„Ghosting ist nichts Neues“Wie Misstrauen der Partnersuche im Weg steht

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Illustration: Ein Mann und eine Frau sitzen am Tisch und schauen auf ein Handy.

Ohne Risiko funktioniert die Partnersuche nicht, sagt Paartherapeut Eric Hegmann.

Onlinedating kann eine Chance sein, sich neu zu verlieben und zu binden – doch vielfach bringt es auch Enttäuschungen mit sich. Paartherapeut Eric Hegmann sagt, warum man sich davon nicht abschrecken lassen sollte.

Herr Hegmann, laut einer aktuellen Parship-Studie hat jeder Dritte zwischen 18 und 29 Jahren schon einmal Erfahrungen mit Ghosting, also plötzlichem Kontaktabbruch, gemacht, jeder Vierte wurde zusätzlich blockiert (Cloaking). Wird das Datingverhalten gemeiner?

Eric Hegmann: Unser Datingverhalten wird nicht gemeiner. Was aber deutlich wird, ist, dass die Enttäuschungen und die Zurückweisungen, die die Menschen beim Dating erleben, dafür sorgen, dass sie mit Schutzstrategien reagieren. Solche Strategien gab es früher auch schon genauso – Ghosting ist demnach auch nichts Neues.

Also hat sich eigentlich nichts verändert?

Doch. Der große Punkt, der sich verändert hat, ist die Tatsache, dass wir heute viel mehr Menschen kennenlernen und mehr Beziehungen eingehen als jede Generation vor uns. Je mehr Menschen ich treffe, desto mehr Zurückweisungen und Enttäuschungen erlebe ich auch. Das macht etwas mit den Menschen. Beim Ghosting bewirkt es etwa, dass ich mir nicht einmal mehr die Mühe machen will zu erklären, warum ich mich nicht mehr treffen will. Beim Cloaking bewirkt es, dass ich die Person blockiere, damit sie mich nicht erreichen und nachfragen kann, was los ist. Man kann davon halten, was man will, in erster Linie wollen sich die Menschen mit so einem Verhalten aber schützen.

Wie kommt es zu so einem Schutzverhalten?

Ein großer Faktor sind die eigenen schlechten Erfahrungen, die man gemacht hat. Dazu kommen die schlechten Erfahrungen, von denen man gehört hat. Ein erstes Date läuft dann fast mit Fragebogen auf der Suche nach den red Flags ab. Daraus können gar keine Begegnungen mit emotionalen Verbindungen entstehen, sondern höchstens ein Bewerbungsgespräch. Da ist die nächste Enttäuschung eigentlich programmiert und die Verzweiflung bei der Partnersuche wird immer größer.

Die Parship-Studie zeigt auch, dass sich unter Jüngeren eine positive Tendenz abzeichnet. Demnach haben 17 Prozent der 18- bis 29-Jährigen es geschafft, beim Dating für das eigene Wohl klare Grenzen zu ziehen. Wie kann man es also besser machen?

Das Problem ist, dass die meisten Menschen, wenn sie verletzt wurden, misstrauisch werden. Das führt dazu, dass wir hinter dem Verhalten immer mehr deuten. Bestes Beispiel ist eine Verspätung beim Date. Wenn mir das passiert, gibt es sicher eine gute Begründung – der Bus kam nicht, die Katze ist krank oder es gab einen Unfall. Wenn aber der andere zu spät kommt, geht man direkt davon aus, dass er unzuverlässig ist und nicht weiß, was er will. So gibt man ihm gar nicht erst eine Chance und es besteht die Möglichkeit, dass man etwas verpasst. Gesundes Dating sieht anders aus und ist ehrlicher.

Aber wie teilt man mit, wenn man glaubt, dass es nicht passt?

Mit einem ganz normalen Gespräch, in dem man kommuniziert, was einem durch den Kopf geht. Man sollte dabei immer daran denken, wie man es sich im umgekehrten Fall für sich wünschen würde.

Sie sagen, dass unsere Angst vor Enttäuschungen immer größer wird. Wie kann man eine Enttäuschung beim Dating verhindern?

Gerade beim Onlinedating kommt es vor, dass die Menschen wochenlang miteinander schreiben, bevor sie sich treffen. Man kommuniziert in einer Blase, die oft nichts mit der Realität zu tun hat. Da kann es leicht passieren, dass sich ein falsches Bild aufbaut. Das mag für manche funktionieren, aber für viele nicht.

Sollte man sich also schneller treffen?

Wer feststellt, dass er beim Dating immer wieder an die gleiche Stelle kommt, wo es nicht weitergeht, sollte sich überlegen, die Strategie zu verändern. Möglichst schnell direkten Kontakt zu suchen kann hilfreich sein, um festzustellen, ob es passt oder nicht.

Viele Menschen, die geghostet wurden, ghosten später selbst.
Paartherapeut Eric Hegmann

Das Thema Dating scheint teilweise ziemlich kompliziert zu sein. Hat das Internet das Dating schwieriger gemacht?

Das glaube ich nicht. Eigentlich haben es die Menschen ja sogar leichter als früher.

Warum?

Es gab nie die Möglichkeit, so viele Kontakte zu knüpfen – unabhängig vom Umfeld. Onlinedating hat riesige Vorteile – aber natürlich auch Nachteile.

Welche Nachteile hat es?

Viele Menschen berichten mir, dass sie so viele Menschen treffen, dass es eigentlich nur noch anstrengend ist. Durch die vielen Kontakte kommen dann auch unschöne Begegnungen. Da ist es nur natürlich, dass man misstrauisch wird. Wichtig ist aber, darauf zu achten, dass man sich nicht das aneignet, was man erlebt hat. Viele Menschen, die geghostet wurden, ghosten später selbst. Das muss nicht sein.

Was ist beim Dating wichtig?

Die Menschen sollten sich anschauen, wie sie mit Enttäuschungen umgehen. Habe ich schon eine Checkliste? Sich das bewusst zu machen kann dabei helfen, das Verhalten wieder abzulegen. Wir können uns nicht auf Menschen einlassen, wenn wir zu vorsichtig sind. Ohne Risiko funktioniert die Partnersuche nicht.


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.

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