Krank nach FeiertrubelEin Drittel mehr Arbeitsunfähige nach Karneval im Rheinland

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann putzt sich mit einem Taschentuch die Nase.

Nach Karneval steigen die Arbeitsunfähigkeiten stark an.

Eine Analyse der Krankenkassendaten zeigt, wie viele Rheinländer an Karnevalsdienstag und Aschermittwoch verschnupft im Bett lagen.

Am Montag mit Piraten und Funkenmariechen die Beine geschwungen, am Dienstag noch als widerstandsfähiger Tiger den Nubbel unter den Tisch getrunken. Seit Mittwoch mit Halskratzen, Schnupfen und Gliederschmerzen die Pyjama-Verkleidung nicht mehr abgelegt. Die klassische Karnevalskurve, die sich zunächst zu ungeahnten Krafthöhepunkten hinaufschunkelt und dann spätestens am Aschermittwoch jäh in die Atemwegserkrankung abstürzt, ist im Rheinland auch nach dieser Session zu beobachten. Zumindest wenn man Daten zu Arbeitsunfähigkeiten zu Rate zieht, die die AOK Rheinland auf Anfrage für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ zusammengestellt hat.

Lag die Zahl der neu arbeitsunfähig gemeldeten Versicherten in diesem Jahr in der Altweiberwoche noch bei 11.325, stieg sie am Karnevalsdienstag auf 14.055 Krank-das-Bett-Hüter an. Das entspricht einem Zuwachs von knapp einem Drittel.

Dabei erwiesen sich die Frauen mit 6797 Krankmeldungen als etwas widerstandsfähiger als die Männer mit 7258. Zu berücksichtigen ist freilich, dass die Zahlen nur berufstätige Versicherte umfasst, Rentnerinnen und Rentner sowie Erwerbslose beispielsweise sind in der Statistik nicht berücksichtigt

Im Jahr 2022 feierten sich die Rheinländer vergleichsweise noch häufiger krank

Ein Blick zurück auf das vergangene Jahr zeigt, dass das Rheinland in diesem Jahr möglicherweise aus dem Feiertrubel noch glimpflich rausgekommen ist. Im Jahr 2023 lag die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf den Tischen der Arbeitgeber am Karnevalsdienstag bei stattlichen 18.116. Im Vergleich zur Altweiberwoche entsprach das damals einem Plus von fast zwei Dritteln. Lediglich 2022 war die Feier-Krankheits-Kurve noch flacher als dieses Jahr. Kurz nachpandemisch stiegt sie da vom sehr niedrigen Niveau 6746 auf schmale 8977 Arbeitsunfähigkeiten an.

Allen drei untersuchten Jahren ist im Rheinland aber gemein, dass die Krankheitswelle nach Karneval auch schnell wieder abflacht. Schon an Aschermittwoch haben sich die Zahlen in diesem Jahr beispielsweise schon wieder fast auf 7613 halbiert. In den beiden Jahren zuvor gingen sie immerhin jeweils um rund 20 Prozent zurück. So sagte eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg gegenüber dieser Zeitung: „Befürchtung, dass durch den Karneval der Krankenstand auf längere Zeit erhöht bleibt, äußern unsere Expertinnen und Experten nicht.“ Auch die Sprecherin des Hausärzteverbandes Nordrhein sagt gegenüber dieser Zeitung, dass die Zahl der Infektkranken den der Vorjahre entspreche „und so auch von uns erwartet worden“ war.

Nach Karneval folgt die Genesung

Nimmt man die Zahlen der Barmer Ersatzkasse für NRW in den Blick, die Arbeitsunfähigkeiten wegen Atemwegserkrankungen Woche für Woche aufschlüsselt, so ist für 2023 ebenfalls ein Karnevalskrankheitspeak und eine anschließende Genesung erkennbar. In der Rosenmontagswoche zählte die Statistik hier 57,12 Arbeitsunfähigkeiten je 1000 Anspruchsberechtigten. In der Woche zuvor wie danach lag die Rate bei knapp unter 50.

Das sind gute Nachrichten für ein Gesundheitssystem, das an vielen Stellen ächzt. Ruft man Thomas Preis an, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, dann schimpft er vor allem auf das E-Rezept, das den Alltag von Patienten, aber auch Apothekern und Ärzten, eher erschwere als erleichtere. Gerade für gesetzlich Versicherte entstünden hier viele Nachteile. Privatversicherte, die weiter Verordnungen aus Papier ausgehändigt bekommen, seien hier „im Vorteil“.

Besonders ärgerlich sei die Wartezeit in den Apotheken, denn wenn der Patient zum Abholen käme, seien die E-Rezepte häufig noch unsigniert. „Manche Patienten müssen hier zehn bis 15 Minuten warten, bis die Unterschrift kommt. Andere schicken wir nach Hause und bitten sie am nächsten Tag wiederzukommen. Denn es gibt durchaus Ärzte, die signieren nur zweimal am Tag“, sagt Preis auf Anfrage. „Wir haben schon darüber nachgedacht, auch in den Apotheken ein Wartezimmer einzurichten.“ Komplett zum Erliegen komme die Versorgung, wenn Server ausfielen. „Mitte der Woche ging mindestens eine Stunde lang gar nichts mehr. Die Ärzte konnten keine Rezepte schreiben, wir keine abrufen“, sagt Preis.

Apothekerverband warnt vor Versorgungsengpass mit Asthmasprays

Der Ärger mit dem E-Rezept taucht auf in einer ohnehin schon problemschwangeren Apothekerwelt. Denn auch die Lieferengpässe bei Medikamenten machen den Pharmazeuten weiter zu schaffen. Auch wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wegen erhöhter Produktion in den vergangenen Monaten eine leichte Entspannung auf dem Antibiotikasaftmarkt vermeldet, weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass aufgrund von regionalen Unterschieden eine bedarfsgerechte Verfügbarkeit je nach Verlauf der Infektionssaison nicht garantiert werden kann.

Das spiegelt auch Preis‘ Erfahrung wider. Allein in der laufenden Woche sind seiner Auskunft nach zehn neue Kinder-Antibiotika gemeldet worden, die nun nicht mehr bestellbar seien. Sie gesellen sich zu den etwa 500 Medikamenten, die ohnehin nicht lieferbar seien. „Wenn ein Präparat nicht mehr verfügbar ist, weichen wir aus auf andere Wirkstoffe. Die werden dann auch knapp. Ein Lieferengpass zieht so den nächsten nach sich“, sagt Preis. Unter Knappheiten müssten derzeit auch Patienten leiden, die auf Morphinpräparate oder andere starke Schmerzmittel angewiesen seien. „Bei Asthmasprays liegt sogar ein Versorgungsengpass vor“, so Preis. Das bedeute, es bestehe die Gefahr, dass „nicht mehr alle Patienten ausreichend versorgt werden können“, weshalb auch chronisch Erkrankte nur noch ein Fläschchen abholen dürften, eine Bevorratung sei nicht mehr möglich.

Preis erkennt aber auch Entwicklungen, die ihn hoffnungsvoll stimmen. Zur nun beginnenden Heuschnupfenzeit seien beispielsweise alle rezeptfrei erhältlichen Medikamente aus der Apotheke „ausreichend vorhanden und lieferbar“. Auch von einem dramatischen Anwachsen der Krankheitswelle kann Preis nicht berichten. „Möglicherweise haben wir einen nachpandemischen Zeitpunkt erreicht, in dem die Menschen wieder gut mit den üblichen Viren zurechtkommen.“ Zudem bescheinigt Preis den Patienten einen verantwortungsvollen Umgang mit Krankheiten allgemein. „Wir haben eine hohe Nachfrage nach Masken und Tests, die Menschen scheinen hier sehr rücksichtsvoll zu handeln.“

KStA abonnieren