Skurrile LeidenIst das noch Angst oder schon eine Phobie?

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Phobien sind eine Form von Angststörungen, es gibt über 250 verschiedene Ausprägungen.

Bochum/München – Sie hat ihr Handy vergessen. Als die junge Frau das bemerkt, bekommt sie schlagartig wahnsinnige Angst. Das klingt für Außenstehende zunächst einmal absurd - das ist doch kein Grund, zu zittern oder Schweißausbrüche zu bekommen, denken sie. Doch die Betroffene ist felsenfest überzeugt: Ihr entgeht ein wichtiger Anruf. Sie ist für einen Menschen, bei dem es vielleicht um Leben oder Tod geht, nicht erreichbar. Selbst wenn sie ihr Handy dabei hat, gerät sie manchmal in Panik: Die Frau leidet an... 

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Ist das Handy noch da? Menschen mit Nomophobie haben ständig Angst, ihr Mobiltelefon verloren oder irgendwo liegengelassen zu haben. 

Phobien sind Angststörungen, es gibt über 250 davon

Phobien sind eine Form von Angststörungen. Zu den über 250 Phobien, die es gibt, gehört auch die...

„Solchen Phobien geht oft ein einschneidendes Schlüsselerlebnis voraus“, sagt Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Ruhr-Universität Bochum. Denn es ist eine im Gehirn als dramatisch abgespeicherte Erfahrung, die bei einem bestimmten Auslöser im Körper eine Kettenreaktion in Gang setzen kann. Vielleicht hat zum Beispiel die unter Nomophobie leidende Frau einmal die Situation erlebt, dass sie neben einem Schwerverletzten stand und nicht schnell genug einen Notruf absetzen konnte, weil sie ihr Handy nicht dabeihatte. Und Betroffene mit Gelotophobie sind zum Beispiel in ihrer Kindheit eventuell einmal von Spielkameraden übel verhöhnt worden.

Zu den spezifischen Phobien zählt auch die... 

Für Außenstehende mögen solche Phobien kurios klingen. Aber für die Betroffenen sind sie ein ernstes Problem und oft schwer erträglich. Und sie können krank machen.

„Eine Phobie wird dann zur Krankheit, wenn mehrere Kriterien vorliegen“, sagt Margraf. Dazu gehört, dass der Betroffene die Angst in der jeweiligen Situation als unangemessen stark empfindet, er sie kaum aushält und das Leiden seine Lebensqualität stark einschränkt.

Phobien werden oft mit einer kognitiven Verhaltenstherapie behandelt

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Prof. Peter Falkai

Liegen diese Kriterien vor, dann sollte man einen psychologischen Psychotherapeuten aufsuchen. „Phobien werden oft mit einer kognitiven Verhaltenstherapie behandelt“, erklärt Prof. Peter Falkai, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Bei dieser Methode spielt der Therapeut mit dem Patienten die angstauslösenden Situationen durch. Er analysiert sie und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. „Oft bessert sich schon nach wenigen Sitzungen das Wohlbefinden des Patienten“, so Falkai. Die Therapie kann auch mit der Einnahme eines leichten Antidepressivums kombiniert werden.

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Die Art der Phobie bestimmt den Therapieansatz. „Bei einer Nomophobie etwa wird mit dem Patienten trainiert, dass er unabhängiger von seinem Handy wird“, erläutert Prof. Markus Banger, Chefarzt der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen und Psychotherapie sowie Ärztlicher Direktor der LVR-Klinik Bonn.

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Prof. Markus Banger

Der Patient wird zum Beispiel dazu angehalten, nicht mehr alle 5 Minuten, sondern in einem ersten Schritt vielleicht nur alle 10 und dann alle 15 Minuten auf sein Handy zu gucken. Später werden die Zeitabstände weiter erhöht.

Erkennen, dass Ängste einen einfach nur tyrannisieren

Zu der Therapie kann auch gehören, die Situation, die zu der Phobie geführt hat, zu besprechen und einen Schlussstrich darunter zu ziehen. „Bestandteil der Therapie ist auch zu erkennen, dass bestimmte Ängste einen einfach nur tyrannisieren“, betont Falkai. Sie müssten im Gespräch zwischen Therapeuten und Patient als „unsinnig“ und somit als „völlig überflüssig“ definiert werden.

Im Fall von Gelotophobie ist es wichtig, dass in der Therapie verschiedene Lachmuster besprochen werden: Wann hört sich ein Lachen fröhlich an? Wann klingt es gehässig? Wann ist es vielleicht einfach nur selbstgefällig? Optimal sei, wenn sich Therapeut und Patient dafür in die Öffentlichkeit begeben, sagt Falkai. „Zum Beispiel in ein Café.“ Dort sei das analysierte Lachen auch authentisch.

Lieber schnell zum Therapeuten, bevor die Angststörung chronisch wird

Eine Phobie kann auch Ausdruck eines Problems sein, dass keinen konkreten Auslöser hatte. „Jemand, der unter Oneirogmophobie leidet, hat womöglich Schwierigkeiten, seine Sexualität auszuleben“, erklärt Margraf an einem Beispiel. In solchen Fällen hilft unter Umständen eine Gesprächstherapie.

Es gibt auch Betroffene, die es alleine schaffen, ihre Angst zu besiegen. Schlägt die Eigentherapie nicht an, sollte aber möglichst zügig ein erfahrener Therapeut zurate gezogen werden - sonst kann es passieren, dass die Angststörung chronisch wird. (dpa/tmn)

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