Die StilkolumneWarum zu einem teuren Fischgericht das passende Besteck gehört

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Natürlich kann man - wie hier - Fisch auch mit normalem Besteck essen. Fischbesteck hat aber gute Gründe. 

Köln – Ich bin leidenschaftlicher Fischesser. Wenn ich mit meiner Frau essen gehe, kommt nach der Vorspeise immer wieder die gleiche spannende Frage: Wird der Kellner das Normalbesteck durch ein Fischbesteck ersetzen? In den meisten Fällen nicht. Soll ich darauf aufmerksam machen? Oder die Seezunge mit dem konventionellen Besteck verzehren und das Restaurant in Zukunft meiden?

Lifestyle-Wellen, die derzeit durch die Gastronomie schwappen wie etwa die „neue nordische Küche“ mit ihrem demonstrativen Minimalismus, wollen uns glauben machen, es sei irgendwie schick, den Tisch maximal mit einem rohen Holzbrettchen einzudecken und dazu vielleicht noch ein Glas als Besteckständer zu stellen. So etwas scheinbar Antiquiertes wie Fischbesteck ist damit natürlich auch abgeschafft. Ein Jagdmesser tut’s doch auch… Ich dagegen trete sehr dafür ein, die überkommenen Formen nicht einfach für überholt zu erklären. Eine gepflegte Esskultur verdient es, bewahrt zu werden.

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Vincent Moissonnier 

Man sticht Fisch nicht mit der Gabel an.

Sie fragen, ob Sie solche Restaurants meiden sollten. Nun, so weit würde ich nicht gehen. Es kommt ja auch darauf an, um welchen Typ Lokal es sich handelt. Für ein Schollenfilet im Brauhaus oder den britischen Klassiker Fish&Chips wäre ein Fischbesteck tatsächlich etwas überkandidelt. Und der Gast, der danach verlangt, würde mit gewissem Recht als Snob angesehen. Aber in dem Moment, in dem Hauptgerichte die 20-, 30-Euro-Marke erreichen, finde ich schon, dass man Ihnen zum Fisch auch Fischmesser und Fischgabel hinlegen sollte.

Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Fisch muss nicht geschnitten werden. Ein Fischmesser ist ausschließlich dafür gedacht, das zartfaserige Stück Fisch auf dem Teller vorsichtig auseinanderzunehmen und auf die Gabel zu befördern. Aus dem gleichen Grund hat die Fischgabel keine vier Zacken, sondern nur drei, die zudem nicht spitz sind, sondern fast stumpf. Man sticht Fisch nicht mit der Gabel an. Man hebt ihn lediglich damit hoch zum Mund.

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Man könnte nun einwenden, dass sich Fleischgabel und Fleischmesser für all das ebenso gut eignen – sie müssen dann halt nur ein wenig anders eingesetzt werden. Mag sein. Doch mit dem gleichen Argument können Sie auch einen edlen Bordeaux aus einem Cola-Glas trinken. Die Grundform eines Trinkbehältnisses haben schließlich beide.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Deswegen spreche ich von „Kultur“. Die erschöpft sich eben nicht in der reinen Zweckmäßigkeit. Obwohl das Fischbesteck selbst unter rein pragmatischen Gesichtspunkten etwas für sich hat: Wenn Sie nicht gerade mit einem Steakmesser auf den Fisch losgehen, sondern mit einem normalen, oben abgerundeten Messer, dann tun Sie sich viel schwerer, Gräten aus dem Fisch zu lösen, als mit dem meist spitz zulaufenden Fischmesser. Außerdem bringt es Rhythmus in die Menüfolge, wenn das Servicepersonal kommt und das Fischbesteck eindeckt. Der Gast weiß dann, was folgt und kann sich darauf einstellen. Fragen Sie also im Restaurant freundlich danach. Vielleicht hat es ja erzieherische Wirkung.

Und zu Hause? Nun, Sie müssen kein eigenes Set Fischbesteck in der Schublade haben. Aber wenn Sie häufig Fisch essen, es dabei sich und Ihren Gästen schön machen und sich die Anschaffung leisten wollen, setzen Sie damit jederzeit einen besonderen Akzent – und Sie können sich womöglich sogar allerlei anderen Schnickschnack bei der Tischdeko sparen.

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