atemschutzmasken dichten das Gesicht zwar gegen Geruchsmoleküle, aber nicht gegen einen einzelnen Coronavirus ab. Mit einem Durchmesser von bis zu einem Tausendstel Millimeter sind ihre Poren zu groß dafür.

Dass man sich trotzdem einigermaßen auf sie verlassen kann, verdankt der Mensch vor allem der Tatsache, dass die Viren selten alleine unterwegs sind. Sie backen mit Artgenossen und Sekret zu Tröpfchen zusammen – und für die sind die Gitter mit ihren elektrostatischen Kräften ein fast undurchdringliches Hindernis. Dies gilt selbst, wenn sie besonders klein und fein sind und sich als eine Art Dampf, als sogenannte Aerosole, verbreiten. Zudem hat der Mensch auch noch in anderer Hinsicht Glück gehabt: Einzeln kann ihm der neue Erreger wenig anhaben. Bei SARS – immerhin ein enger Verwandter –  müssen einhundert auf einmal in die Lunge eindringen, um ihm ernsthaft gefährlich zu werden. 

60 bis 80 Prozent geringere Ansteckungsgefahr bei Grippe

Vor sieben Jahren hat Raina MacIntyre von der australischen University of New South Wales die Probe aufs Exempel gemacht. Sie ließ 94 Eltern ihre erkälteten oder grippekranken Kinder mit einem chirurgischen Mundschutz betreuen. Im Vergleich zu ungeschützten Vätern und Müttern steckten sie sich 60 bis 80 Prozent seltener an. Selbst mit einer FFP1-Maske war eine Vergleichsgruppe nicht besser dran. Dies ist die niedrigste und durchlässigste Stufe der drei Typen von professionellen Atemschutzmasken.

Ein Grund für diese beeindruckenden Erfolgsraten ist wahrscheinlich, dass zumindest Grippeviren auch in größeren Sekrettropfen von einem Menschen zum anderen fliegen, wie sie sich beim Niesen oder Husten bilden. Und die wiederum werden selbst von einem einfachen Mundschutz oft aufgefangen. Das neue Corona-Virus wurde allerdings sehr tief in der Lunge der Kranken entdeckt. Was dafür spricht, dass es in erster Linie nicht als eine solche Tröpfcheninfektion, sondern per Aerosol übertragen wird.

Atemschutzmaske nicht länger als zwei Stunden tragen

Dennoch geht Raina MacIntyre, die ihr Forscherleben solchen Fragen widmet, davon aus, dass eine OP-Maske auch diesmal etwa selbst bei einem Infizierten im eigenen Haushalt jede zweite Übertragung verhindern kann. Vorausgesetzt sie wird nicht wiederverwendet oder länger als zwei Stunden getragen – dann können Schutzmasken das Infektionsrisiko womöglich sogar steigern. Mut machen ihr die Erfahrungen mit der SARS-Epidemie, die 2002/2003 ebenfalls vor allem im fernen Osten wütete. Drei von vier Bewohnern von Hongkong hatten damals solch ein Vlies vor dem Mund, „das hat die Ansteckungsraten nachweisbar deutlich gesenkt“, sagt die Professorin für Biosicherheit.

Vor allem hat die Vermummung verhindert, dass Kranke anderen ihre Viren übertrugen. Ein Grund: Die Ausatemluft wird meist durch den Stoff hindurchgeblasen, beim Einatmen fließt ein großer Teil der Luft um ihn herum. Deshalb profitieren die gesunden Träger womöglich maßgeblich von einem indirekten Effekt. Mit einer Maske vor Mund und Nase fällt es schwer, Viren mit den Händen auf die eigenen Schleimhäute zu übertragen. Rund Zweihundert Mal am Tag fasst sich der Mensch ins Gesicht, das macht ihn zum wichtigsten Komplizen der Erreger. Regelmäßiges Händewaschen sei deshalb eine viel wichtigere Schutzmaßnahme als Maskentragen, sagt Kathrin Summermatter, die Leiterin des Biosicherheitszentrums des Instituts für Infektionskrankheiten der Universität Bern.

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Professionelle FFP-Atemschutzmasken wiederum, darin ist sie sich mit Raina MacIntyre einig, sollten dem Gesundheitspersonal  vorbehalten bleiben. Das ist in Krankenhäusern und Praxen viel höheren Virendosen ausgesetzt und Nachschub ist nur sehr begrenzt zu haben. 99 Prozent der Erreger kann eine FFP3-Maske abfangen, das hat bei SARS und Ebola einigen Ärzten und Schwestern das Leben gerettet.

Für den Alltag sind sie dagegen eher eine schlechte Wahl: „Wir tragen diese Masken jeden Tag“, sagt die Schweizerin. „länger als drei Stunden möchte die niemand im Gesicht haben“. Es juckt, man schwitzt, bei jedem Luftzug kämpft man gegen den Atemwiderstand der Maske an, das sei auf Dauer ziemlich unangenehm. Hinzukommt: Der Laie kann bei der Anwendung einiges falsch machen. Die Maske muss absolut dicht und fest sitzen. Unrasiert oder mit Gesichtsschmuck darf man sie ohnehin nicht tragen. Beim Mundschutz gilt es nur zu beachten, das die Nase ebenfalls bedeckt und alle Schnüre im Nacken verknotet sind. Aber selbst für diese Light-Variante galt in Raina MacIntyre Studie: Mehr als die Hälfte der Erwachsenen wollte sie nur sehr unregelmäßig tragen.

Welche Masken gibt es?

Klassischer chirurgischer Mundschutz

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Chirurgischer Mundschutz

Der klassische chirurgische Mundschutz wird aus Papier und Vlies hergestellt und mit einem verformbaren Bügel auf die Nase aufgesetzt. Zwei hinter dem Kopf befestigte Bänder halten solche chirurgischen Masken zusätzlich fest. Feine Aerosole, über die sich wohl auch das Coronavirus verbreitet, scheint ein solcher Mundschutz zur Hälfte aufzufangen. Vorausgesetzt, er wird korrekt angelegt. Bei Influenzavirus haltigen Aerosolen kam hinter der Maske sogar nur ein Sechstel der Partikel an, wenn in ein Meter Entfernung ein Infizierter nieste.

Professionelle Atemschutzmasken

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Professionelle Atemschutzmaske

Professionelle Atemschutzmasken wurden ursprünglich im Arbeitsschutz unter anderem für Bergleute entwickelt. Sie besitzen zusätzlich zum Filter Lagen aus einem elektrostatischen Material, das kleine Staubpartikel und Flüssigkeitstropfen durch elektrostatische Kräfte auffängt. Diese sogenannten partikel-filtrierenden Halbmasken werden mit Gummizug und Nasenbügel eng ans Gesicht angepasst und fangen Partikel wie Staub, Dämpfe, Rauch und Mikroorganismen auf. Solche Atemschutzgeräte sind teilweise in verschiedenen Größen erhältlich. Der Grund: Sitzen sie nicht perfekt, können sie nur eingeschränkt ihre Wirkung entfalten. Denn die Einatemluft sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands und fließt bei Undichtigkeiten zu großen Teilen am Filter vorbei. Im Bereich der Gesichtsabdichtung, heißt es, soll man deshalb sauber rasiert und schmuckfrei sein. Auch mit Erkältung und Asthma wird geraten vom Gebrauch abzusehen. Bei der SARS-Epidemie haben professionelle Atemschutzmasken gezeigt, dass zumindest Mediziner und Pflegekräfte gut beraten sind, wenn sie im Umgang mit infizierten Patienten zu dieser Schutzausrüstung greifen.

Drei verschiedene Klassen

Die Atemschutzmasken werden in drei FFP-Klassen unterteilt – eine Abkürzung des englischen Ausdrucks „Filtering facepiece“.

> FFP-1-Masken fangen 80 Prozent der Teilchen und damit der Erreger auf.

> FFP-2-Masken müssen vor 95 Prozent der gesundheitsschädlichen Partikel schützen.

> FFP-3-Masken müssen sogar 99 Prozent der Viren abhalten

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