Kölner Schlafmediziner erklärtAnwendung, Risiko – Wie gut wirken Melatonin-Sprays bei Schlafproblemen?

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Aus einer Dose wird ein Stoß Partikel abgegeben. (Archivbild)

Besonders schnell wirkt Melatonin, wenn man es als Spray durch den Rachen aufnimmt.

Melatonin-Medikamente sind in der Apotheke frei verkäuflich und werden immer beliebter. Ein Schlafmediziner beantwortet die wichtigsten Fragen. 

Abends nicht einschlafen können, mitten in der Nacht einfach wieder aufwachen und am nächsten Morgen völlig übermüdet zur Arbeit: Das ist für viele Menschen in Deutschland Alltag. Tipps und Medikamente gegen Schlafstörungen gibt es viele. Immer beliebter werden in den letzten Jahren Medikamente mit dem Wirkstoff Melatonin. Diese versprechen großen Effekt bei wenigen Nebenwirkungen. Wie gut sie wirklich funktionieren und ob es nicht doch Risiken gibt, haben wir den Kölner Schlafmediziner Dr. Michael Feld gefragt. Er beantwortet die wichtigsten Fragen rund um Melatonin.

Dr. Michael Feld im Portrait (Archivbild)

Kennt sich gut mit Schlafproblemen aus und weiß, was dagegen hilft: der Kölner Schlafmediziner Michael Feld.

Wie verbreitet sind Schlafprobleme?

„Grundsätzlich kann man sagen, dass etwa zwei Drittel der Menschen in Deutschland gut schlafen und etwa ein Drittel mit Problemen zu kämpfen hat“, erklärt Feld. Nicht alle, die zu diesem Teil der Bevölkerung zählen, haben jedoch starke Schlafprobleme. Insgesamt mache die Gruppe der „heftigen und hartnäckigen“ Fälle, bei denen eine ärztliche Betreuung notwendig sei, etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus. 

Was hat Melatonin überhaupt mit unserem Schlaf zu tun?

Melatonin wird von unserem Körper – in der Zirbeldrüse des Gehirns – selbst hergestellt. Bei uns Menschen wirkt es als Schlafhormon. Schüttet unser Körper viel Melatonin aus, werden wir müde und schlafen ein. Die körpereigene Produktion von Melatonin hängt dabei vom Tageslichteinfall auf unser Auge ab. Wenn es hell ist, stellt unser Körper wenig Melatonin her, bei Dunkelheit deutlich mehr. Deshalb richtet sich unser Schlafrhythmus normalerweise nach Tag- und Nachtzeit.

Welche Melatonin-Medikamente gibt es?

Der Gedanke hinter Melatonin-Medikamenten ist einfach: Wenn das von unserem Körper natürlich hergestellte Melatonin nicht ausreicht, um uns zeitnah und fest einschlafen zu lassen, erhöht man den Melatoninspiegel künstlich. „In anderen Ländern, vor allem in den USA, gibt es solche Medikamente auch ohne ärztliches Rezept schon ewig“, sagt Feld. In Deutschland waren sie dagegen bis vor etwa drei Jahren nur mit einem Rezept zu bekommen. Mittlerweile können sie auch hier rezeptfrei in Apotheken gekauft werden. Die frei zugänglichen Medikamente sind dabei auf 1 bis 2 Milligramm Melatoningehalt beschränkt. Mit Rezept bekommt man auch höhere Dosen. 

Melatonin-Medikamente kommen in vielen verschiedenen Formen daher: „Man kann Melatonin zum Beispiel als Tee, Kapsel, Gummibärchen oder als Spray einnehmen“, sagt Feld.

Wie gut wirken diese Medikamente?

Besonders die letztgenannten Sprays erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit. Michael Feld: „Die Mundsprays sind besonders effektiv, weil das Melatonin direkt an die Mundschleimhäute gelangt, statt zuerst in den Magen und dann erst in die Blutbahn zu kommen.“ Sprays wirkten daher besonders schnell. Je nachdem wie müde man bereits ist, könnte es nur wenige Minuten dauern, bis man wieder fest eingeschlafen sei. Ein anderer Vorteil sei, dass man die Mundsprays besser dosieren könne. Der Schlafmediziner nennt ein Beispiel: „Wenn ich um vier Uhr morgens aufwache und noch zwei Stunden Zeit zum Schlafen habe, kann ich keine Schlaftablette mehr nehmen. Die Wirkung des Mundsprays hält aber nur ein bis zwei Stunden an.“

Unabhängig von der Form, in der man sie einnimmt, steht Feld den Melatonin-Medikamenten insgesamt positiv gegenüber. Bei vielen Menschen linderten diese Schlafprobleme vergleichsweise unkompliziert. Zudem wirke Melatonin ähnlich wie Vitamin C entzündungshemmend und erhöhe durch die bessere Koordination der Zellfunktionen die nächtliche Erholung. Gleichzeitig sei klar, dass die Wirkung von Melatonin wie bei jedem Wirkstoff immer vom individuellen Nutzer abhänge: „Es gibt auch Menschen, bei denen das kaum oder gar nicht wirkt.“

Grundsätzlich rät Feld deshalb Menschen mit Schlafproblemen, erst einmal für etwa vier Wochen rezeptfreie Medikamente, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Melatonin, auszuprobieren. Werde die Lage dann nicht merklich besser, sollte man zum Arzt gehen und sich über weitere Schritte beraten lassen.

Welche Risiken birgt Melatonin?

„Es gibt kein Medikament, das keine Nebenwirkungen verursachen kann. Trotzdem sind sie bei Melatonin relativ schwach ausgeprägt“, sagt Feld. Möglich seien zum Beispiel Kopfschmerzen oder eine verstärkte Traumtätigkeit. Hält man sich als Erwachsener an die Packungsbeilage, gebe es aber keine größeren Risiken.

Anders sieht das laut Feld bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere Kleinkindern, sowie bei Schwangeren aus. In den USA sind in den vergangenen Jahren Fälle bekannt geworden, bei denen Kleinkinder mit einer sehr hohen Melatoninkonzentration im Blut gestorben sind. Ob es einen direkten Zusammenhang gibt, ist allerdings noch unklar. Das gilt auch für die Gefährdung von Schwangeren: „Wir wissen nicht, welche Risiken das genau für Schwangere birgt, weil man natürlich keine medizinischen Tests mit ihnen durchführt.“ Feld rät aber zur Vorsicht und deshalb davon ab, den genannten Personengruppen Melatonin-Medikamente zu geben.

Was hilft sonst gegen Schlafprobleme?

Schließlich gibt es auch ohne Melatonin viele Möglichkeiten, Schlafprobleme zu lindern: „Wer keine Medikamente nehmen kann oder möchte, sollte darauf achten, dass das Schlafzimmer dunkel, leise und kühl ist. Man sollte feste Schlafzeiten einhalten, nicht direkt vor dem Schlafengehen noch anstrengenden Tätigkeiten nachgehen und nicht zu spät zu Abend essen.“

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