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Was tun bei Prostata-Krebs?„Sie haben immer mindestens zwei Therapie-Optionen“

7 min
Köln: Medizintalk im Kölner Domforum: „Still, gefährlich, heilbar?“ Claudia Lehnen spricht mit Professor Dr. Axel Heidenreich. Foto: Arton Krasniqi

Professor Axel Heidenreich sprach beim Medizintalk im Kölner Domforum zum Thema: „Still, gefährlich, heilbar? Neue Wege im Kampf gegen Prostata- und Blasenkrebs“.

Die Prostata hat nicht das beste Image: Sie birgt die häufigste Krebsart bei Männern. Warum die Heilungschancen gut sind und als Therapie nie nur eine Operation in Frage kommt, erklärt Experte Professor Dr. Axel Heidenreich.

Manchmal kann sie die Größe eines Handballs einnehmen, liegt an ihr ein Tumor vor, der eine Operation nötig macht, fürchten Männer um ihre Potenz und Kontinenz. Die Prostata hat nicht das beste Image, wird sie zum Thema, geht es meist um ein Problem. Welche Therapien bei Krebs möglich sind und warum diese in vielen Fällen einfach im Abwarten bestehen kann, erklärt Professor Dr. Axel Heidenreich, Leiter des uro-onkologischen Zentrums an der Uniklinik Köln. 

Wo liegt die Prostata und wozu braucht man sie überhaupt?

Die Prostata ist ungefähr so groß wie eine Kastanie und liegt etwas versteckt direkt hinter dem Beckenknochen tief im kleinen Becken. Sie kann – auch bei gutartigen Veränderungen – aber auch auf Handballgröße anwachsen. „Dann drückt sie natürlich die Harnröhre zusammen und es entstehen Probleme beim Wasserlassen“, sagt Professor Dr. Axel Heidenreich.

Benötigt wird sie für die Zeugungsfähigkeit, in der Prostata wird nämlich ein Sekret produziert, das die Samenflüssigkeit schützen soll. Wer mit der Familienplanung durch ist, könnte deshalb ohne negative Auswirkungen auf die Prostata verzichten. Allerdings: Sie liegt sehr nah am äußeren Schließmuskel und ist eingebettet in Gefäße und Nervenstrukturen, die für die Erektionsfähigkeit zuständig sind. „Bei einer Therapie müssen wir aufpassen, dass wir nichts verletzen, was die Funktion der Kontinenz und Potenz einschränkt.“

Wie häufig kommt es zum Prostata-Karzinom?

„Bei Männern ist das der absolut häufigste bösartige Tumor, den es gibt“, sagt Heidenreich. Ungefähr ein Viertel aller Tumore lauern bei ihnen in der Prostata. Besonders gefährdet sind Männer zwischen ihrem 65. und 75. Geburtstag. Zwar trifft er auch ältere Patienten, diese müssen laut Heidenreich aber oft nicht mehr behandelt werden, eine Beobachtung reicht dann aus. Bei den jüngeren Männern unter 50 Jahren sollten zusätzliche molekulare Untersuchungen veranlasst werden.

Der Krebs verursacht zunächst keine Symptome

Warum ist Vorsorge wichtig?

„Ein Prostatakarzinom verursacht zu Beginn keine Symptome“, sagt Heidenreich. Die Vorsorgeuntersuchung kann den Krebs erkennen, wenn er noch ungefährlich ist oder zumindest noch gut behandelt werden kann. Durch ein strukturiertes Vorsorgeverfahren kann sich die Sterbewahrscheinlichkeit an Prostatakarzinom um ein Viertel verringern - urologischen Studien zu Folge.

Und das ohne unangenehme Tastuntersuchung über den Enddarm. „Es hat sich herausgestellt, dass hierdurch quasi kein Tumor mehr entdeckt wird, also haben wir das in der Routine der Früherkennung nicht mehr empfohlen“ Männer müssten zudem nicht einmal unbedingt einmal im Jahr den PSA-Wert kontrollieren lassen. „Liegt ihr Wert mit 50 Jahren beispielsweise unter dem Schwellenwert 1, dann reicht es, wenn sie den erst in zwei bis vier Jahren wieder messen lassen.“ Anders sehe es bei Patienten mit einem PSA-Wert über 2 aus. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in 20 Jahren an einem Karzinom erkranken, ist etwa um den Faktor 30 erhöht. Deshalb ist eine jährliche Kontrolle sinnvoll.“

Muss auf einen erhöhten PSA-Wert gleich eine Biopsie folgen?

Nein, sagt Heidenreich. „Erstmal kontrollieren wir den Wert. Wir wissen nämlich, dass er durch Verhaltensweisen wie Radfahren oder Geschlechtsverkehr auch einfach natürlicherweise um zwanzig Prozent hin und her schwanken kann.“ Bleibt der PSA-Wert hoch, steht zunächst eine Kernspintomografie an. Anhand eines PI-RAD-Scores kann auf dieser Grundlage abgeschätzt werden, wie hoch das Krebsrisiko ist. Liegt der Wert bei unter drei, besteht keinerlei Risiko, es folgt also auch keine Biopsie. „Bei einem Wert von drei finden wir bei jedem fünften Mann ein Karzinom. Bei vier oder fünf biopsieren wir auf jeden Fall, denn da liegt fast immer etwas vor.“

26.08.2025, Köln: Medizintalk im Kölner Domforum: „Still, gefährlich, heilbar?“ Claudia Lehnen spricht mit Professor Dr. Axel Heidenreich. Foto: Arton Krasniqi

Ist im Falle eines Prostata-Tumors immer eine Operation nötig? Nein, sagt Professor Dr. Axel Heidenreich. Manchmal kann auch Abwarten und Kontrollieren eine adäquate Option sein.

Auf welchem Weg erfolgt die Biopsie?

Im Idealfall über den Beckenboden, denn so ist das Risiko für Infektionen gering. Über den Enddarm sollte Heidenreich zu Folge und entsprechend der aktuellen Leitlinien nicht mehr vorgegangen werden.

Was bedeutet der Gleason-Wert?

Untersuchen Ärztinnen und Ärzte die Gewebeprobe, die bei der Biopsie entnommen wurde, können sie im Anschluss klassifizieren, wie aggressiv der Tumor ist.

Errechnet wird der Gleason-Score aus der Summe des am häufigsten vorkommenden Zellmusters und des am zweithäufigsten vorkommenden Zellmuster, das in der Probe gefunden wurde. Grob kann man sagen: Liegt der Wert bei sechs, kann der Patient aufatmen, der Tumor gilt dann als wenig aggressiv, eine umfassende Therapie sei meist nicht nötig. „Nach der Leitlinie würden wir in diesem Fall keine aktive Therapie, sondern eine kontrollierte Nachsorge empfehlen. Eine Operation oder eine Bestrahlung hat bei diesen Werten keinen tumorspezifischen Vorteil für den Patienten“, sagt Heidenreich. Das für den Patienten beste Verfahren wird jedoch immer individuell besprochen. Liegt der Wert zwischen acht und zehn, deutet das auf einen hochaggressiven Tumor hin, der eine aggressivere Behandlung erfordert.

Was ist zu tun, wenn Krebs festgestellt wurde?

Wichtig ist zunächst: Im Falle eines Prostatakarzinoms besteht zunächst kein erhöhter Zeitdruck. „Zwei bis drei Monate zu warten, sind meistens kein Problem. Sie können sich also eine Zweitmeinung einholen.“ Sinnvoll sei, sich eine von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierte Klinik auszusuchen, die alle Therapie-Optionen anbieten, da so eine objektive Beratung gesichert ist.

„Egal welches Tumor-Stadium vorliegt, Sie haben immer mindestens zwei Therapie-Optionen“

Habe ich als Patient Wahlmöglichkeiten?

Auf jeden Fall, sagt Heidenreich. „Egal welches Tumor-Stadium vorliegt, Sie haben immer mindestens zwei Therapie-Optionen.“ Wer also Angst vor einer drohenden Inkontinenz nach einer Operation hat, der kann sich laut Heidenreich ohne Abstriche bei der Heilungsrate auch für eine Bestrahlung entscheiden.

Auch Zuwarten und Kontrollieren kann eine Option sein. „Studien mit bestimmten Patientengruppe, deren Werte in ein bestimmtes Raster passten, zeigen, dass zwischen den Bestrahlten, den Operierten und den lediglich Kontrollierten nach 15 Jahren kein Unterschied in der Überlebensrate bestand.“ Wichtig in der Gruppe der Abwarter sei lediglich: Der Arzt muss regelmäßig den PSA-Wert kontrollieren, auch ein MRT sowie eine Biopsie ist in gewissen Abständen nötig.

Und wenn eine Operation ansteht, was ist dann zu beachten?

„Fragen Sie in jedem Fall nach den Zahlen. Wie hoch ist die Rate der Inkontinenz in der Klinik nach der Operation? Wie hoch die der Impotenz? Wenn ein Operateur diese Frage nicht beantworten kann, dann suchen Sie sich eine andere Klinik“, sagt Heidenreich.

Wie häufig ist eine Inkontinenz oder Impotenz nach einer Operation?

Ein gewisses Risiko besteht nach Heidenreichs Aussage immer, es steige mit dem Alter des Patienten und der Größe des Tumors. „Im Mittel liegt das Risiko für Inkontinenz nach der Operation bei sechs bis acht Prozent“, sagt Heidenreich. Durch Beckenboden-Physiotherapie schon vor der Operation könne diese Rate etwas gesenkt werden. Auch die Gefahr, die Erektionsfähigkeit bei der Operation einzubüßen hänge vom Alter ab. „Jeder vierte Patient, der sich zwischen 50 und 60 Jahren operieren lässt, muss mit einer Impotenz rechnen.“ Mit dem Alter steige die Rate.

Penisprothese? „Die Hemmschwelle ist groß, im Ergebnis sind die Paare mit dieser Lösung aber oft sehr zufrieden“

Können die Funktionen mit der Zeit zurückkehren? Welche Optionen gibt es?

Es gibt laut Heidenreich immer Therapien, um die Lage zu verbessern. Bei der Inkontinenz kann Physiotherapie helfen, Ärzte seien aber auch in der Lage, rekonstruktive Operationsverfahren durchzuführen oder einen künstlichen Schließmuskel einzusetzen. Die Erektionsfähigkeit sei beispielsweise durch Medikamente, über Spritzen oder Implantate wieder herstellbar. Bei letzterem handelt es sich um eine zylinderförmige Penisprothese. „Sie werden ins Innere des Schwellkörpers eingelegt und lassen sich auf Knopfdruck ausdehnen. Die Hemmschwelle ist groß, im Ergebnis sind die Paare mit dieser Lösung aber oft sehr zufrieden.“

Was kann man der Prostata vorbeugend Gutes tun?

Eine spezifische Prostata-Diät existiert laut Heidenreich nicht. Aber was wir essen, habe natürlich einen Einfluss. „Eine mediterrane Ernährung mit viel Fisch, Olivenöl und viel rotem, grünen und gelbem Gemüse, aber auch tanninhaltigem Rotwein in Maßen ist für die Prostata günstig.“

Fettes Fleisch sollte eher nicht oder nur als Ausnahme auf dem Speiseplan stehen. Es lohne sich zudem, den Vitamin-D-Haushalt im Blick zu behalten, ist er zu niedrig, steige das Risiko für ein Karzinom. Zudem ist eine Mischung aus Ausdauer- und Kraftsport vorbeugend sinnvoll. Nicht zu vernachlässigen, so Heidenreich, sei auch die Psyche. „Wesentlich ist ein Gesprächspartner, das kann im Idealfall die Ehefrau sein, das kann aber auch ein guter Kumpel sein, mit dem Sie mögliche Ängste teilen können.“