Doktor oder Doktorin, Gästin oder GastWann soll ich die weibliche Form verwenden?

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Gendern

Welche Form benutze ich? Gendern ist alles andere als einfach.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal erklärt Anatol Stefanowitsch, wie es sich geschickt gendern lässt. Und ob man das grundätzlich immer tun sollte.

Köln – Im Duden gelten neuerdings maskuline Berufsbezeichnungen nur noch für Männer, für Frauen soll jetzt immer die weibliche Form verwendet werden. Im Prinzip finde ich das gut, aber manchmal bin ich doch unsicher. Meine Hausärztin rede ich zum Beispiel seit vielen Jahren mit „Frau Doktor“ an. Soll ich sie nun „Frau Doktorin“ nennen? Was ist mit Wörtern, bei denen die weibliche Form komisch klingt, wie „Gästin“? Und manchmal gibt es ja gar keine weibliche Form, z.B. bei „Mensch“. Wie verwende ich diese Wörter also richtig?

Zunächst einmal sind die Definitionen im Duden nicht als Gebrauchsanweisung für die betreffenden Wörter zu verstehen, sondern als Versuch, deren Bedeutung im Sprachgebrauch zu erfassen. Dass männliche und weibliche Personenbezeichnungen nun Definitionen bekommen, in denen der Geschlechtsbezug deutlich wird, steht im Einklang mit der Art und Weise, wie diese Wörter tatsächlich verstanden werden. Der Duden schafft hier also nicht – wie vielfach behauptet – die Möglichkeit ab, männliche Formen auch „generisch“ (für Menschen aller Geschlechter) zu verwenden. Er stellt nur klar, dass dieser Gebrauch nicht der eigentlichen Wortbedeutung entspricht. Insofern ist es empfehlenswert, männliche Personenbezeichnungen tatsächlich nur zur Bezeichnung von Männern zu verwenden.

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Anatol Stefanowitsch

Wie Sie aber richtig beobachtet haben, gibt es Fälle, in denen das gar nicht so einfach ist. Fangen wir mit dem akademischen Grad „Doktor“ an. Hier sollten Sie, wenn Ihre Ärztin es nicht ausdrücklich anders wünscht, beim „Frau Doktor“ bleiben. Akademische und militärische Grade und Dienstbezeichnungen werden im Deutschen als unveränderlich behandelt, bekommen also keine weibliche Nachsilbe. Da das Wort hier keine Person, sondern eine Qualifikation oder Position bezeichnet, leuchtet das ja auch irgendwie ein. Daneben gibt es aber in der Tat Wörter, die keine weibliche Form haben, oder bei denen eine weibliche Form ungewohnt klingt, allen voran „der Mensch“ oder der von Ihnen erwähnte „Gast“, aber auch „der Flüchtling“, „der Teenager“, „der Vormund“ oder „der Wessi/Ossi“. Obwohl diese Wörter grammatisch Maskulina sind, ist ihre Bedeutung geschlechtsneutral, so dass sich keine weibliche Form dazu bilden lässt. Entsprechend gibt es ja eine Handvoll geschlechtsneutraler Wörter, die grammatisch Feminina sind, wie „die Person“, „die Koryphäe“ oder „die Fachkraft“.

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Sprache ist eben nicht durchgängig logisch, und sie ist ständig im Fluss. Das zeigt sich auch bei diesen Wörtern, die ihr Verhalten in der Sprachgeschichte immer wieder einmal ändern. Die „Gästin“, die „Flüchtlingin“ und sogar die „Menschin“ sind noch in Texten aus dem 19. Jahrhundert belegt und könnten jederzeit ein Comeback erleben, aus dem „Teenager“ wird zumindest in der Pressesprache immer häufiger die „Teenagerin“ (die interessanterweise noch nicht im Duden steht), und es gibt Frauen, die sich einfach als „eine Wessi“ oder „eine Ossi“ bezeichnen, ohne sich darum zu kümmern, dass diese Wörter „eigentlich“ Maskulina sind. Selbst bei den (noch) unveränderlichen Dienstbezeichnungen folgen einzelne deutsche Doktorinnen und Professorinnen bereits dem österreichischen Vorbild.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, sind Sie gut beraten, sich auf bereits etablierte weibliche Formen zu beschränken. Wenn Ihnen eine Form merkwürdig vorkommt, schlagen Sie sie lieber in einem Wörterbuch Ihrer Wahl nach. Oder noch besser, verlassen Sie sich auf Ihr Sprachgefühl. Aber Sie müssen nicht immer auf Nummer sicher gehen. Wenn es passt und Sie sich wohl damit fühlen, können Sie durchaus mal eine dieser merkwürdigen Formen verwenden und selbst Teil des Sprachwandels werden.

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