Was Eltern wissen müssenViele kleine Kinder erkranken derzeit am RS-Virus

Lesezeit 4 Minuten
Ein am Respiratorischen Synzytial-Virus (RS-Virus oder RSV) erkrankter Patient liegt auf einer Kinderstation des Olgahospitals des Klinkums Stuttgart in einem Krankenbett. Vorne ist eine Kinderhand, im Hintergrund ist eine Krankenschwester.

Ein am RS-Virus erkrankter Patient liegt auf einer Kinderstation in einem Krankenbett. (Archivbild)

Wie gefährlich ist der Respiratorischen Synzytial­virus (RSV) und woran liegt es, dass die Krankheits­welle in diesem Jahr so schwer ausfällt?

In vielen Kinder­kliniken in Deutschland drohen die Plätze knapp zu werden. Der Grund ist eine ungewöhnlich hohe Zahl von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial­virus (RSV). Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema im Überblick.

Was sind RS-Viren?

Das Respiratorische Synzytial­virus ist ein weltweit vorkommender Erreger von Infektionen der Atemwege. Bei Säuglingen und Kleinkindern ist er einer der bedeutendsten Auslöser von Atemwegs­erkrankungen, aber auch andere Alters­gruppen können sich infizieren. Eiweiße aus der Hülle des RS-Virus können die Zellen des Lungen­gewebes verschmelzen. Dadurch entstehen Riesen­zellen mit mehreren Zellkernen, die man Synzytien nennt – hieraus leitet sich der Name des Virus ab.

Eine Ansteckung erfolgt vor allem durch Tröpfchen­infektionen beim Kontakt mit einer infizierten Person oder durch kontaminierte Gegenstände und Oberflächen. Normalerweise treten Infektionen nur saisonal in der kälteren Jahreszeit auf, in den vergangenen Jahren hat sich jedoch das Infektions­geschehen in vielen Ländern verändert.

Wie gefährlich ist das RS-Virus?

In den meisten Fällen heilen RS-Virus-Infektionen von alleine wieder aus, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern kann es aber auch zu schweren Verläufen und Todesfällen kommen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist bei einer Infektion im ersten Lebensjahr normalerweise mit 5,6 schweren Verläufen pro 1000 Kindern zu rechnen. Bei 0,2 Prozent der Kinder, die wegen einer Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen, verläuft die Erkrankung tödlich.

Die Sterblichkeit von Kindern mit besonderen Risiko­faktoren, wie zum Beispiel einem schweren Herzfehler, liegt bei bis zu 5 Prozent. Erwachsene können in einigen Fällen ebenfalls schwer erkranken, vor allem dann, wenn sie immun­geschwächt sind oder bereits an einer chronischen Herz-Kreislauf- oder Atemwegs­erkrankung leiden.

Warum erkranken derzeit so viele Kinder?

Das Infektions­geschehen hat sich seit Beginn der Corona-Maßnahmen verändert. So führte bisher meist nur der erste Kontakt mit dem Erreger zu stärkeren Krankheits­symptomen. Danach hatten Kinder eine Basis­immunität erworben. Alle weiteren Infektionen verliefen dann in der Regel mild, aktivierten aber erneut das Immun­system und sorgten wie eine Art Booster dafür, dass der Immun­schutz aufrecht­erhalten blieb.

Durch die Corona-Maßnahmen sind Kinder aber lange Zeit kaum mit RS-Viren in Kontakt gekommen, die sonst viel stärker in der Bevölkerung zirkulieren. Ein allmählicher Wegfall der Maßnahmen gilt daher als Grund dafür, dass sich nun mehr Kinder gleichzeitig als sonst das erste Mal infizieren.

Bei Säuglingen spielt zudem der Immun­schutz eine wichtige Rolle, der durch die Mutter vermittelt wird. Schwangere können in den letzten Wochen vor der Geburt Antikörper gegen RS-Viren auf ihr Kind übertragen, das dann für einige Wochen vor einem schweren Verlauf geschützt ist. Als Risiko­gruppe für schwere Verläufe gelten daher insbesondere Frühgeborene, denen dieser Immun­schutz fehlt. Wenn aufgrund von Hygiene­maßnahmen weniger Mütter selbst einen Immun­schutz erworben haben, können aber auch weniger von ihnen einen Schutz auf ihr Neugeborenes übertragen, selbst bei einer normalen Schwangerschafts­dauer.

Etwas größeren Kindern, die bereits einmal oder mehrmals erkrankt waren, fehlt durch die Corona-Zeit außerdem der Booster-Effekt. Durch den fehlenden Kontakt mit Erregern können sie also wieder häufiger schwer erkranken. Schon im vergangenen Jahr, in der ersten Erkältungs­saison nach Maßnahmen­lockerungen, war eine deutliche Zunahme der RSV-Infektionen festgestellt worden. Ähnliche Effekte wurden auch in anderen Ländern und bei vielen anderen Atemwegs­erkrankungen beobachtet.

Wie werden Infektionen mit dem RS-Virus behandelt?

Laut RKI können nur die Symptome einer Erkrankung behandelt werden. Dazu gehört, die Kinder ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen und ihre Atemwege durch Nasens­pülungen oder Tropfen freizuhalten. Bei schwereren Verläufen können Sauerstoff­gaben erforderlich sein oder eine Beatmung per Atemmaske oder Atem­maschine. Kommt es zu starker Atemnot kann zudem versucht werden, die Bronchen durch Medikamente zu weiten.

Gibt es eine Impfung gegen das RS-Virus?

Es ist kein klassischer Impfstoff gegen RS-Viren zugelassen. Für Kinder, die besonders früh geboren wurden oder Frühgeborene, bei denen weitere Risiko­faktoren vorliegen, empfehlen Leitlinien eine vorbeugende Behandlung mit monoklonalen Antikörpern. Diese sollen den Immun­schutz verbessern. Eine Impfung für Schwangere, durch die ein Immun­schutz auf das Kind übertragen werden soll, befindet sich noch in der Entwicklung.

Wie erkenne ich, ob mein Kind am RS-Virus erkrankt ist?

Eine RS-Virus-Infektion von anderen Erkältungs­krankheiten zu unterscheiden ist für Eltern in der Regel nicht möglich. Eine gesicherte Diagnose können nur der Arzt oder die Ärztin mithilfe eines PCR-Tests stellen. Es gibt aber Warnsignale, bei denen im Fall einer Erkrankung immer ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht oder zumindest kontaktiert werden sollte, auch bei unbekanntem Erreger. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iquig) hat diese auf seiner Seite zusammengefasst.

Ärztlichen Rat sollten Sie demnach einholen:

  • Wenn bei Ihrem kranken Kind das Fieber über 39 °C steigt oder bei Babys unter drei Monaten über 38 °C.
  • Wenn Fieber bei Babys bis zu zwei Jahren länger als einen Tag anhält oder bei Kindern ab zwei Jahren länger als drei Tage.
  • Wenn es schubweise oder wiederholt auftritt, wenn das Fieber auch nach der Einnahme fieber­senkender Mittel nicht sinkt.
  • Wenn es zu einem Fieber­krampf kommt.

Ebenfalls einen Arzt oder eine Ärztin kontaktieren sollten Sie dann, wenn zusätzlich zum Fieber Erbrechen, Durchfall oder Bauch­schmerzen auftreten, ein Hautausschlag sichtbar wird, Ihr Kind nicht richtig Luft bekommt, beim Atmen stöhnt, Sie „knisternde“ Atem­geräusche hören oder Ihr Kind den Kopf kaum noch nach vorn neigen kann (Nacken­steifheit kann das Anzeichen einer Hirnhaut­entzündung sein).

Säuglinge unter drei Monaten können laut Iquig auch dann ernster krank sein, wenn sie noch kein Fieber, sondern nur eine erhöhte Temperatur haben. Bei ihnen ist ärztlicher Rat deshalb auch dann wichtig, wenn sie zwar nicht fiebern, aber nicht mehr trinken, teilnahmslos wirken und kaum reagieren oder sehr unruhig sind.

KStA abonnieren