ZufriedenheitsforscherSchon ab diesem Einkommen macht uns Geld nicht mehr glücklicher

Lesezeit 7 Minuten
Mann enspannt, Getty Images

Ein solides Einkommen macht zufrieden, Reichtum ist nicht entscheidend. 

  • Der Soziologie-Professor Martin Schröder liebt große Datenmengen und nutzt die des Sozio-Ökonomischen Panels für seine Zufriedenheits-Studien.
  • Manche Ergebnisse sind ihm selbst unangenehm, etwa dieses: Väter sind zufriedener, je mehr sie arbeiten. Für Mütter gilt das nicht.
  • Überraschend ist auch: Immer mehr Geld und immer mehr Freunde machen nicht immer zufriedener. Andere Dinge sind wichtiger.

Köln – Martin Schröder, geboren 1981, ist Professor für Soziologie an der Philipps-Universität Marburg und hat sich auf die Zufriedenheitsforschung spezialisiert. Die Grundlage für sein kürzlich erschienenes Buch „Wann sind wir wirklich zufrieden? Überaschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld“ sind Befragungen, die vom Sozio-oekonomische Panel (SOEP) durchgeführt werden. Das SOEP ist eine unabhängige, forschungsbasierte Infrastruktureinrichtung in Berlin, die ihre Daten Forschenden aus aller Welt zur Verfügung stellt. Seit 1984 wurden 84.954 Menschen unter anderem 639.144 Mal befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind.

Herr Schröder, gehen Sie aktuell mehr spazieren als vor der Corona-Pandemie?

Martin Schöder: Etwas mehr, da das ja lange die einzige Möglichkeit war, Freunde zu sehen. Aber ich habe mir auch ein Rudergerät gekauft. 

Neuer Inhalt

Wahrscheinlich sitzen Sie mehr vor Ihrem Computer, oder? Sie beschreiben sich in Ihrem Buch als begrenzt lebensfähigen Soziologie-Professor, der alle paar Wochen seinen Koffer im Zug vergisst, dafür aber gern über riesige Datenmengen nachdenkt.

Schröder: Ja, insofern habe ich Glück. Mit dem Laptop auf dem Balkon zu sitzen, ist ja kein Problem. Im Gegenteil, man ist dazu gezwungen, genau das zu machen.

Der gute alte Spaziergang scheint aktuell beliebter zu sein denn je. Sie haben sich bei Ihren Daten-Analysen intensiv damit beschäftigt, was Menschen zufrieden macht. Gehört das Spazierengehen dazu?

Schröder: Spazierengehen per se nicht, aber Sport hat einen gewissen Einfluss. Wer öfter Sport macht, ist etwas zufriedener als andere – aber der Einfluss ist geringer, als man gemeinhin denkt.

Wirklich? Aber wir alle kennen doch das Gefühl, anschließend rundum zufrieden zu sein, wenn wir uns zu einem Gang oder zum Sport aufgerafft haben.

Schröder: Bei mir geht es um Lebenszufriedenheit. Wenn jemand sagt, heute, jetzt nach dem Spaziergang, geht es mir gut, dann ist das eher Glück. Aber mich haben die Ergebnisse auch überrascht. Ich hätte gedacht, dass Bewegung einen größeren Einfluss auf die Lebenszufriedenheit hat.

Gibt es aktuell schon Daten, die etwas darüber aussagen, welchen Einfluss das Coronavirus auf unsere Zufriedenheit hat?

Schröder: Da sind gerade alle ganz heiß drauf, aber es gibt diese Daten noch nicht. Sie werden zur Zeit erhoben. Man kann allerdings ein paar Sachen ableiten. Ich habe mir zum Beispiel angeguckt, wie viel unzufriedener Menschen sind, wenn sie ihre Freunde nicht treffen können oder das Gefühl bekommen, weniger Kontrolle über ihr Leben zu haben. Da zeigt sich: Auf einer 100er-Skale büße ich, wenn ich meine Freunde nicht mehr sehen kann, ungefähr vier Punkte ein. Wenn ich das Gefühl habe, viel weniger Kontrolle über mein Leben zu haben, gehen etwa neun Punkte verloren. Das ist schon viel. Arbeitslos zu werden zum Beispiel, kostet fünf bis zehn Punkte. Das ist ein starker, bekannter Effekt. Aber es spricht angesichts solcher Effekte zumindest nichts dafür, dass ansonsten gesunde Menschen jetzt reihenweise depressiv werden.     

Gibt es einen Haupt-Zufriedenheitsfaktor? Gesundheit, Geld, viele Freunde? Irgendetwas, das uns Deutsche besonders zufrieden macht, wenn wir möglichst viel davon haben?

Schröder: Das allerwichtigste scheint, so banal sich das anhört, neben Gesundheit der Schlaf zu sein. Die Daten zeigen, dass Menschen, die immer sehr wenig schlafen, deutlich unzufriedener sind mit ihrem Leben als solche, die sieben, acht, neun Stunden Schlaf bekommen.

Schlaf ist wichtiger als Geld?

Schröder: Mehr Geld macht Sie dann zufriedener, wenn sie keins haben. Sobald sie als Single netto rund 2.000 Euro, als Paar etwa 3.400 und für jedes Kind noch mal 1.000 Euro dazu zur Verfügung haben, gibt es überhaupt keinen Zusammenhang mehr zwischen Zufriedenheit und noch mehr Einkommen.

Trotzdem streben viele von uns danach, immer noch mehr zu verdienen.

Schröder: Ich muss dabei darauf hinweisen, dass ich auf Grund der Daten nur etwas über Durchschnittswerte aussagen kann. Ob Sie persönlich vielleicht die Ausnahme sind und schon mit 1.500 Euro oder erst mit 3.000 Euro zufrieden sind, kann ich nicht berechnen. Deshalb ist mein Buch kein Ratgeber geworden, sondern eine Gesellschaftsbeobachtung.

Mit Freunden ist es Ihren Daten zufolge ähnlich wie mit dem Geld. Haben wir fünf, haben wir genug. Mehr machen uns nicht zufriedener.

Schröder: Ich denke das liegt daran, dass unsere eigene Zeit eine begrenzte Ressource ist. Wir haben ja nicht mehr Zeit, nur weil wir mehr enge Freunde haben. Die Freundschaften werden dann nur oberflächlicher und tragen nichts mehr zur Zufriedenheit bei.

Familien mit Kindern haben es gerade besonders schwer. Wie ist das ohne Corona – sind Eltern zufriedener als Kinderlose?

Schröder: Da haben wir ein Ergebnis, das in der Zufriedenheitsforschung schon lange immer wieder erstaunt: Es gibt einfach keinen Zusammenhang zwischen Kindern und Zufriedenheit. Weder sind Menschen zufriedener oder unzufriedener, nachdem sie Kinder bekommen haben. Noch sind Menschen mit Kindern zufriedener oder unzufriedener als Menschen ohne Kinder in einer ansonsten vergleichbaren Lebenssituation. So richtig hat dafür keiner eine Erklärung. Mein Interpretation ist: Es ist schön, Kinder zu haben. Aber auch Kinderlose haben gar kein so schlechtes Leben. Von Dingen, die die Lebenszufriedenheit erhöhen – Schlaf, Freunde, Geld, Sport – haben Kinderlose sogar mehr. Insgesamt scheint sich da dann eine große Null zu ergeben.   

Also ist das Gefühl, das viele spätestens mit Mitte 30 überkommt, nämlich dass ihnen Kinder fehlen zum großen Glück im Leben, lediglich eine Tücke der Natur?

Schröder: Genau. Ich würde es vereinfacht so zusammenfassen: Die Evolution braucht nicht, dass wir mit Kindern glücklich sind, sondern nur, dass wir sie überhaupt kriegen. Insofern ist das schon ein fieser Trick. Wobei die Daten ja auch nicht zeigen, dass Eltern unzufriedener sind. Es macht einfach überhaupt keinen Unterschied.

Dann ist da die Sache mit Müttern und Vätern und der Arbeitszeit. Sie haben dazu Interessantes festgestellt.  

Schröder: Ja. Das sind so Ergebnisse, die mir selber fast ein bisschen unangenehm sind. Es zeigt sich: Die Zufriedenheit von Vätern steigt extrem mit der Arbeitszeit an. Die von Müttern dagegen nicht.

Das könnte Sie auch interessieren:

All die Väter, die sagen, sie würden gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, gehen in Wirklichkeit also am liebsten zur Arbeit?

Schröder: Männer, die bewusst in Elternzeit gehen, sind erst mal nicht unzufriedener. Aber: Wenn der selbe Mann anfängt, kürzer zu arbeiten, sinkt seine Zufriedenheit. Arbeitet er länger, steigt sie. Und auch Frauen sind zufriedener, wenn der Mann länger arbeitet. Für Alleinerziehenden, egal ob Mann oder Frau, gilt das nicht. Was macht man jetzt aus diesen Daten? Meine Interpretation ist: In Paarbeziehungen spielen traditionelle Geschlechterrollen noch immer eine wichtige Rolle. Offenbar finden die meisten am anderen geschlechterstereotypes Verhalten irgendwie hot. Dazu gehört, dass der Mann das Geld nach Hause bringt und sich eher die Frau um die Kinder kümmert. Ich sage nicht, dass Männer und Frauen so sind. Es scheint aber so zu sein, dass beide irritiert sind, wenn einer seine Rolle nicht richtig spielt.

Literatur

Martin Schröder: Wann sind wir wirklich zufrieden? Überaschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld, C. Bertelsmann, 20 Euro

Tatsächlich?

Schröder: Ja. Beide sind unzufriedener, wenn die Frau mehr verdient. Beide sind unzufriedener, wenn der Mann die gesamte Hausarbeit macht. Es gibt sogar eine Untersuchung aus den USA, dass Paare, die sich die Hausarbeit gleicher aufteilen, weniger und schlechteren Sex haben. Und aus Dänemark gibt es eine Studie, die gezeigt hat, dass bei Männern der Absatz von potenzfördernden und bei Frauen von angstlösenden Medikamenten steigt, sobald die Frau mehr als 50 Prozent zum Familieneinkommen beiträgt.

Eine weitere Ihrer Erkenntnisse: „Je patriotischer jemand ist, desto zufriedener ist er.“ Spielt das aktuell in der Corona-Pandemie eine Rolle?

Schröder: Da kann man wieder nur spekulieren, aber es ist denkbar. Es gibt eine ganz klassische Untersuchung aus der Soziologie: Demnach begehen weniger Menschen Suizid, wenn das eigene Land einem anderen den Krieg erklärt hat. Das liegt wohl am Anstieg des Gemeinschaftsgefühls.

Und jetzt ist das Virus der gemeinsame Feind?

Schröder: Diesen Zusammenhang halte ich nicht für unwahrscheinlich. Wir müssen zusammen an einer Aufgabe arbeiten, und das kann Menschen gut tun.    Herr Schröder, vielen Dank für das Gespräch.

KStA abonnieren