Therapeuten auf vier PfotenWas Assistenzhunde alles können und wie sie ausgebildet werden

Lesezeit 5 Minuten
Golden Retriever und Labrador Retriever in verschiedenen Farben sitzen und liegen im Garten.

Im Vita-Ausbildungszentrum in Hümmerich werden Labrador und Golden Retriever zu Assistenzhunden ausgebildet.

Bei Vita e. V. werden Assistenzhunde ausgebildet und mit ihren Menschen zusammengeführt. Was dabei besonders wichtig ist. 

Assistenzhunde sind Hunde, die Menschen mit körperlicher Behinderung dabei helfen, ihren Alltag selbstständiger zu bewältigen. Sie begleiten Blinde und Gehörlose und helfen Menschen im Rollstuhl dabei, Türen und Schubladen zu öffnen, die Waschmaschine auszuräumen oder Schuhe und Jacken auszuziehen. Sie heben heruntergefallene Gegenstände auf und bringen ihrem Menschen das Handy. Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen, etwa ehemaligen Soldaten, können sie dabei helfen, weniger Angst zu haben. Manche Hunde sind dazu in der Lage, einen Epilepsie-Anfall oder Blutzuckerabfall bei Diabetes im Vorhinein zu erschnüffeln und ihre Menschen rechtzeitig zu warnen. Einige Tiere sind so ausgebildet, dass sie einen Notfallknopf betätigen können, wenn ihrem Menschen etwas zustößt. 

Harmonische Teams aus Mensch und Hund

Damit die Tiere den Menschen helfen können, brauchen sie eine spezielle Ausbildung. Der gemeinnützige Verein Vita Assistenzhunde e.V. aus Hümmerich in Rheinland-Pfalz bildet seit 23 Jahren unter der Leitung von Tatjana Kreidler Assistenzhunde für Menschen mit körperlicher Behinderung aus. Ziel ist es, harmonische Teams aus Mensch und Hund zu bilden, die sich durch eine wechselseitige Beziehung bereichern. Mensch und Hund werden als gleichwertig betrachtet. 

Vita-Gründerin Tatjana Kreidler sitzt mit einigen Hunden auf einer Bank.

Vita-Gründerin Tatjana Kreidler mit einigen Hunden auf einer Bank.

Ausgebildet werden bei Vita nur Labrador oder Golden Retriever, da diese Rassen gerne lernen und es in sich angelegt haben, Gegenstände zu apportieren. Sie sind also perfekt dafür geeignet, Menschen im Rollstuhl oder mit anderen körperlichen Beeinträchtigungen Dinge zu bringen. Für sie ist das keine Arbeit, sondern sie machen das gerne. 

Der Verein arbeitet für die Ausbildung der Hunde mit verschiedenen Züchtern zusammen, die einen Teil ihrer Welpen an den Verein übergeben. Zur Ausbildung ausgewählt werden Tiere, die weder zu dominant noch zu schreckhaft sind, sondern freudig und neugierig auf Menschen zugehen und Spaß am Apportieren haben. Ihr erstes Lebensjahr verbringen die Hunde bei einer Patenfamilie. Die Welpen sollen den Alltag der Menschen kennenlernen und sie in Restaurants, in die Stadt oder in die Bahn begleiten, damit ihnen diese Situationen später nicht fremd sind. Zusätzlich werden sie in dieser Zeit unter Anleitung von Vita-Trainern spielerisch mit ihren späteren Aufgaben vertraut gemacht. 

Im Alter von 15 Monaten beginnt das eigentliche Training im Ausbildungszentrum in Hümmerich. Die Tiere lernen zum Beispiel, korrekt neben einem Rollstuhl zu laufen oder heruntergefallene Gegenstände zu bringen. Dafür wird viel mit Dummys trainiert, also Stoffsäckchen, mit denen die Hunde üben. „Vieles funktioniert spielerisch und natürlich haben die Hunde trotz ihrer wichtigen Aufgabe auch viel Freizeit, in der sie einfach Hund sein dürfen“, erklärt Laura Anthes, die bei Vita für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.  

„Manchmal passt es direkt zusammen“

Die gesamte Ausbildung dauert rund anderthalb Jahre. Mit knapp drei Jahren, manchmal auch früher, werden die Hunde schließlich mit ihren Menschen zusammengeführt. Von da an werden die Duos als Teams bezeichnet, in denen Mensch und Tier gleichwertig sind und zusammenarbeiten. Bei Vita kann sich jeder um einen Assistenzhund bewerben, der körperlich behindert ist und sich für die Hundehaltung eignet, also eine positive Einstellung zu Hunden und das entsprechende Lebensumfeld hat. Grundsätzlich sollte der Mensch die Verantwortung für das Tier alleine übernehmen können, noch besser ist es, wenn es im Haushalt eine weitere Betreuungsperson gibt. Bei Kindern sind die Eltern mit für das Tier verantwortlich. 

Mehrere Hunde und zwei Kinder im Rollstuhl sitzen sich gegenüber.

Wer passt hier zu wem? Ein Treffen von Assistenzhunden in Ausbildung und Bewerbern bei Vita e.V. in Hümmerich.

Pro Jahr gibt es maximal sechs neue Teams, die Liste der Bewerber ist wesentlich länger. Für ein erstes Treffen wählt Vita passende Kandidaten aus und führt sie in Hümmerich mit den Assistenzhunden in Ausbildung zusammen. Hier wird geschaut, welche Menschen zu den aktuell verfügbaren Hunden passen könnten. Bei dem Treffen sind auch schon bestehende Teams dabei, damit die neuen Bewerber Fragen stellen können. Wer am Ende zusammenfindet, entscheidet Tatjana Kreidler mit ihren Mitarbeitern. Oft sind es aber auch die Hunde, die sich ihren Menschen aussuchen. „Manchmal passt es direkt zusammen und man merkt, dass die Chemie stimmt“, hat Laura Anthes festgestellt. 

Mensch und Hund werden langsam aneinander gewöhnt

Haben sich Mensch und Hund gefunden, findet in Hümmerich eine sechswöchige Phase der Zusammenführung statt. In dieser Zeit leben die Menschen mit den Hunden gemeinsam im Ausbildungszentrum und lernen alles Wissenswerte rund um Hundehaltung, Ernährung und Körpersprache. Als Team üben Mensch und Hund unter der Anleitung der Ausbilder typische Situationen wie einen Besuch in der Stadt oder im Supermarkt zu meistern. Außerdem werden die täglichen Aufgaben immer wieder geübt, zum Beispiel das Schuhe-Ausziehen.

Assistenzhündin Buena hilft beim Schuheausziehen.

Nicht zu feste ziehen: Assistenzhündin Buena hilft beim Schuhe-Ausziehen.

Nach den gemeinsamen sechs Wochen kehrt der Mensch nach Hause zurück. Tatjana Kreidler und ihre Trainer reisen mit dem neuen Assistenzhund hinterher und begleiten Mensch und Tier in der vielleicht noch holprigen Anfangszeit durch den Alltag. Danach wird aus den beiden ein echtes Team fürs Leben. „Die Zusammenführung ist immer ein wunderschöner Moment, aber manchmal ist es auch traurig, die Hunde gehen lassen zu müssen“, findet Anthes.

Team fürs Leben ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen: Zwei bis dreimal pro Jahr treffen sich alle Teams wieder im Ausbildungszentrum in Hümmerich. Hier geht es nicht nur ums Wiedersehen, sondern vor allem um Austausch und Nachjustieren. Hat sich das Krankheitsbild verändert? Muss der Hund etwas Neues lernen, damit der Alltag funktioniert? Geht es Mensch und Hund gut? Wie kommen die anderen mit ihren Hunden zurecht? „Wir begleiten die Teams ein Leben lang“, erklärt Laura Anthes.

Assistenzhund kostet 35.000 Euro

Der Verein finanziert sich ausschließlich durch Spenden, Förderer und Sponsoren. Öffentliche Fördermittel gibt es nicht, auch die Krankenkassen übernehmen keine Kosten. Ein ausgebildeter Assistenzhund kostet im Durchschnitt 35.000 Euro. Vita klärt mit den Bewerbern mögliche Wege der Finanzierung über Sponsoren und Stiftungen ab, ein Eigenteil ist aber immer zu zahlen. Spenden sind deshalb herzlich willkommen. 

Spendenkonto: Deutsche Bank, IBAN: DE63 5007 0024 0301 0915 00, BIC: DEUTDEDBFRAKontakt: VITA e.V. Assistenzhunde, Karlshof 1a, 53547 Hümmerich, o2687/9214 10, www.vita-assistenzhunde.de

KStA abonnieren